Er tritt dicht an mich heran, neigt seinen Kopf zu mir herunter und lacht leise. »Es liegt nicht an deinen Augen, Bambi«, raunt er mir zu, als solle nur ich das hören. Eine Hitzewelle jagt durch meinen Körper. Wie kann dieser Mann nur so gut riechen, obwohl er dieselbe Strecke bewältigt haben muss wie ich?
»Herrgott, können wir nicht einfach darüber hinwegsehen, uns vorstellen und was essen? Und hör auf, mit ihr zu flirten, Gerald, ich bin am Verhungern!«, jammert George plötzlich und zieht eine Verpackung und einen Campingkocher aus dem Rucksack. »Ich bin George und ich gestehe, dass ich nicht mit diesem Ding umgehen kann!«
Ich grinse George breit an – er ist mir zutiefst sympathisch, und das nicht nur, weil er mich gerade gerettet hat! »Kimberly, aber meine Freunde nennen mich einfach nur Kim!« »Und wie nennt dich dein Mann, nein, dein Ex-Mann oder doch getrennt lebender Mann?«, fragt Gerald mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. Der Kerl kann es einfach nicht sein lassen! »Kim«, antworte ich ihm knapp und wende mich wieder George zu. Wenn er merkt, dass er auf Granit beißt, wird er vielleicht seine Bemühung, mich überführen zu wollen, aufgeben. Warum tut er das überhaupt?
»Der unhöfliche Kerl, der sich lieber mit dem Campingkocher beschäftigen sollte, als damit, dich zu ärgern, ist übrigens Gerald«, sagt er zu mir und streckt Gerald das Ding auffordernd entgegen. »Müsste sie mitbekommen haben«, brummt der und zwinkert mir aufreizend zu. Auch ihn mag ich sofort, wenn doch auf eine etwas aufreibende Art und Weise. Sein spitzbübisches Zwinkern lässt mich schon wieder rot werden, was Gerald zum Glück nicht sieht, da er sich von mir abwendet, um dem verzweifelt dreinblickenden George den Kocher abzunehmen. »Du hast es dir übrigens noch nicht verdient, mich Kim zu nennen!«, rufe ich ihm hinterher, um wenigstens das letzte Wort zu haben, auch wenn ich ihn wohl nicht mehr davon überzeugen kann, dass ich nicht ein bisschen Voyeurin gespielt habe.
»Vertragt euch, Kinder. Es ist so schön, mal jemand anderen zu sehen als Gerald – und dann noch eine so hübsche junge Frau«, meint George, lässt sich auf einen umgefallenen Baumstamm sinken und klopft einladend neben sich. »Iss doch mit uns, Kim, und erzähl mir alles über deinen Mann.« »Ex-Mann oder getrennt lebender Mann«, ergänzt Gerald und schaut grinsend von dem Gaskocher, den er zum Laufen gebracht und einen Topf daraufgestellt hat, zu mir auf.
»Einigen wir uns doch einfach auf Dave«, erwidere ich, versuche, Geralds leises Lachen zu ignorieren und lasse mich neben George auf den Baumstamm fallen. Leider schaffe ich es nicht, in meinem immer noch unterschwellig erregten Zustand, zu verhindern, dass mir der sexy Ton wie heiße Lava in den Schoß rinnt und blinzele verwirrt, als George »Schieß los!« sagt und mich mit hochgezogenen Augenbrauen anschaut. »Womit?« Wieder lässt Gerald dieses prickelnde Lachen erklingen, rührt kurz im Topf auf dem Gaskocher herum und gesellt sich zu uns. »George ist von Natur aus sensationsgeil und er wird dich nicht in Ruhe lassen, ehe du ihm jedes schmutzige Detail deiner Trennung erzählt hast«, klärt er mich auf und setzt sich entspannt vor uns auf den Waldboden. So eindringlich, wie er mich mustert, mein Gesicht, die Kurven meiner Figur und sogar meine Waden, die nackt aus den klobigen Wanderschuhen herausschauen, könnte ich fast den Eindruck gewinnen, er werde nicht von mir ablassen, ehe er nicht so manch andere schmutzige Geheimnisse von mir erfahren hat. Ein wohliges Vibrieren hallt durch meinen Körper. Dieser Mann ist einfach eine Wucht: sexy, intensiv und mit einer ordentlichen Prise bissigen Humors ausgestattet – genauso wie ich es mag. Und ich bin mir sicher, dass ich es mögen würde, wie er meinen Körper behandelt, so interessiert, wie er meine intimsten Zonen begutachtet. Aber das ist einfach lächerlich! Dennoch verstärkt sich das Vibrieren, als Gerald bemerkt, wie ich zurückstarre. Seine Mundwinkel heben sich verführerisch, meine Haut fängt regelrecht Feuer. Herrgott, er ist schwul!
»Hörst du bitte auf, mit meinem Freund zu flirten, um mir endlich von deinem Ex zu erzählen? Er ist schwul!«, durchbricht George plötzlich meine glühenden Gedanken. Zu erröten scheint leider zu einer neuen Gewohnheit zu werden, denn ich tue es schon wieder. Was soll ich nur darauf antworten: dass ich das ja schon weiß, mir dennoch gerne heiße Gedanken mit einem Sahneschnittchen wie Gerald mache? Ich meine, in der Fantasie ist das ja erlaubt. In Wirklichkeit zweifle ich daran, dass ich auch nur einen schmutzigen Gedanken in die Realität umsetzen würde. Trotz der Trennung schlägt mein Herz immer noch für Dave.
»Ich habe ihn geliebt, seit ich sechzehn war und tue es immer noch. Aber es hat was gefehlt, als würde etwas in mir stecken, das dort nicht hingehört – etwas, das stört und verhindert, dass ich mit Dave uneingeschränkt glücklich sein kann! Es ist immer stärker geworden, bis ich schließlich das Gefühl hatte, es nicht mehr auszuhalten«, erkläre ich George, doch es ist nicht so einfach in Worte zu fassen, was mich tief im Inneren umtreibt. So sehr ich Dave liebe, ich konnte einfach nicht bei ihm bleiben, als treibe eine innere Kraft mich von ihm fort. Vorzeitige Midlife-Crisis hat Tina dieses Gefühl genannt, Dave Zeit für Kinder. Ich würde gerne an eine der Theorien glauben, um eine entsprechende Lösung für mein Problem suchen zu können, doch ich zweifle sehr daran, dass einen eine Midlife-Crises bereits mit knapp sechsundzwanzig packt und auch die Vorstellung, in dieser Situation überhaupt an Kinder zu denken, erschien mir völlig daneben.
»Klingt ganz so, als wärst du auf der Suche nach dir selbst, nur um dann zurück in die Arme deines Liebsten zu stürzen«, seufzt George und ergreift wohl aus einem Impuls heraus meine Hand und drückt sie. »Ich hoffe, dass du herausfindest, was fehlt. Aber hier draußen ist einfach alles möglich, dieser Trip auf dem Trail ist irgendwie magisch.«
»Danke.« Ich lächle George ehrlich dankbar an. Habe ich schon erwähnt, dass ich den Kerl mag? Jetzt schließe ich ihn ganz spontan in mein Herz. Er ist einer dieser Menschen, der sein Herz auf der Zunge trägt und er erfasst mit nur wenigen Worten, wonach ich mich tief im Inneren sehne: zu wissen, was mit mir nicht in Ordnung ist, damit ich Dave wieder uneingeschränkt lieben kann. Ich kann nur hoffen, dass ich es schaffe, ehe die Scheidung durch ist oder Dave eine andere Frau kennenlernt! Gerald scheint da jedenfalls nicht so viel Hoffnung für mich zu sehen wie George. Er schüttelt grinsend den Kopf und lächelt seinen Freund zärtlich an. »Du bist ein unverbesserlicher Romantiker, hast einfach zu oft Wild – Der große Trip gesehen. Für mich klingt es eher so, als würde Kim dringend etwas Abwechslung benötigen.« So wie es zwischen meinen Schenkeln zu ziehen beginnt, als er sich mir zuwendet und seine durchdringend grünen Augen sich in mich bohren, könnte er beschämenderweise sogar recht haben. »Wenn du den Kerl mit sechzehn kennengelernt hast und vorausgesetzt, ihr habt keine offene Beziehung geführt, kann ich mir nicht vorstellen, dass du zuvor genügend guten Sex hattest, um dich für dein restliches Leben mit nur einem Kerl zu begnügen!« In seinen Augen flackert es dunkel und das erschüttert mich bis ins Mark. Würde er nicht auf Männer stehen und mit dem liebenswerten George zusammen sein … Die Luft um uns herum scheint zu knistern und in meiner Klit kribbelt es wie verrückt. Wenn ich mit einem anderen Mann schlafen wollen würde, dann mit Gerald! Wie geschmeidig er sich bewegt, als er vom Waldboden aufsteht und sich die Tannennadeln von der Hose klopft, und dann erst dieses Spiel seiner Muskeln unter dem eng anliegenden Shirt … Innerlich seufze ich. »Ich gestehe, dass ich den Film mit Reese Witherspoon auch gesehen habe und so auf die Idee mit der Wanderung gekommen bin«, sage ich, um das plötzlich so eindringliche Schweigen zu brechen. Geralds Nähe ist kaum auszuhalten. Insgeheim bin ich mir sicher, dass er gerade, weil er nicht zu haben ist, besonders anziehend auf mich wirkt – wie die berühmte verbotene Frucht im Garten Eden.
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