GERHARD FISCHER
DIE UNHALTBARE
PUDELMÜTZE
Fußball-Geschichten
aus dem Norden Europas
VERLAG DIE WERKSTATT
FÜR ANISSA
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Satz und Gestaltung: Verlag Die Werkstatt, Göttingen
ISBN 978-3-7307-0025-9
INHALT
EINLEITUNG
FÄRÖER.
DIE UNHALTBARE PUDELMÜTZE
Die Färöer sind ein Fußball-Zwerg zum liebhaben – auch wenn der Torwart jetzt ohne Kopfbedeckung spielt
„WARUM SEID IHR JETZT SO GUT?“
Als Allan Simonsen Trainer wurde, hatten die Färöer ein Torverhältnis von 1:50. Das ist viel besser geworden.
NORWEGEN.
WENN DIE ZEIT STILL STEHT
Claus Reitmaier wird in Norwegen zum besten Torwart der Liga gewählt – mit 41 Jahren
DER KILLER MIT DEM BABYFACE
Sechziger, Norweger, Engländer: Alle lieben Ole Gunnar Solskjær – nur der FC Bayern nicht
„TAUSEND FLIEGEN ZU JEDEM HEIMSPIEL“
Ole P. Pedersen, Vorsitzender des größten Manchester-United-Fanklubs in Nordeuropa, über eine moderne Völkerwanderung
DÄNEMARK.
„YOU’LL NEVER SMOKE ALONE“
Die Fußballer der dänischen Hippie- und Hasch-Kolonie Christiania spielen manchmal auch gegen die Polizei
„LAUF RÜCKWÄRTS, LARS!“
Lars Lunde lag nach einem Unfall im Koma – die Familie Hoeneß half ihm wieder auf die Beine
GRÖNLAND.
DAS GROSSE SPIEL DER POLAR-BäREN
Grönlands Nationalelf gewinnt nicht oft – aber einmal hat sie sogar China Angst gemacht
ISLAND.
DIE KOMISCHSTEN KICKER DER WELT
Africa United spielte in Islands dritthöchster Liga – es wurde eine Komödie daraus
„ES WAR VIEL ASCHE AUF DEM PLATZ“
Ásgeir Sigurvinsson über den Vulkanausbruch, die Finanzkrise, Halbprofis – und die berühmten Torjubler auf Island
SCHWEDEN.
14 BÄREN UND EIN KNIRPS
Als ein achtjähriger Junge in der schwedischen Nationalelf spielte
„ICH HABE ES NICHT BEREUT“
Der schwedische Fußballer Anton Hysén hat sich getraut – er hat gesagt, er sei schwul
ALS DER BARON DEN BISON SCHICKTE
Die Schweden Gunnar Gren, Gunnar Nordahl und Nils Liedholm spielten einst in Italien – als GreNoLi sind sie heute in beiden Ländern unvergessen
MARTA ZAUBERT IN DER FRAUENSTADT
Der steile Aufstieg und tiefe Fall von Umeå IK, Schwedens ehemaligem Vorzeige-Frauenteam
IBRACADABRA
Zlatan Ibrahimović wurde 2012 zum siebten Mal insgesamt und zum sechsten Mal in Folge Schwedens Fußballer des Jahres – und ist dennoch nicht bei allen Schweden beliebt
FINNLAND.
BECKENBAUER AM POLARKREIS
Daniel Bauer hat in der Heimat des Weihnachtsmanns Fußball gespielt
DIE SCHMUTZIGSTE SPORTART DER WELT
Bei der Sumpffußball-WM in Hyrynsalmi werfen sich erwachsene Menschen in den Matsch
„UNSER TORWART WAR BIS ZUM KINN IM SUMPF“
Die Schlammfreunde Niedersachsen nahmen an der WM in Finnland teil
ZUM AUTOR
EINLEITUNG
Der schwedische Name für Einwechselspieler heißt „Inhoppare“ (Deutsch: Hineinhüpfer). Als Hansa Rostock in der Bundesliga spielte, hat der Trainer im Herbst 2002 zwei Schweden eingewechselt: Arvidsson und Persson. Auf dem Platz standen bereits die Schweden Jakobsson, Lantz, Wibrån und Prica. Arvidsson und Prica spielten im Sturm, Angreifer heißt in Schweden „Anfallare“. Sechs Ausländer, die aus dem gleichen Land kommen, in einer Bundesligaelf – das gab es noch nie. Und dann waren sie auch noch alle aus Schweden. Kommen die Bundesligalegionäre nicht eher aus Brasilien oder Serbien?
Es gibt nicht nur eine ewige Bundesligatabelle, bei der die Punkte der Mannschaften summiert werden; es existiert auch eine Rangliste, welche die Einsätze ausländischer Spieler seit 1963 zählt. Schweden liegen auf Rang neun. Erste sind die Brasilianer – vor den Dänen. Mehr als 100 Dänen haben seit 1963 in der Bundesliga gespielt, Ole Bjørnmose, der in den 1960er und 1970er Jahren bei Werder Bremen und dem Hamburger SV kickte, hielt mit 323 Bundesligaspielen lange den Rekord für Legionäre – ehe ihn 2008 der Bosnier (und langjährige HSV-Spieler) Sergej Barbarez ablöste. Und wer erinnert sich nicht an Ebbe Sand, den Schalker? An Morten Olsen, den Kölner?
Die Norweger sandten Charismatiker wie Rune Bratseth oder Jan Åge Fjørtoft nach Süden. Stopper Bratseth, den sie in Bremen „Elch“ nannten, verkörperte das Ruhige, Unerschütterliche eines Nordmannes, Spaßvogel Fjørtoft das Heitere, das man in Norwegen antrifft, aber auch in Dänemark.
Finnen, Isländer, Grönländer oder Färinger spielten bisher eine geringere oder gar keine Rolle in der Bundesliga.
Und die Nationalmannschaften der Nordeuropäer? Schweden wurde 1958 Vize-Weltmeister bei der WM im eigenen Land, im Finale gewann Brasilien – mit dem 17-jährigen Pelé. Im Halbfinale hatten die Schweden die Deutschen besiegt, Sepp Herbergers Mannschaft musste lange mit zehn Mann spielen, denn Erich Juskowiak hatte sich ein Revanchefoul gegen Kurt Hamrin geleistet und war in der 58. Minute vom Feld geflogen. „Da wird Juskowiak vom Platz gestellt!“, rief Reporter Herbert Zimmermann, der schon das WM-Finale 1954 in Bern übertragen hatte. In der Stimme Zimmermanns schwang immer etwas Schicksalhaftes mit. So war es auch dieses Mal.
Schweden gewann 3:1, die fast 50.000 Fans im Nya-Ullevi-Stadion in Göteborg feierten die eigene Mannschaft um die Legenden Gunnar Gren und Nisse Liedholm, die als Profis in Italien Karriere gemacht hatten. Und auf Linksaußen wirbelte ein ganz besonderer Fußballspieler: der pfeilschnelle Lennart „Nacka“ Skoglund, über den die Süddeutsche Zeitung unter der Überschrift „Am Ball genial, unfähig im Leben“ einmal schrieb: „Wie Libuda beherrschte Skoglund sein Leben nur, wenn er Sicherheit in engen Grenzen fand – zwischen den vier Eckfahnen eines Fußballplatzes. Er hat getrunken, und er ist mit 45 Jahren in der Ein-Zimmer-Wohnung seiner Mutter gestorben.“ Vor dem Haus in der Katarina Bangata 42 in Stockholm „steht heute eine Skoglund-Statue, und jedes Jahr am 24. Dezember, wenn Nacka Geburtstag hat, treffen sich dort Hunderte und singen und essen Pfefferkuchen“.
Bei der WM 1994 in den USA wurde Schweden Dritter, es war eine starke Mannschaft mit den Stürmern Dahlin und Brolin, die ähnlich berühmt wurden wie Gren und Liedholm, und mit einem Torwart, der starke Reflexe hatte und einen stechenden Blick: Thomas Ravelli. Es war ein sehr heißer Sommer damals in Schweden, das ganze Land saß vor dem Fernseher, um die WM zu gucken. Henning Mankell hat das in seinem Wallander-Krimi Die falsche Fährte beschrieben. Kommissar Kurt Wallander versteht nichts von Fußball, er interessiert sich auch nicht für die WM, aber er macht beim internen Tippspiel des Polizeipräsidiums mit. Nach dem Spiel Schweden gegen Kamerun zog Kollege Martinsson ein Stück Papier aus der Tasche und sagte zu Wallander: „Wie du weißt, ist Fußball-Weltmeisterschaft . 2:2 gegen Kamerun. Du hattest 5:0 für Kamerun getippt, damit bist du Letzter.“
Foto: Edgar Wangen
Gedenkstatue von Nacka Skoglund in Stockholm, Katarina Bangata am Nackas-Hörna-Plats.
Norwegen hat dreimal bei Weltmeisterschaften mitspielen dürfen (1934, 1994 und 1998), aber niemals das Achtelfinale überstanden; bei der einzigen EM-Teilnahme im Jahr 2000 scheiterten die Norweger schon in der Vorrunde. Finnland, Island, die Färöer und Grönland warten noch auf ihre erste Teilnahme an einer großen internationalen Meisterschaft.
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