»Verstehst du mich?«, hakte der Kardinal nach.
»Aber ja, vollkommen, Eminenz.«
»Gut. Bei Strafe der Exkommunikation verbiete ich dir, über alles, was du nun hören wirst, zu sprechen. Ein Wörtchen zu einem Dritten, und du findest dich erst auf dem Scheiterhaufen und anschließend in der Hölle wieder. Schwöre bei Gott und bei deinem Seelenheil, dass du über alles, was ich dir sagen werde, strengstes Stillschweigen bewahren wirst!«
»Ich schwöre bei Gott und meinem Seelenheil.«
»In Ewigkeit. Amen. Soviel ich weiß, hast du als Landsknecht bei dem Condottiere Ferrante Francesco d’Avalos, Marchese di Pescara gedient.«
»Ein guter Mann, ja. Und wie alle guten Männer hat ihn der Herr zu früh abberufen.« Ascanio konnte sich dieser Spitze gegen Carafa nicht enthalten, denn der Kardinal war zehn Jahre älter als der Söldnerführer, der bereits 1525 einer Verletzung erlegen war. Ascanio erinnerte sich, dass damals auch von Gift gemunkelt wurde.
Der Großinquisitor ließ nicht erkennen, ob er den Seitenhieb bemerkt hatte, sondern fuhr ungerührt fort. »Lass das nur getrost die Sorge des Herrn sein, wann er wen abberuft. Soviel ich weiß, hast du für den Marchese eine Weile als Liebesbote fungiert und die Briefe des Marchese an die Marchesa und ihre Antworten befördert.«
Ascanio zuckte innerlich zusammen. Der Inquisitor war erstaunlich gut unterrichtet. Verräter und Zuträger gab es immer.
»Du bist also der Marchesa wohlbekannt. Geh zu ihr! Sag, dass du eine Arbeit brauchst und in ihre Dienste treten möchtest. Die eitle Frau wird es dir nicht versagen. Christi schlimmste Feinde hat sie um sich versammelt: Pole, Morone, Contarini, und soviel ich weiß, verkehrt in ihrem Haus auch dieser teuflische Maler, der wie zum Hohn Michelangelo heißt. Richtiger hieße er Michel Diavolo.«
»Verzeiht, Eminenz, ich bin nur ein schlichtes Landsknechtsgemüt. Ich weiß nicht, was Ihr von mir wollt!«
Ascanio hatte den Kardinal nur zu gut verstanden, er sollte zum Verräter werden, zum Zuträger, zum Denunzianten, zum Spitzel. Lieber wollte er sterben. Niemals!
»Für ein schlichtes Landsknechtsgemüt hast du dem heiligmäßigen Kardinal Catalano beachtliche Schwierigkeiten bereitet, der nur den Glauben und die Kirche schützen wollte. Täusche dich nicht, mein Sohn! Ich bitte dich nicht! Du wirst tun, was ich dir sage! Eine Untersuchung deiner Rechtgläubigkeit würde auch dein Umfeld mit einbeziehen müssen. Die ganze Familie Sangallo: Lucrezia, Antonio, die Kinder.« Der Kardinal ließ die unverhohlene Erpressung eine Weile auf Ascanio wirken und fuhr dann fort: »Manfredo hast du ja schon kennengelernt. Einmal im Monat erstattest du ihm Bericht, was die Teufel im Hause Colonna so alles aushecken. In dringenden Fällen wartest du nicht, sondern wendest dich gleich an ihn. Wage nicht, mir etwas zu verschweigen. Ich habe noch andere Augen und Ohren!« Der Kardinal erhob sich. »Nun geh und tu, was ich dir gesagt habe.« Seine Augen funkelten. Ohne Ascanio zu segnen, strebte er dem Ausgang zu.
Zu seiner Geliebten zog es Ascanio nach dem Gespräch mit dem Großinquisitor nicht mehr. Er musste nachdenken. Ein Großteil seines Lebens hatte er diese Familie beschützt, erst Imperia, dann Lucrezia, schließlich hatte er sie vor den Landsknechten während des Sacco di Roma gerettet. Er durfte sie nicht in Gefahr bringen. Andererseits konnte er auch nicht die Marchesa ausspionieren, das würde Verrat an ihrem toten Mann bedeuten. Er musste einen Ausweg finden!
Als er in den Palazzo der Familie Sangallo zurückkehrte, überfiel ihn gleich das geschäftige Treiben, das turbulenter als sonst das Gebäude erfüllte, denn man bereitete die Hochzeit von Bartolomeo vor, Lucrezias jüngstem Sohn. Er sollte Esmeralda heiraten, die jüngste Schwester Arnoldo di Maffeos. Ascanio bat Lucrezia, mit ihm einen Spaziergang zu unternehmen.
Sie gingen in Richtung der Piazza del Popolo, wo auch die Kirche Santa Maria lag. Raffael hatte dort die Kapelle gleich neben Imperias letzter Ruhestätte gestaltet, in der Agostino Chigi beigesetzt war. Schweigend hörte sich Lucrezia Ascanios Schilderung bis zum Ende an. Er konnte spüren, dass sie angestrengt nachdachte.
»Die Familie muss beschützt werden!«, sagte sie schließlich. »Das ist das Erste und das Letzte. Darum bitte ich dich, Ascanio, bringe kein Unheil über unsere Familie. Das Opfer meiner Mutter wäre sonst vergeblich gewesen.« Tränen traten ihr in die Augen.
»Nein, natürlich nicht!« Er liebte diese Frau noch immer, niemals könnte er ihr schaden.
»Wenn du dich von Antonio verabschiedest, sag ihm nicht den wahren Grund. Er bringt es fertig und beschwert sich beim Papst. Männer und ihre Ehrbegriffe!«, seufzte sie ein wenig bitter und verdrehte die Augen. »Er ist ein guter Baumeister, aber er ist kein Genie wie Bramante, Raffael oder dieser düstere Michelangelo. Und weißt du, ich bin froh darüber, denn es lebt sich mit einem Menschen angenehmer als mit einem Genie. Aber weil er kein Genie ist, benötigt er Protektion, auch Carafas Wohlwollen!«
Ascanio hatte verstanden. Er wurde bei Vittoria Colonna vorstellig, erinnerte sie an die alten Zeiten, an ihren Gemahl, den sie in Gedichten besungen und dem sie bis zu diesem Tag die Treue gehalten hatte, denn sie war Witwe geblieben. Nachdem sie eine Weile über die ferne Vergangenheit gesprochen hatten, bat Ascanio, in ihre Dienste treten zu dürfen. Sie nahm ihn gern auf, schon weil er sie an ihren Mann erinnerte.
Ascanio feierte noch Bartolomeos Hochzeit mit, dann nahm er schweren Herzens Abschied von Antonio und den Seinen. Der Architekt verstand zwar den alten Haudegen nicht, musste sich aber dessen Entschluss fügen. Wer kannte sich mit den Fechtern schon aus? Es waren doch recht seltsame Leute, die ihr Leben auf der Degenspitze balancierten.
Ascanio konnte sich Vittoria nicht anvertrauen, denn er wusste nicht, wie sie reagieren würde. Deshalb beschloss er, Manfredo hinzuhalten, indem er ihn mit Banalitäten und Finten abspeiste, um herauszufinden, wer von den Hausangestellten für die Inquisition arbeitete. Vor allem wollte er Zeit gewinnen. Je länger er in Vittorias Diensten stand, desto schwieriger würde es für Carafa, die Familie Sangallo in ein Verfahren gegen ihn mit hineinzuziehen. Außerdem war der Kardinal nicht mehr der Jüngste – irgendwann musste ihn ja der Teufel holen.
Das Spiel fand auf Messers Schneide statt. Ascanio durfte nicht so wenig liefern, dass es auffiel, und dennoch musste das Material letztlich für die Inquisitoren nutzlos sein. Es gelang ihm, zwei Zuträger unter Vittorias Hauspersonal herauszufinden. Nun wurde es Zeit, mit der Marchesa darüber zu reden. Vittoria dankte ihm, informierte ihre Freunde, auch Michelangelo, dass die Inquisition gegen sie ermittelte, und sprach mit dem Papst. Paul III. bestellte Gian Pietro Carafa ein. Er lobte seinen Eifer in der Bekämpfung der Ketzer, doch kurz vor dem Ende der Audienz wich plötzlich alle Freundlichkeit aus seinem Gesicht, und er drohte dem Großinquisitor: »Halte dich daran, Gian Pietro, unberührbar sind die Marchesa di Pescara, die Kardinäle Morone, Pole und Contarini, schließlich Michelangelo!«
Carafa musste mit dem heiligen Eid schwören, nicht gegen die Genannten zu ermitteln. Von diesem Tag an nahm Manfredo keinen Kontakt mehr zu Ascanio auf. Der Großinquisitor setzte die Untersuchungen zwar fort, aber wesentlich vorsichtiger. Er konzentrierte sich nun auf das Umfeld des Kreises der Vittoria Colonna, die er wirklich für eine Teufelin hielt. Manchmal träumte Gian Pietro Carafa, dass Gott ihn mit glühenden Ruten züchtigte, weil er zu wenig Ketzer fing.
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