»Hören Sie, wenn wir beide gleich wie Schlosshunde losheulen, dann gehen Sie besser«, sagte er.
»Passen Sie auf sich auf, ja?«
»Keine Bange, ich werde mich mit Samthandschuhen anfassen.«
Ich nickte und ging zur Tür.
»Martín?«
Auf der Schwelle drehte ich mich um. Sempere sah mich so besorgt an wie an jenem Morgen, an dem ich einige Zähne und einen guten Teil meiner Unschuld verloren hatte. Ich ging, bevor er mich fragen konnte, was mit mir los sei.
Was Isabella von mir als Berufsschriftsteller als Erstes gelernt hatte, war die Kunst und Praxis des Hinausschiebens. Jeder alte Hase in diesem Geschäft weiß, dass vom Bleistiftspitzen bis zum Tagträumen alles wichtiger ist, als sich einfach hinzusetzen und das Gehirn auszuwringen. Diese grundlegende Lektion hatte Isabella durch Osmose verinnerlicht, und als ich nach Hause kam, fand ich sie nicht an ihrem Schreibtisch, sondern in der Küche, wo sie einem Gericht die letzte Würze gab, das duftete und aussah, als hätte seine Zubereitung mehrere Stunden gekostet.
»Haben wir etwas zu feiern?«, fragte ich.
»Bei dem Gesicht, das Sie machen, wohl nicht unbedingt.«
»Wonach duftet es?«
»Kandierte Ente mit Birnen aus dem Ofen und Schokoladensoße. Ich habe das Rezept in einem Ihrer Kochbücher gefunden.«
»Ich habe keine Kochbücher.«
Sie stand auf und legte einen ledergebundenen Band mit dem Titel Die 101 besten Rezepte der französischen Küche von Michel Aragon auf den Tisch.
»Das glauben Sie. In der hinteren Reihe der Bücherregale habe ich alles Mögliche gefunden, sogar ein Handbuch der Ehehygiene von einem Dr. Pérez-Aguado mit überaus anregenden Illustrationen und Sätzen wie ›Aufgrund des göttlichen Ratschlusses kennt das Weib keine Fleischeslust und findet seine geistige und gefühlsmäßige Verwirklichung in der Erfüllung der natürlichen Aufgaben von Mutterschaft und Hausarbeit‹. Da sind wir gleich wieder in Ali Babas Höhle.«
»Und darf man fragen, was du in der hinteren Reihe der Regale gesucht hast?«
»Inspiration. Die ich auch gefunden habe.«
»Aber kulinarischer Art. Wir hatten doch ausgemacht, dass du jeden Tag schreiben würdest, mit Inspiration oder ohne.«
»Ich stecke fest. Und das ist Ihre Schuld, weil Sie mir zu viele Aufgaben zuteilen und mich in Ihr Spiel mit dem unbefleckten Sempere junior verwickeln.«
»Findest du es nett, den Mann zu verspotten, der bis über beide Ohren in dich verliebt ist?«
»Was?«
»Du hast schon richtig gehört. Der junge Sempere hat mir gestanden, dass du ihn um den Schlaf bringst. Wörtlich. Er schläft nicht, isst nicht, trinkt nicht — der Ärmste kann nicht einmal urinieren, weil er den ganzen Tag an dich denken muss.«
»Sie phantasieren wohl.«
»Wer phantasiert, das ist der arme Sempere. Du hättest ihn sehen sollen. Um ein Haar hätte ich ihm eine Kugel verpasst, um ihn von seinem Schmerz und Elend zu erlösen.«
»Der nimmt mich doch gar nicht ernst«, protestierte sie.
»Weil er nicht weiß, wie er sich dir offenbaren und seinen Gefühlen Ausdruck verleihen soll. Wir Männer sind so. Roh und primitiv.«
»Er hat aber durchaus Worte gefunden, um mich anzufahren, weil ich mich bei der Bestellung der Nationalen Episoden geirrt habe. Da war er sehr beredt.«
»Das ist nicht dasselbe. Administrative Formalitäten sind eines, die Sprache der Leidenschaft ist etwas ganz anderes.«
»Dummes Zeug.«
»In der Liebe gibt es nichts Dummes, werte Assistentin. Und um das Thema zu wechseln — essen wir nun zu Abend oder nicht?«
Isabella hatte den Tisch ihrem Festschmaus entsprechend gedeckt und ein ganzes Arsenal Teller, Besteck und Gläser aufgefahren, die ich noch nie gesehen hatte.
»Ich weiß nicht, warum Sie diese Kostbarkeiten nicht benutzen, wo Sie sie schon haben. Das war alles in Kisten in dem Zimmer neben der Waschküche«, sagte sie. »Typisch Mann.«
Ich hob eines der Messer und betrachtete es im Licht der Kerzen, die Isabella aufgestellt hatte, und mir wurde klar, dass diese Dinge Diego Marlasca gehört hatten. Ich konnte förmlich spüren, wie mir der Appetit verging.
»Ist was?«, fragte Isabella.
Ich schüttelte den Kopf. Meine Assistentin servierte zwei Teller und schaute mich erwartungsvoll an. Ich kostete einen ersten Bissen und nickte mit einem Lächeln.
»Sehr gut.«
»Ein bisschen zäh, glaube ich. Im Rezept steht, man müsse es ich weiß nicht wie lange auf kleiner Flamme braten, aber bei Ihrem Herd gibt es entweder gar keine Flamme oder eine, die alles versengt, dazwischen ist nichts.«
»Es schmeckt gut«, wiederholte ich und aß ohne Appetit.
Isabella schaute mir argwöhnisch zu. Wir speisten schweigend weiter, sodass nur das Klappern des Bestecks auf den Tellern zu hören war.
»Haben Sie das mit dem jungen Sempere ernst gemeint?«
Ich nickte, ohne vom Teller aufzuschauen.
»Und was hat er sonst noch über mich gesagt?«
»Er hat gesagt, du seist eine klassische Schönheit, intelligent, zutiefst weiblich — er ist nun mal so kitschig —, und er fühle, dass es zwischen euch eine geistige Verbindung gebe.«
Sie warf mir einen Blick zu, der töten konnte.
»Schwören Sie mir, dass Sie sich das nicht aus den Fingern saugen«, sagte sie.
Ich legte die rechte Hand auf das Kochbuch und hob die linke.
»Ich schwöre es bei den 101 besten Rezepten der französischen Küche «, erklärte ich.
»Man schwört mit der anderen Hand.«
Mit vertauschten Händen und feierlichem Ausdruck wiederholte ich das Ganze. Isabella schnaubte.
»Was soll ich also tun?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht. Was tun Verliebte? Spazieren oder tanzen gehen…«
»Ich bin aber nicht in diesen Herrn verliebt.«
Ich aß weiter an meiner kandierten Ente, ohne auf ihren insistierenden Blick einzugehen. Nach einer Weile schlug sie auf den Tisch.
»Schauen Sie mich bitte an. All das ist Ihre Schuld.«
Bedächtig legte ich das Besteck hin, wischte mir mit der Serviette die Lippen ab und schaute sie an.
»Was soll ich also tun?«, wiederholte sie.
»Nun, das kommt ganz drauf an. Gefällt er dir denn oder nicht?«
Eine Wolke des Zweifels trübte ihre Miene.
»Ich weiß nicht. Zunächst einmal ist er ein wenig alt für mich.«
»Er ist praktisch genauso alt wie ich. Höchstens ein oder zwei Jahre älter. Vielleicht drei.«
»Oder vier oder fünf.«
Ich seufzte.
»Er steht in der Blüte seines Lebens. Ich dachte, dir gefallen reifere Herren.«
»Machen Sie sich nicht lustig über mich.«
»Isabella, ich bin nicht der Richtige, um dir zu sagen, was du tun sollst…«
»Das ist ja ein starkes Stück.«
»Lass mich doch ausreden. Was ich sagen will, ist, dass das etwas zwischen dem jungen Sempere und dir ist.
Wenn du mich um Rat fragst, dann würde ich sagen, gib ihm eine Chance. Nichts weiter. Sollte er sich dieser Tage dazu durchringen, einen ersten Schritt zu tun, und dich, sagen wir, zu Kaffee und Kuchen einladen, dann nimm die Einladung an. Vielleicht beginnt ihr euch zu unterhalten und lernt euch kennen und seid am Ende die besten Freunde — oder auch nicht. Aber ich glaube, Sempere ist ein guter Mensch, sein Interesse an dir ist echt, und ich würde zu behaupten wagen, dass im Grunde auch du etwas für ihn empfindest, wenn du es recht bedenkst.«
»Sie strotzen vor fixen Ideen.«
»Aber Sempere nicht. Ich glaube, es wäre schäbig, die Zuneigung und Bewunderung, die er für dich hegt, nicht zu respektieren. Und du bist nicht schäbig.«
»Das ist Erpressung.«
»Nein, das ist das Leben.«
Isabella schmetterte mich mit dem Blick nieder. Ich lächelte sie an.
»Tun Sie mir wenigstens den Gefallen und essen Sie auf.«
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