A. T. Fischer
Roman
Impressum
© 2013 Münster Verlag Basel
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Foto Umschlag: |
Jiri Vurma, Aarau www.fotovurma.ch |
Umschlaggestaltung: |
Christoph Krokauer, Würzburg |
Lektorat: |
Christine Krokauer, Würzburg |
Gestaltung und Satz: |
Christoph Krokauer, Würzburg |
Druck und Einband: |
CPI books GmbH, Ulm |
Verwendete Schriften: |
Adobe Jenson Pro |
Papier: |
Umschlag, 135g/m 2, Bilderdruck glänzend, holzfrei; Inhalt, 90g/m 2, Werkdruck bläulichweiss, 1,75-fach, holzfrei |
ISBN 978-3-905896-39-8
eISBN 978-3-907301-00-5
Printed in Germany
Für Ursula, Ruedy und Sarah In Erinnerung an eine reiche Kindheit
Dieser Roman erinnert an Frau Doktor Clara Wirth.
Nur wenige Frauen und nur solche mit ausserordentlichen Leistungen erstritten sich vor 100 Jahren gegen die Widerstände der männerdominierten Welt das Doktorat. Clara Wirth schaffte es mit ihrer Dissertation zur Kinderarbeit in der schweizerischen Tabakindustrie.
Orte, Personen und Handlungen sind nicht authentisch.
Meinem Freund Armin danke ich für die behutsame, geduldige und vor allem aufbauende Begleitung meiner Arbeit.
Jede Art von Weiterverbreitung, auch in elektronischen Medien, ist ohne meine ausdrückliche Erlaubnis untersagt. Hingegen freue ich mich über jedes Echo und jede Anregung unter:
fischalto@gmail.com
Olten und Paris, im Mai 2013
A.T. Fischer
Schmauchtal
Kreuzach
Landleben
Maria und Lorenz
Luckys Glück
Wirrwil
André Werths Heimat
Zurück zur Schule
Erster Besuch bei der alten Dame
Das Projekt
Die Generalversammlung
Das Museum
Zweiter Besuch bei der alten Dame
Annas Journale
Dritter Besuch bei der alten Dame
Felix
Hannelore
Julia
Warten auf Arnold
Schwierige Jahre
Arnold
Normandie 1994
Center of Excellence
Das Ende einer Karriere
September in Kapstadt
Düstere Monate
Hoffen und Bangen
Andrés Entwurf zum Fest
Das Singspiel
Bundesfeier 2005
Lehrer oder Idealist
Die Erbschaft
Tabakkinder in Brasilien
Sonja
Arnolds Sterben
Julia in Brasilien
Peters Verbindung
Weitsicht
Die Präsentation
Warten auf Sonja
Zack schafft Klarheit
Das Land im Reduit
Heimat
Frau Doktor Clara Wirth über die Kinderarbeit in der Tabakindustrie
Schmauchtal als Name ist die Erfindung einer kleinen Gruppe übermütiger Studenten, die mit Klaus Brand, dem Sohn aus der Besitzerfamilie der erfolgreichen Kreuzacher Marke Brand-Cigars, Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts in ihrem mit blauem Zigarrenschmauch gesättigten Stammlokal ein Bierfest feierten. Die Burschen waren unter sich, ohne Fräuleins. Einzelne Studentinnen gab es zwar, doch die waren von den Tobakern zu den feuchten Gelagen weder eingeladen noch daran interessiert. Klaus Brand hatte die Zigarren gebracht, so wurden Rauch und Schmauch zum Thema.
Schmauchtal ist in Wirklichkeit ein sanftes Tal, das sich zwischen den Alpen und dem Jura von Süden nach Norden zieht, mit einem lieblichen See, dem Schmauchsee (auch dieser Name eine Erfindung der dreisten Jugend), der die Landschaft, Teil der grossen Seeweite, besonders prägt. Es ist nicht bekannt, ob die Burschen wirklich betrunken waren oder sich mit dem wenig schmeichelhaften Namen einfach mutwillig über eine ganze Talschaft von Dörfern lustig machen wollten. Ihnen verpassten sie mit Wirrwil, Schildwil, Langwil, Kurzwil, Armwil, Sturwil auch obszöne, die zu nennen unanständig wäre, wenig attraktive Etiketten.
In etwa einem Dutzend dieser Dörfer produzierten während rund 100 Jahren anfänglich meistens Kleinstbetriebe, aber auch schnell wachsende Fabriken aus unzähligen Tabaksorten in zunehmenden Mengen Zigarren unterschiedlicher Machart. Den ersten Boom erfuhr das Geschäft durch den amerikanischen Bürgerkrieg. Tonnen von Zigarren fanden den Weg zu den Soldaten der blutigen Sezession. An ihrem Ende versiegten die Bestellungen aus Übersee, es kam die erste Krise. Doch die Branche war gesetzt.
Tausende von Arbeiterinnen und Arbeitern, in den ersten Jahrzehnten auch Kinder, verdienten hier anfänglich in täglich bis zu zwölf Stunden ihren kargen Lohn. Viele der Betriebe lösten die vormalige Textil- und Strohindustrie ab. Vorwiegend Besitzer von Spinnereien, Webereien, Strickereien und Hutfabriken suchten einen Ausweg aus der Krise, die schon am Ende der napoleonischen Kontinentalsperre begonnen hatte und sich durch die Wandlung von Mode und Zeitgeist sowie die rasante Industrialisierung und Mechanisierung der Produktion mit dem daraus resultierenden Preiszerfall flächendeckend fortsetzte.
Schmauchtals Bäche lieferten zu wenig Antriebskraft für grössere mechanisierte Fabrikanlagen. So bot das Ausweichen auf die weitestgehend manuelle Herstellung von Pfeifentabak und Zigarren eine willkommene und für das ganze Tal segensreiche Alternative.
Einer der Studenten meinte etwas launisch, die Anfänge seien zwar bescheiden gewesen, doch inzwischen bedecke der blaue Dunst aus dem Schmauchtal die ganze Erde.
Klaus Brand, nicht wirklich bierfest und durch die offensichtliche Verballhornung seiner näheren Heimat und den edlen Hintergrund seiner Familie leicht provoziert, regte an, nicht nur Schmauchtals nördliche reformierte, sondern auch die südlichen katholischen Käffer, mindestens Pfaffwil mit seiner berühmten barocken Stiftskirche und Kreuzach mit der ältesten katholischen Kirche der Talschaft und ihrem weitherum sichtbaren, einmaligen Kirchturm mit der strahlend goldenen Spitze zu erwähnen, immerhin habe dort sein Grossvater das Unternehmen Brand-Cigars gegründet. Im Übrigen aber mache es wirklich keinen Sinn, die Ansammlung kleiner Käffer einzeln aufzuzählen, wichtig seien nur zwei, Kreuzach und Wirrwil.
Wirrwil sei dank seiner Grösse so etwas wie das Zentrum der Region. Die Leute des katholischen Kreuzach zählten sich nicht wirklich dazu, weil Glaube, Geschichte und Politik das Dorf von den übrigen sich zwischen Heimberg und Seeufer hinziehenden Gemeinden deutlich trenne. Zudem empfinde er die Namen Schmauchtal und Schmauchsee beleidigend, weil der blaue Dunst aus den kostbaren Zigarren, die er den Herren soeben gespendet habe, keineswegs Schmauch sei, sondern dem Raucher einen edlen Genuss bereite. Ein besonderer Spassvogel aus der Runde meinte, es gäbe neben seinen Zigarren und Zigarillos auch noch feinere Marken, zum Beispiel die Star-Havannas oder die Starlet-Brasil.
Klaus fühlte sich zwar herausgefordert, blieb aber seiner grössten Tabak-Konkurrenz gegenüber fair und meinte, es sei letztlich jedem einzelnen Geniesser überlassen, für welche edlen Tabake er sich entscheiden wolle. Star-Tabak von der Staregg mit seiner das Tal dominierenden 800-jährigen Burgruine über Wirrwil sei ein ernst zu nehmender Rivale. Wettbewerb wäre bekanntlich ein grosser Qualitätstreiber, somit sei für ihn alles okay. Einen wesentlichen Unterschied gelte es festzuhalten: Bei Brand-Cigars bürge der Name der Familie für die Qualität. Star Tabak gehöre der traditionsreichen Familie Gruber, die sich aber durch den erfundenen Markennamen anonym im Hintergrund halte. Im Übrigen stütze sich die Marke Star-Tabak ursprünglich nicht auf irgendwelche Minnesänger oder Busenwunder, sondern auf den Vogel dieses Namens mit dem seidenen Gefieder, der in den Mauern der Burgruine Staregg gerne brüte.
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