Er nimmt das Taxi bis nach Berlin. In der Charité kümmern sie sich um sein Bein. Er muss so schnell wie möglich zurück in die Stadt, die Geschäfte laufen weiter. Er saß über eine Stunde mit den Mädchen in der leeren Wohnung.»Das ist eine miese Stadt«, sagt er,»wenn ihr vernünftig Geld verdienen wollt, ich habe einen Laden unten im Osten. Seid ihr jederzeit willkommen. Zahlt ihr nur fürs Zimmer. Oder wollt ihr nach Berlin?«
Sie tuscheln. Die Blonde scheint aus Polen zu sein. Oder Russland. Was weiß er schon? Später findet er ein Päckchen Spielkarten in dem kleinen Regal neben seiner Schulter. Das Knie macht ihn fertig.
Sie spielen Mau-Mau um seine letzten Zigaretten. Sie kommt aus Litauen, spricht Russisch und etwas Deutsch. Jana kommt aus einem kleinen Nest in der Nähe. Im Taxi nach Berlin sitzen sie auf der Rückbank und streicheln über das glänzende Fell der Tschapka, die der Oberst ihm am ersten Abend geschenkt hat.
«Hast Besuch mitgebracht?«, sagt Mondauge am Nachmittag, Smog in Berlin, nichts wie hin . Er sitzt allein am Tresen und hört Oldies und liest Zeitung. Blickt nur kurz auf.
«Kümmer dich um die Mädels, ich hab einen Termin in der Charité.«
«Betriebsunfall oder schlecht geträumt?«
«Nur äußerlich. Wenn’s auf den Kopf übergreift, ruf ich bei Domian an.«
«Die schwule Stimme des Rheinlands. Trink erstmal einen. Und geh lieber ins Urbankrankenhaus, ist gleich um die Ecke. Die Ossis versauen’s dir bloß.«
«Haben sie schon. Bin bald wieder hier.«
«Im großen Revier … Und die Geschäfte?«
«Laufen weiter. Wie gehabt. Was denkst du denn?«
«Das mit dem Denken hab ich mir abgewöhnt. In manchem süßen Traum, vorbei in mancher Nacht.«
«Was?«
«Ach, scheiß drauf. Schieb deinen Arsch zur Oberschwester.«
«Ja, ja. «Er schließt die Augen und sieht: Lichtschleifen. Körper wie aus flüssigem Plasma. Blinkende Steine. Las Vegas.
Liebe Kolleginnen, liebe Mitstreiterinnen, liebe Freundinnen, liebe Freunde, ich begrüße euch nochmal aufs herzlichste! Ich bin überaus stolz, von ganzem Herzen stolz , wie meine Vorrednerin sagte, dass ihr hier heute in so großer Zahl erschienen seid! Ich bin eine Hure, und ich zeige mich!
(…) Danke, vielen Dank.
Drei Jahre Prostitutionsgesetz. Ich weiß noch, wie viele von uns damals dachten, jetzt sind wir endlich in der Gesellschaft angekommen. Jetzt werden wir elementare Rechte wahrnehmen können, die Zeit der Halblegalität, in der wir in all den Jahren agieren mussten, arbeiten mussten, leben mussten, ist nun vorbei.
Ich zitiere noch einmal aus dem Gesetz, liebe Kolleginnen, liebe Mitstreiterinnen:
«Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Person, insbesondere im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, für die Erbringung derartiger Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt für eine bestimmte Zeitdauer bereithält.«
Wie ihr alle wisst, wurde gleichzeitig im Strafgesetzbuch festgehalten, dass das Schaffen eines angemessenen Arbeitsumfeldes nicht strafbar ist, wenn — und das ist ein Punkt, den wir hier sicher in den nächsten Stunden und Tagen noch diskutieren werden und müssen! — es nicht zu einer Ausbeutung der Sexarbeiterin kommt.
Wo stehen wir heute, drei Jahre nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes? Wie viele von euch, von uns, besitzen Arbeitsverträge? Sind wir auch de facto vom Vorwurf der Sittenwidrigkeit befreit? Werden wir durch weiterhin existierende Sperrbezirksverordnungen in der Ausübung unserer Arbeit eingeschränkt? Warum gibt es keine einheitlichen Regelungen durch die Behörden beziehungsweise keine einheitlichen Auslegungen der bestehenden Gesetze, was die Anmeldung von Betrieben und die Ausarbeitung von Arbeitsverträgen betrifft?
Hier möchte ich auch die anwesenden Betreiber und Betreiberinnen von Bordellen oder, wie es so schön heißt, bordellähnlichen Betrieben begrüßen, leider nehmen nur wenige an unserem Kongress teil, aber ich freue mich auf die Diskussionen mit euch, die ihr gekommen seid, auf eure Anregungen und Erfahrungsberichte.
Ich möchte daran erinnern, dass die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di im Jahr zweitausendzwei bereits einen Musterarbeitsvertrag vorgelegt hat, der den Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern umfassende Rechte einräumte, wie das in anderen Arbeitsverhältnissen alltäglich ist. Wir sollten und müssen uns auch selbst hinterfragen, sowohl wir Sexarbeiterinnen als auch die Betreiber und Betreiberinnen von Betrieben, warum es seit dem Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes einfach wenige, nein, viel zu wenige Änderungen und Verbesserungen in unserem Arbeitsumfeld und in unserer Arbeit gegeben hat. Gleichzeitig und vor allem möchte ich die anwesenden Mitglieder der Regierungs- und Oppositionsparteien bitten, und auch hier muss ich sagen, leider sagen, dass sich nur wenige Politiker eingefunden haben, aber ich möchte euch bitten, euch intensiv all diesen Fragen zu widmen, sie in eure Fraktionen zu tragen! Ihr könnt euch jederzeit nach den Beiträgen der Rednerinnen per Handzeichen zu Wort melden! Wir alle sind gefragt, wir alle müssen zusammenstehen und offen miteinander sprechen, es geht darum, elementare Dinge zu ändern, Probleme, die seit Jahrzehnten bestehen, zu lösen! Die Doppelmoral, was die Sexarbeit betrifft, muss endlich ein Ende haben! Wir brauchen anwendbare Regelungen, um auf dem Arbeitsmarkt und nicht zuletzt in der Gesellschaft als mündige, versicherte, gemeldete, aber freie, Rechte wahrnehmende und Rechte einhaltende Arbeitnehmerinnen oder Selbständige zu agieren, zu leben und … ja … zu arbeiten!
Ich weiß, dass viele meiner Kolleginnen den Status als Selbständige vorziehen! Und dagegen ist auch in keinster Weise etwas einzuwenden! Der Weg in die Selbständigkeit war und ist ja oft der erste Schritt! Würde aber eine adäquate Alternative in einem geregelten Arbeitsverhältnis bestehen, welches ein Grundgehalt beinhaltet …, ein Mindestgehalt, wie das schon vielerorts mit vielfältigen Modellvorschlägen diskutiert worden ist … Aber, liebe Freundinnen, liebe Freunde, wie soll das vonstattengehen? Frage ich ehrlich, frage ich euch, frage ich auch und vor allem die anwesenden Betreiberinnen und Betreiber.
Zumindest was die Arbeiterinnen an der Bar und die Tänzerinnen und Künstlerinnen betrifft, sind wir da zum Teil weitergekommen. Und sollten auch in diesem Bereich weiterarbeiten, dort weitermachen.
Ich sage hier ganz offen und ehrlich, dass ich als selbständige Sexarbeiterin, als selbständige Dienstleisterin arbeiten möchte, so wie bisher! So wie die meisten von euch, von uns.
Ich besitze seit zweitausendzwei einen sogenannten Werkvertrag. Meine Chefin lobt die neue Rechtssicherheit, die sie zumindest ein Stück weit vor Razzien schützt. Mein Werkvertrag regelt eindeutig meinen Status als selbständige Dienstleisterin, er verpflichtet mich dazu, meine Einkünfte selbst zu versteuern.
Ich bin in einer privaten Krankenversicherung. Ich weiß, dass viele von euch unter Angabe einer anderen Tätigkeit krankenversichert sind. Was ich unter anderem vorweisen musste, war ein sogenanntes Drogenscreening. Des Weiteren einen Untersuchungsbericht meines Hausarztes. Ich habe diesen Schritt bewusst gewählt. Und wir alle sollten diesen Schritt bewusst wählen!
Für Sexarbeiterinnen mit Migrationshintergrund gibt es allerdings weitere Schwierigkeiten, die aber bei Vorlage aller erforderlichen Dokumente auch zu meistern sein sollten! So ist es — wenn ich das so nennen darf — de jure, das sind unsere Rechte, das sollten sie sein! Ich weiß aber aus vielen Gesprächen mit Kolleginnen, dass es häufig anders aussieht. Dass es gute Gründe gibt, warum andere Tätigkeiten bei den Versicherungen angegeben werden. Ich würde mich freuen, wenn in der anschließenden Diskussion alle Schwierigkeiten, alle Hindernisgründe hier offen angesprochen werden!
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