Winfried Paarmann - Höhentänzer oder Die leichte Berührung des Himmels

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Höhentänzer oder Die leichte Berührung des Himmels: краткое содержание, описание и аннотация

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Jonas, 26jährig, an einen Punkt der völligen Lebensverneinung getrieben, macht die Probe: Von zwei äußerlich völlig identischen Flaschen enthält eine einen Zusatz von Barbituraten, die ein friedliches Einschlafen ohne ein Wiedererwachen ermöglichen. Er greift die eine der Flaschen und leert sie. Was wird geschehen?
Er muss schließlich begreifen, dass ihm dies Leben bewahrt bleiben wird. Und doch: Es wird der Schritt in eine veränderte Existenz. «Er hatte den Tod berührt, ohne Abwehr. Er hatte den Mut zum 'Absprung' bewiesen. Das wusste er nun…»
Er lebt sein Leben weiter, als wäre sein Sterben geschehen. «Von nun an spielst du dein Leben. Du schaust dir zu. Alles was bleibt, ist ein waches, sammelndes Auge.»
Dies doch bedeutet kein inneres «Absterben», im Gegenteil: sein gesamtes Wahrnehmen wird facettenreicher und klarer. Und auch seine bisher so vernunftgesteuerte Lebensart wird eine andere. Er lässt sich auf Neues, Ungewöhnliches, zunehmend auch äußerst Gefahrvolles ein. Alles ist «ohne Gewicht».
Jede Freiheit ist möglich – die Grenze ist einzig jeder Schritt in die Gewalt. Und doch wird er am Ende zwei Menschen erschießen. Er hat die Intensität einer Nähe und Liebe erfahren, die selbst ein solches Gesetz schließlich aufheben kann.
Recht oder Unrecht?
Wie lebt jemand weiter nach einer Probe, die die bewusste Annahme des eigenen Todes war? Wie gelingt ein Versuch, sich von jeder alten Bindung zu lösen und vollkommen frei zu sein?

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Winfried Paarmann

Höhentänzer oder Die leichte Berührung des Himmels

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Inhaltsverzeichnis Titel Winfried Paarmann Höhentänzer oder Die leichte - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Winfried Paarmann Höhentänzer oder Die leichte Berührung des Himmels Dieses ebook wurde erstellt bei

Die Probe

Die Spuren der Erzählung

Der neue Tag

Der Freigänger

Die kleine Hüterin der Straßenmöbel

Marlies

Das Baum-Auto

Roswita

Pudel-Zucht

Die „Baumboutique“

Der Cousin

„Omnia sunt signa“

Nächtliche Selbsteinladung

Der „Emaille-Baum“

Das Spiel namens „Tod“

Wulf

Der nicht erfüllte Vertrag

Das Foto der Zwillingsschwester

Bücher zählen

Befund: Schizophrenie

Die Razzia

Das Bild der Mutter, das Bild des Vaters

Das Gesicht der Angst

Stunde der Bilanz

Blutige Scherben

„Werde Nr. 1 – Du bist dir selbst der nächste“

Der Mann in der Bücherhöhle

Die Gaspistole

Das Leiden, das Liebe heißt

Die welkende Mäzenin

Gelöschte Erinnerung

Die früh verschenkten Jahre

Die flüsternde Stimme der Stille

Veronika

Der „Kartenmagier“

Gemalte Masken

Vergebliches Warten

Das Untier der Schrecken

Der „Lolita-Keller“

Heiliger, tödlicher Zorn

Rückkehr in den alltäglichen Wahnsinn

Die Trauergemeinde

Der Abgang der Tragödin

Impressum neobooks

Die Probe

In der nächsten Stunde, sagte er sich, würde sich alles entscheiden.

Er beobachtete sich. Wenn er die Flasche mit der Beimischung der tödlichen Dosis gegriffen hatte, würde er wenig später in Schlaf fallen und nicht mehr daraus erwachen.

Er wusste es nicht. Die Flaschen waren völlig identisch, glichen sich wie zwei Schlüssel desselben Schlosses.

Er hatte die Flasche bis auf den letzten Tropfen geleert.

Er wartete und beobachtete was geschah.

Er trat hinaus auf den Balkon, ließ seine Blicke über die Straße gleiten, die gegenüberliegende Häuserfront, die Dächer, die Wolken.

Er erlebte das mit der intensiven Vorstellung, dies alles zum letzten Mal zu sehen.

Für Augenblicke spürte er eine seltsame Sehnsucht nach Erde. Malte sich aus, er würde noch einmal über die Straße wandern, den leisen Aufschlag seiner Schritte hören. Einfach nur Erde wahrnehmen, wie er sie sein Leben lang unter den Füßen gefühlt hatte.

Doch jeder Spaziergang konnte rasch zu einer Gefährdung dieses Experimentes werden. Steigerten sich die Anzeichen von Schwäche und Benommenheit und würde er dort auf der Straße zusammenbrechen, dann wäre schnell ein Passant zur Stelle, der einen Notarztwagen rief, die anschließende Fahrt würde im Krankenhaus und mit einem eilig ausgepumpten Magen enden.

Nein, diese Abmachung sagte: Der Tod durfte kommen.

Wie dieses Leben bleiben durfte. Er hatte die Entscheidung darüber aus der Hand gegeben.

Seine Finger umspannten das Metallgitter der Brüstung, wieder schweifte sein Blick über die Straße, über die Dächer.

Zwei Autos schoben sich aneinander vorbei, sanft, streiften sich fast im Vorbeifahren, man hätte in diesem Moment nicht glauben können, dass jede tatsächliche Berührung die Fahrer darin erbost hätte.

Eine Frau, die eben aus einem Geschäft trat, band ihren Hund vom Haken los, eine junge Bulldogge, das Tier begrüßte sie mit heftigen Freudensprüngen, verfíng sich, während sie noch gebeugt stand, mit einer Pfote in ihrem Dutt, der sich plötzlich auflöste und in eine wippende Mähne verwandelte, als sie davon schritt.

Er wartete, beobachtete sich.

Kehrte nun wieder aufs Sofa am hinteren Ende des Zimmers zurück.

Dort lag er ruhig, lauschte in das weitgespannte Netz seiner Adern, kletterte in sich ein, das verzweigte geheimnisvolle Höhlenlabyrinth, das er war, stellte sich vor, dass es durchschwemmt war von Gift, ein gefährliches Wasser, das darin höher stieg.

Erst sechs Minuten waren vergangen.

Seine Gedanken zogen die Zeitschiene ein Stück voran in die Zukunft:

Die Stunde, in der man die Tür zu seinem Zimmer aufbrechen würde; die tuschelnde oder auch laute Aufregung der Nachbarn im Haus; die Fahrt zur Pathologie und die Untersuchung auf einem der Leichentische; seine Unterbringung in einem der Kühlfächer. Er sah es vor sich in allen Details.

Tage später: die Begräbniszeremonie. Die Versammlung der kleinen Trauergemeinde, die das noch offene Grab umstand. Andrea, seine Schwester darunter, einige seiner früheren Kommilitonen, die sie benachrichtigt hatte. Die Blicke auf seinen Sarg, als man ihn niederließ, ihn zuzuschütten begann.

Es könnte ein Tag sein mit heller Sonne, die die Friedhofswege mit ihren gepflegten Blumenbeeten und abgelegten Blumenbuketten farbenfroh aufleuchten ließ. Oder ein Tag mit Wolken-schleifendem Regenhimmel, die Trauergemeine eng zusammengedrängt und unter Schirmen verkrochen.

Verschiedene Variationen dieses Bilds waren möglich. Er malte sich alles aus. Sagte sich: In einer Woche, vielleicht auch in zwei, könnte man sich erzählen: So ist es geschehen.

Er erhob sich wieder, lief durch das Zimmer.

Eine vor Tagen neben dem Fenster abgenommene Wandvase fiel ihm auf, sie lehnte umgestülpt hinter dem Vorhang, er hängte sie an die frühere Stelle zurück und bemerkte wieder erstaunt, wie grundlegend diese Änderung war: wie sie alles an diesem Platz - Proportionen und Atmosphäre - beeinflusste, alle Gegenstände im näheren Umkreis scheinbar in neue Beziehungen setzte.

Die Geschichte, die sich für ihn mit der Vase verband, war für Sekunden lebendig, ein Stückchen Lebenslauf rollte vor ihm ab - farbenschillernd und von ganz eigener Wirklichkeit. Es war erstaunlich zu denken, dass keiner diese Vase je sehen konnte, wie er selber sie sah – mit derselben Geschichte.

Elf Minuten waren inzwischen vergangen.

Wieder stand er auf dem Balkon. In den Anblick einer Quellwolke versunken, die wie eine große Gehirnmasse über den Straßen schwebte, fühlte er auf einmal einen Anfall von Schwäche.

Stechendes Schwarz vor den Augen, die Knie zitterten. Er begriff es, war augenblicklich gefasst darauf: Dies ist das Ende. Er taumelte zurück in sein Zimmer.

Doch nach Sekunden schon war es vorüber. Wieder lag er nun ruhig auf seinem Sofa, lauschte auf seinen Puls, seinen Atem.

Weitere Minuten verstrichen, und mit der gleichen Unausweichlichkeit wie der Sog jener schwarzen Welle, die ihn soeben gestreift hatte, kam jetzt die andere auf ihn zu, unerbittlich, bedrohlich. Ihre Botschaft war: dass ihm dies Leben bewahrt bleiben würde.

Er besann sich auf die andere Flasche, die ungeleert weiter im Schrank stand.

Doch es war gegen die Abmachung.

Sein Herz schlug wie immer.

Er atmete.

Er lebte.

Noch einmal zogen die Ereignisse der vergangenen drei Tage an ihm vorbei:

Sein Besuch in der Klinik, wieder nur einmal ein Besuch des schon lange eingeübten Abschieds, der ihn wie immer in einer schwarzen Trauer zurückließ.

Die dreistündige Verbrennungszeremonie vor zwei Tagen auf dem Balkon, mit der er seine Manuskripte, die nirgends willkommenen, für immer in schwarze Asche verwandelt hatte. Der Moment, in dem er auch alle Spuren in seinem Computer löschte.

Der gestrige Vormittag: Leichtfertig hatte er sich noch einmal in sein Auto gesetzt, das seit drei Wochen keine gültige Tüv-Plakette mehr hatte. Die mit einem raschen Spurt eingeleitete Überquerung der Kreuzung gelang, bei einer doch fahrlässigen Missachtung der auf Gelb gesprungenen Ampel, er hörte das laute Scheppern zweier Autos in seinem Rücken, die er damit in ein Ausweichmanöver gezwungen hatte. Es folgte seine Fahrerflucht, sein Fuß klebte weiter mit dem Gewicht eines Steins am Gaspedal. Er fuhr, wie ohne Besinnung, noch fast eine Stunde, weit hinaus aus der Stadt.

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