7Das Problem: Monolog statt Dialog
8Rhetorik: Die Lehre vom Reden in der Öffentlichkeit
9Das Gegenprogramm: Dialog
2. Teil|Wie aus dem Vortrag ein Dialog wird: Praxis der konstruktiven Rhetorik
Verbal|Mit Wörtern den Dialog eröffnen
10Verständlich, attraktiv, transparent
11Fragen und Antworten als Schlüssel zum Dialog
12Erzählen intensiviert den Kontakt
13Redeaufbau als Frucht der Zusammenarbeit
14Beweisen, begründen, plausibel machen
15Von der geschriebenen Sprache wegkommen
16Verständliche Sätze
17Wo sind wir eigentlich gerade? – Transparenz schafft Orientierung
18Damit alle dranbleiben: Attraktivität
19Freies Formulieren macht den Dialog leichter
Übungen|Verbal
Portionieren
Frei formulieren
Storytelling
Aussagen beleben
Metakommunikation einfügen
Paraverbal|Wie man Menschen mit der Stimme erreicht
20Sprechtraining und seine Grenzen
21Wie es klingt: Atem, Stimme, Artikulation
22So erreichen die Worte die Zuhörenden
23Das Geheimnis der Sprechhandlung
24Probleme und Lösungen bei der freien Rede
Übungen|Paraverbal
Tätscheln
Befreite Lektüre
Der hilfreiche Korken
Sinnschritte erkennen
Eine Partitur anfertigen
Sprechhandlungen nutzen
Nonverbal|Wie man mit dem Körper auf den Raum und die Menschen eingeht
25Was kommt zurück? Wie die Körpersprache den Dialog unterstützt
26Wie man auf den Raum reagiert
27Was heißt Blickkontakt mit einer ganzen Gruppe?
28Die verräterische Mimik
29Gesten, die Kontakt schaffen
Übungen|Nonverbal
Auseinandersetzung mit dem Raum (Gruppenübung)
Stehenbleiben (Einzelübung)
Sightseeing (Gruppenübung)
Gestik-Repertoire (Einzelübung)
Medial|Wie Wandtafel, Handout und Beamer den Dialog fördern
30Medienverwendung im Alltag
31Wie wir Medien im Vortrag einsetzen
32So unterstützen Medien die Rede
33Wie Vortrag und Bilder zusammenspielen
34Redner, Publikum und Medium im Raum
35Einzelne Medien, und wie man sie im Dialog einsetzt
36Vorbereitung auf den Dialog
Übungen|Medial
Texte vereinfachen
Choreografie für Flipchart/Whiteboard/Tafel
Objektpräsentation
PowerPoint-Karaoke
Epilog
Weiterführende Literatur
Anmerkungen
Personen- und Sachregister
Gender-Hinweis
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen zwischen der männlichen und der weiblichen Form abgewechselt. Leserinnen und Leser sind gleichermaßen angesprochen.
1. Teil|Reden in der Öffentlichkeit:
Was sich beim Reden vor Publikum verändert
Reden traditionell
Der erste Teil dieses Buchs macht die Herausforderungen des öffentlichen Redens erfahrbar. Im Mittelpunkt stehen die Faktoren, die die Kommunikation für Redner und Publikum erschweren:
räumliche und zeitliche Bedingungen
soziale und kulturelle Vorgaben
sprachliche, sprecherische und körpersprachliche Normen
Seit dem Jahr 2003 lädt die Universität Münster die Schulkinder der Stadt zu spektakulären Vorlesungen ein – etwa: Wie verklage ich meine Eltern auf Taschengeld? oder: Warum brennt ein Pups? 3 Die Kinder verfolgen die Vorträge fasziniert. Sie schildern ihre Professoren als „schlau, aber nicht allwissend“, als „locker und lustig“. 4 Dennoch sind sie nicht mit allem zufrieden. Was sie unter anderem stört, ist der Raum, in dem die Professoren zu ihnen reden. Es ist gewöhnlich der Hörsaal H1 am Münsteraner Schlossplatz, der 1.142 Sitzplätze umfasst. Pädagoginnen haben sie dazu befragt und herausgefunden: Die Kinder sind zwar von der Größe des Hörsaals beeindruckt, beklagen aber auch, dass es ihnen schwerfällt, sich aktiv zu beteiligen, und dass die Redner in dem Rahmen schlecht auf individuelle Bedürfnisse eingehen können. 5
Abb. 1: Begegnung mit einem traditionellen Redner: Kinder-Uni im großen Hörsaal.
Zum einen genießen die Kinder, dass sie Vorträge besuchen können, die sonst Erwachsenen vorbehalten sind. Zum anderen legen sie auch sogleich den Finger auf den wunden Punkt: Zum ersten Mal mit einer öffentlichen Rede konfrontiert, erkennen sie, dass die Rahmenbedingungen die Kommunikation auch erschweren können. Der Einzelne verschwindet in der Masse, die Distanz zum Vortragenden ist größer als zum Lehrer in der Schule, und wenn sich jemand zu Wort meldet, verstehen ihn die anderen Zuhörenden nicht.
Die kritischen Reaktionen der Kinder sind also gar nicht überraschend. Interessant ist vielmehr, wie die Autorinnen der Studie, die selbst aus der Universität stammen, damit umgehen: Darauf, dass die Kinder bedauern, dass der Dialog erschwert ist, gehen sie gar nicht ein. Sie kommentieren es mit dem lapidaren Satz: „Dies steht aber bei der Organisationsform einer Vorlesung auch nicht im Vordergrund.“
Die Forscherinnen stammen selbst aus der Universität und sind seit ihrem Studium mit der herkömmlichen Form des wissenschaftlichen Vortrags vertraut. Diese ist für sie so selbstverständlich, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, das Feedback der Kinder ernst zu nehmen. Es könnte ja eine berechtigte Kritik sein – nicht an dem Stoff, der hier für sie aufbereitet wird, sondern an den Rahmenbedingungen. Vorträge vor großem Publikum sind gerade wegen ihrer monologischen Anordnung weniger erfolgreich als die Unterrichtsformen, die Kinden aus der Schule kennen und in denen der Dialog zentral ist. Sie macht den Dialog nicht unmöglich, aber sie erschwert ihn.
Wer erfolgreich vortragen will, muss die Rahmenbedingungen kennen, die über Jahrtausende hinweg das Reden in der Öffentlichkeit geprägt haben. Und dann geht es darum, ihnen etwas entgegenzusetzen. Die räumlichen Verhältnisse, die Zeitvorgaben, die Zielsetzungen des Veranstalters stehen einer ungezwungenen, fruchtbaren Kommunikation entgegen. Aber das ist nicht unüberwindbar. Es ist möglich, die prinzipiell monologische Situation in eine tendenziell dialogische zu verwandeln. Um dies zu erreichen, muss man aber die Ausgangslage kennen – die Vorgaben des öffentlichen Redens – und erkennen, dass sie Chancen zu einer unkonventionellen Kommunikation bieten.
Bestimmende Faktoren des öffentlichen Redens
Rollenaufteilung Redner – Publikum
Erweiterung des Raumes
zeitliche Begrenzung
formale und inhaltliche Vorgaben des Veranstalters
gesellschaftliche und kulturelle Normen
besondere Produktionsweisen bei Vorbereitung und Formulierung
eingeschränkte Beteiligung des Publikums
1Eine neue Rolle, ein weiter Raum
Öffentlich zu reden, bedeutet, in einem größeren Raumzu reden. Dies ergibt sich aus der einfachen Tatsache, dass sich eine einzelne Person an eine Gruppe von Menschen wendet. Sie braucht deshalb einige Meter Abstand und die Zuhörenden brauchen alle ihren Platz. Oft werden diese Bedingungen noch verschärft: Eine Rednertribüne, ein Lehrerpult oder eine Bühne sorgt für die Sicht- und Hörbarkeit. Stühle, Bänke, Sitzreihen richten die Zuhörenden auf die wichtigste Person im Raum aus. Auch in informellen Situationen ist es weithin üblich, dass ein Redner sich vom Sitz erhebt und die Menschen, die ihn hören sollen, im Stehen anspricht, auch wenn diese selbst sitzen. Indem er aufsteht und einen besonderen Standort einnimmt, setzt er ein Zeichen. Er erhöht aber auch die Verständlichkeit und zeigt Respekt für die um ihn Versammelten. Wer sitzen bleibt, gilt schnell als unhöflich, auch wenn es als Zeichen der Bescheidenheit oder der Originalität gemeint ist.
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