«Klar, wenn es notwendig ist. Ganz nebenbei, sie ist mit ihm verheiratet.»
«Helen?»
«Ja, Helen. Sie hat ihren Mädchennamen beibehalten. Bist du hungrig?»
«Ich könnte ein Sandwich vertragen.»
«Wir fahren zurück und essen eine Kleinigkeit im Hotel Basel.»
«Wieso nicht hier irgendwo?»
«Weil wir um vier im Büro sein müssen. Staatsanwalt Kern gibt sich die Ehre.»
Dagmar Morath meldete sich zur Überraschung von Tina bereits kurz nach vierzehn Uhr. Sie hätte die Sache mit ihrem Mann und ihren Eltern besprochen und Erwin möchte eine Zweitmeinung einholen. Leider höre man allzu oft von Fehldiagnosen, deshalb bitte sie um Verständnis für ihre Entscheidung. Tinas Ermahnung, dass jeder Tag eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes zur Folge haben könnte und sie deshalb sofort reagieren müsse, um eine bestmögliche Heilung zu erzielen, verpuffte. Es daure ja nur einen oder zwei Tage, bis sie einen anderen Arzt konsultiert hätte.
«Da ist etwas faul.»
«Und was?», fragte Sabine ihre Kollegin.
«Sie wirkte verängstigt, eingeschüchtert.»
«Von ihrem Mann?»
«Ganz bestimmt. Er will nicht, dass sie sich operieren lässt.»
«Vielleicht gehören sie einer Sekte an, die Operationen verbietet.»
«Gibt es das überhaupt?»
«Gestern sah ich im deutschen Fernsehen einen Bericht über eine islamische Familie, die einer Sekte angehört. Ihr elfjähriger Sohn musste unters Messer. Weil nur ihr Prophet heilen kann, verschwand die ganze Familie kurz vor der Operation spurlos.»
«Sie lassen aus religiösen Gründen ihr Kind sterben? Verstehe das, wer will.»
«Ja, das können wir absolut nicht nachvollziehen. Die Polizei sucht fieberhaft nach den Eltern und dem Sohn. Die Ärzte geben dem Jungen nur noch wenige Wochen.»
«An was leidet er?»
«Seine Augen sind von einem Tumor betroffen. Das eine ist bereits erblindet, das andere kann nur durch die Operation gerettet werden. Die Ärzte stellten drei Tumore fest.»
«Einfach unvorstellbar, dass jemand zusieht, wie sein Kind langsam erblindet, womöglich sogar stirbt, sollten sich die Tumore ausbreiten.»
«Es ist dann eben gottgewollt. Wenn sie von der Polizei gefasst werden und ihr Junge tot ist, müssen sie mit zehn Jahren Gefängnis rechnen.»
«Das macht den Kleinen auch nicht mehr lebendig … Ich werde Frau Morath besuchen, und zwar jetzt. Ich will mit ihr und ihrem Mann reden.»
«Gut, dann begleite ich dich.»
Die Familie Morath wohnte in einem Mehrfamilienhaus in der Hegenheimerstrasse. Nachdem Dagmar auf mehrmaliges Klingeln nicht reagiert hatte, versuchte es Tina bei einer Nachbarin im Parterre.
«Ja?», kam die prompte Reaktion.
«Mein Name ist Tina Christ. Ich bin mit Frau Morath verabredet, aber sie öffnet nicht.»
«Sie ist vor einer halben Stunde weggegangen.»
«Dürfen wir kurz hineinkommen? Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten.»
«Sind Sie von der Polizei?»
«Wir sind Ärztinnen.»
«Richtige Ärztinnen?»
Nach kurzem Zögern öffnete sich die Haustür.
«Kommen Sie herein. … Möchten Sie Kaffee?»
«Wir wollen Sie nicht lange aufhalten, Frau …»
«Hannelore Hurter. Also keinen Kaffee?»
«Nein, danke, Frau Hurter. Schön, dass Sie kurz für uns Zeit haben.»
«Arbeiten Sie am Universitätsspital?»
«Wir haben eine eigene Praxis im Lehenmattquartier.»
«Ist Dagmar Ihre Patientin?»
«Das dürften wir zwar nicht verraten, aber ja, sie ist meine Patientin.»
«Dachte ich mirs doch, dass sie uns etwas verheimlicht. Sie müssen wissen, wir treffen uns immer zu einem Schwatz im Garten. Doch in letzter Zeit ist Dagmar nicht mehr gekommen. Sie schlich nur noch so durch die Gegend und meidet uns. Früher war sie ganz anders. Aufgestellt, fröhlich, eine richtige Ulknudel.»
«Mit uns meinen Sie die anderen Bewohner der Liegenschaft?»
«Wir sind ein fröhliches Grüppchen, das dürfen Sie mir glauben. Ein Weiberhaus.»
«Hier wohnen nur Frauen?»
«Das ergab sich so. Ich lebe seit zwanzig Jahren allein. Ingrids Mann ist vor zwei Jahren gestorben. Ein tragischer Verkehrsunfall, das stand sogar im ‹Blick› auf der Titelseite. Und Sophie hält nichts von Männern. Sie wissen, was ich meine.»
«Dann ist Erwin der einzige Mann im Haus.»
«Wie kommen Sie denn darauf?»
«Ich meine Erwin Morath.»
«Oder lebt Dagmar ebenfalls allein?», brachte sich Sabine ins Gespräch ein.
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