A. T. Fischer
Heil und Unheil im Mittelland
Roman
Impressum
© 2015 Münster Verlag Basel
Alle Rechte vorbehalten.
Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert werden, insbesondere nicht als Nachdruck in Zeitschriften oder Zeitungen, im öffentlichen Vortrag, für Verfilmungen oder Dramatisierungen, als Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen oder in anderen elektronischen Formaten. Dies gilt auch für einzelne Bilder oder Textteile.
Umschlagbild: |
Jiri Vurma, Aarau www.fotovurma.ch |
Umschlaggestaltung: |
Christoph Krokauer, Würzburg |
Illustrationen: |
Armin Schlienger, Aarau |
Lektorat: |
Christine Krokauer, Würzburg |
Gestaltung und Satz: |
Christoph Krokauer, Würzburg |
Druck und Einband: |
CPI books GmbH, Ulm |
Verwendete Schriften: |
Adobe Jenson Pro |
Papier: |
Umschlag, 135g/m 2, Bilderdruck glänzend, holzfrei; Inhalt, 90g/m 2, Werkdruck bläulichweiss, 1,75-fach, holzfrei |
ISBN 978-3-905896-55-8
eISBN 978-3-907301-01-2
Printed in Germany
Allen Menschen gewidmet, die auf Liebe hofften und sich mit weniger bescheiden mussten .
Meinen Freunden Bernadette und Armin danke ich nicht nur für die Illustrationen, sondern auch für ihre aufbauende und ausdauernde Begleitung meiner Arbeit und Jiri Vurma, Stadtfotograf von Aarau, für das stimmige Umschlagbild .
Besonders dankbar bin ich Sidonia und Walter für die Gastfreundschaft während der unzähligen Schreibwochen im stillen Sertigtal .
Dieser Roman ist frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit Personen, Handlungen und Orten ungewollt und rein zufällig. Jede Art der Verbreitung dieser Inhalte, auch auszugsweise, ist ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verfassers unzulässig.
Olten und Paris, im August 2014
A.T. Fischer
Die Pfisters
Johann und Hedwig Pfister
Kinder: Wilhelm, Traugott und Wolfgang Pfister
Wilhelm und Ilse Pfister
Kinder: Adolf (genannt Dölf, verheiratet mit Renate, zwei Kinder: Helene und Brigitte (2 Kinder mit Claude), Alexander (genannt Alex, verheiratet mit Agnes, Kinder: Erich, Tim, Lara), Erna Pfister (geschieden von Pawel, zwei Kinder: Sarah und Lukas)
Die Nagels
Anna und Berchtold Nagel
Kind, adoptiert (Mutter Allgäuer Magd): Mechthild Nagel, genannt Hilde
Die Gretlers
Karl und Martha Gretler
Kinder: Waldemar (verheiratet mit Rös Schneider, Tod durch Suizid), Heinz, Robert und Yvonne
Die Schneiders
Norbert und Barbara (genannt Bärbel) Schneider
Kinder: Rolf, Rös, Marie-Therese
Die Amreins
Franz und Hilde (vormals Nagel) Amrein
Kinder: Jakob (verheiratet mit Martina), Isidor, Mariette, Pius, Annette
Enkelkinder: Aldo (verheiratet mit Miriam (Tod durch Suizid), Kinder: Sophie und Sibylle), Marcel (verheiratet mit Charlotte, Kinder: Denise und Romain), Susanne (geschieden von Fritz Preller)
Walzwerkbesitzer Fürst: Sohn Gerard (Tod durch Suizid)
Rolfs Garn
Die Seeweite
Rolf
Waldemar und Rös
Ilse und die Pfisters
Susanne Amrein
Rolf über Waldemar
Jakob und die Amreins
Ilse und Rös
Dölf und Renate
Ilse und Helene
Alex und Agnes
Alex bei Stark
Alexanders Jammer
Marcel und Carine
Aldo und Miriam
Fritz und Susanne
Alexanders Party
Rolfs Zorn
Ilses und Wilhelms Heimfahrt
Ilses Archiv
Erna über ihre Männer
Rolf über Norbert und Bärbel
Eros
Aldo und Erna
Lukas
Rolf und Susanne
Ernas neue Familie
Rolfs Abschied
Paul Liberté
Ich, Leo Buss, musste mir im Spätherbst 2003 meine verengten Herzkranzarterien durch Bypässe überbrücken lassen. Wenige Tage nach der erfolgreichen Operation konnte ich mich oben, an der Südflanke des Jura, in einem Zimmer mit wunderbarer Fernsicht von diesem doch ziemlich einschneidenden Ereignis erholen. Die Klinik war von vielen Patienten mit den unterschiedlichsten Krankheiten belegt. Viele trafen sich in Gruppen zu zwar nicht angeordneten, aber doch stark empfohlenen Wanderungen, Spielen, Hometrainerstrampel- und Entspannungsübungen. So lernte ich nach und nach einige Patienten kennen, solche, die viel reden wollten und eher schweigsame.
Im Übrigen konnte ich mich auf mein sehr komfortables Einzelzimmer mit Sonnenterasse zurückziehen. Die tiefliegende Herbstsonne liess die bunten Wälder nochmals Tag für Tag strahlen, während sich die Bäume sachte, kaum wahrnehmbar, aber unaufhaltsam entblätterten. Wer wollte, begegnete sich bei den Mahlzeiten. Wenn ich dazu keine Lust hatte, brachte man mir mein Essen aufs Zimmer.
Die etwa 30 Patienten der Abteilung, in der ich gepflegt wurde, waren zwar alle krank, aber sie hatten nicht nur sehr unterschiedliche Leiden, sondern auch sehr verschiedene Biographien. Sie kamen aus allen Teilen der Deutschschweiz und erinnerten mich an die Menschen aus meiner Kindheit. Da gab es Bäcker, Schreiner, Versicherungsverkäufer, Forstgehilfen, Fabrikarbeiter und Bürolisten, einen Juristen, eine Wirtin, eine Lehrerin, eine Raumpflegerin, alles in allem aber weit weniger Frauen als Männer, unter ihnen Raucher, Trinker, Fettleibige, Hypertoniker, Choleriker, Rechthaber und so weiter.
Für alle gab es ein gefaltetes Schild mit Namen und Vornamen und alle stellten das Schild vor ihren Teller – mit Ausnahme von Rolf Schneider. So fragte ich ihn ganz einfach, wie er heisse, und er sagte es mir ohne Umstände. Er erschien mir unter den Männern an unserem Tisch, wenigstens anfänglich, der Wortkargste oder gar Schweigsamste, und gerade deshalb versuchte ich, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Ich folgte ihm in die Cafeteria und setzte mich, höflich bittend, zu ihm an die Bar.
Mit der Frau hinter der Theke machte er einen kleinen Spass. Sie sei aus dem Kosovo, erklärte er mir und schob «immer fröhlich» nach. Wir blieben beim Thema. Ohne Ausländer – oder speziell ohne Ausländerinnen – könnte man die Klinik schliessen. Sogar der katholische Geistliche sei aus Ungarn, er spreche dieses drollige Hochdeutsch, wie es eben für Ungarn typisch sei. Wenigstens sei es einfach gewesen, ihn abzuwimmeln. Der Chefarzt komme ursprünglich aus Polen, sei aber, wie er, Neuschweizer wie fast alle. Der Abteilungsarzt aus Islamabad hätte es allerdings noch nicht soweit gebracht, der sei noch immer nur ein Pakistani, kicherte Rolf. Zuletzt kamen wir auf die Putzfrauen zu sprechen, diese unzähligen Kleinverdienerinnen, auch sie meist aus dem ehemaligen Jugoslawien. Ich erzählte ihm, wie eine hübsche 18-Jährige in den ersten Tagen meine Schlaftabletten geklaut hatte für ihren ebenfalls aus dem Kosovo stammenden Freund, wie sie der Oberschwester gegenüber, von der sie ertappt wurde, tränenüberströmt zugab. Sie werde es bestimmt nicht wieder tun. Sie kam damit durch. Die Oberschwester war eine italienische Seconda. Er erwarte den Besuch seiner Freundin, erklärte Rolf nach einer Weile. Ich entschuldigte mich und ging auf mein Zimmer.
Auch Rolf Schneider lebte in einem Einzelzimmer, ein paar Türen von mir entfernt. Anfänglich trafen wir uns, ausser bei den Mahlzeiten, meistens an der Kaffeebar. Später bestellten wir Tee oder Kaffee auf unser Zimmer. Wir luden uns gegenseitig ein. Es war nicht teurer, fanden wir heraus, vor allem aber freuten wir uns, nicht sofort bezahlen zu müssen.
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