KEFIR: Sauermilchprodukt mit geringem Gehalt an Alkohol aus der Kaukasusregion mit der Fähigkeit, krankmachende Keime zu unterdrücken, wirkt lebensverlängernd nach Untersuchungen des russischen Nobelpreisträger Ilja Iljitsch Metschnikow, 1845–1916.
Diäten und Empfehlungen zur Wellness,Ratgeber zum immerwährenden Glück für alle, Anleitungen zur Fitness mit oder ohne Personaltrainer, Vorschläge zum Erhalt der Gesundheit und allwährenden Seelenfrieden überfluten uns. Und doch scheitern wir häufig an unseren allzu großen Vorsätzen.
Wir sollten uns bewusst machen: „Desto höher das gesteckte Ziel, desto höher die Niederlagen. Desto größer die Hoffnung, desto größer die Enttäuschung. Woran kann ich mich orientieren ? Wie kann ich meinen Weg finden zwischen all den Verlockungen und dem Überfluss. „Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen ?“ (Immanuel Kant, Philosoph aus Königsberg; 1724–1804)
Die Antwort auf viele dieser elementaren Fragen gibt uns weniger die Naturwissenschaft als die Erfahrung großer Denker. Die Wahrheit kann ganz einfach sein: Wir werden immer scheitern am Ideal. Aber wir sollten nie aufhören danach zu streben.
Schon Konfuzius (chinesischer Philosoph; 551–479 v. Chr.) wusste um die Unerreichbarkeit des Ideals der Tugenden.
Der Edle ist bemüht, sich dem Ideal anzunähern. Dies gilt nicht nur für das richtige Verhalten zu anderen Menschen, das uns von Sorgen befreit, für die Weisheit, die uns vor Zweifeln bewahrt oder für die Entschlossenheit, welche die Furcht überwindet. Es gilt insbesondere auch für unsere Lebensweise. Wie sollen wir also leben, um gesund zu bleiben ? Sicher ist, dass es kein Allheilmittel gibt.
Im Werk Lunyo über Konfuziussteht über den Meister geschrieben:
„Ist das nicht jener Mann, der weiß, dass seine Ideen nicht zu verwirklichen sind, aber dennoch nicht davon ablässt ?“
LUNYO: Einflussreichstes Werk der ostasiatischen Geistesgeschichte berichtet über Konfuzius.
Allgemeiner Charakter und Bedeutung der chinesischen Philosophie als Grundmotiv ist das Streben nach Harmonie, nach Maß und Mitte, nach dem harmonischen Gleichgewicht. 5
Das Streben danach heißt nicht, dass wir es jemals erreichen werden. Wir müssen dies wissen, um nicht der Depression und Täuschung zu erliegen. Wir sollten aber nie unser Bemühen aufgeben, unsere Ziele zu erreichen. Was sind nun die Ziele für unseren Körper und unsere Seele ? Nicht der weltabgewandte, asketische Heilige, sondern der in allen Dingen das richtige Maß haltende Weise ist unser Vorbild. Also seien wir gnädig mit uns selbst und mit den anderen.
Wir werden später darauf zurückkommen, was ich konkret tun kann, um den Gleichtakt des Herzschlags möglichst lange zu bewahren, Überarbeitung und Stress zu vermeiden, die Gefäße elastisch zu halten, Lunge, Leber und Darm zu pflegen, als Grundvoraussetzung für ein gesundes Leben auch im Alter; aber nicht verbissen und in allen Lebenslagen leitliniengerecht oder gar nach Algorithmen orientiert, sondern mit Maß angepasst an die Umstände. Wenn wir feiern, dann feiern wir, wenn wir meditieren, beten oder uns besinnen, dann tun wir dies im gleichen Maße.
Schon im „Garten des Epikurs“ zu Athen spielte sich eher das heitere und gesellige Leben ab. 6
EPIKUR, griechischer Philosoph; 341–270 v. Chr.; entwickelte die Lehre von der Lust. Nicht im Sinne der Völlerei und Zügellosigkeit sondern des individuellen Lebensglücks. Grundlage ist das Ideal der Seelenruhe zu Lebzeiten, Ataraxia(„Unerschütterlichkeit“) genannt, und alles, was das Glück des Weisen, Eudaimonia („Gelungene Lebensführung“, „Glückseligkeit“, vgl. Eudaimoniekonzept des Aristoteles ), gefährden kann; zielt im Kern auf die stabile Erhöhung und Verstetigung der Lebensfreude ab. Dabei müssen Furcht, Begierden und Schmerz umschifft werden. Der Epikurer ist gleichgültig gegenüber dem Tod. Erläuterungen zum Katechismus 7–11.
Darunter verstand aber Epikur nicht das sinnlose Jagen nach Sinneslust und ewiger Jugend, sondern vielmehr die Gewinnung von Lust und das Vermeiden der Unlust.
Die Unerschütterlichkeit (griechisch „Ataraxia“) der Seele,die ausgeglichene Ruhe des Geistes, die heitere Beschaulichkeit und die emotionale Gelassenheit auch gegenüber Schicksalsschlägen, war nicht nur für die Stoiker das erklärte Ziel. Auch für Epikurwar seine eigene Lebensführung geprägt von ausgeglichenem Maßhalten. Übertragen kann diese Erkenntnis für uns bedeuten, dass wir nicht der Völlerei frönen und uns ständig betäuben mit dröhnender Bassmusik und ungezügeltem Streben nach scheinbarer Erfüllung der Lust, sondern uns manchmal daran erinnern, dass wir am nächsten Tag das sind, was wir am Tag zuvor waren. Wie schnell vergessen wir die Kurzlebigkeit? Wie oft verdrängen wir den Gedanken an die Sterblichkeit des Menschen? Wir sollten uns natürlich nicht ständig daran erinnern. Aber langes Leben um jeden Preis geht häufig zu Lasten der Lebensqualität. „Anfang und Wurzel alles Guten ist die Freude des Magens“, war schon vor über 2.500 Jahren der Leitspruch Epikurs. Ein gemeinsames Mahl in der Familie oder mit Freunden bei gesunden Speisen ist immer noch Ausdruck für ein gelungenes Leben.
Die Freuden des Leibes – so lehrt uns der Philosoph – sind aber auch an den Augenblick gebunden: die Seele aber kann in die Vergangenheit blicken und manchmal auch in die Zukunft schauen.
Vergessen wir also alle zu sehr einschränkenden Diäten, Vorschriften und Anregungen zu scheinbar lebensklugen Ratschlägen. Riskieren wir die Freude und erkennen, dass ständiges Kasteien uns einengt wie eine Zwangsjacke.
Lukrez und ein weiterer Dichter Roms, Horaz ( Quintus Horatius Flaccus, bedeutender römischer Dichter und Lyriker; 65–8 v. Chr., Schüler des Epikur) 7 , berichten über die epikureische Philosophie und geben uns einen Einblick in diese Lebensanschauungen in ihren Werken und Liedern über die Liebe, den Wein, die Geselligkeit und Freundschaft und vor allem die abgeklärte Lebensweise.
TITUS LUCRETIUS CARUS LUKREZ, römischer Dichter und Philosoph; 98–55 v. Chr.; in der Tradition des Epikureismus, Vertreter der Atomistik. Im Gegensatz zu Epikur verurteilt er den sittlichen Verfall des Adels und klagt den Krieg und den Schrecken an; nimmt Anteil an den gesellschaftlichen Ereignissen seiner Zeit.
Es kann also gefolgert werden, dass nicht jeder Lust gefrönt werden soll. Denn es gibt Zustände, die an sich Lust enthalten, aber den Menschen auf Schwerste schädigen können. So müssen wir uns vor tierisch vulgärer Gier und bizarrem Verhalten, gegen die der Kyniker Diogenes (griechischer Philosoph; ca. 413–323 v. Chr.) keinerlei Bedenken hatte – er soll öffentlich onaniert haben – durchaus in Acht nehmen.
Für die Medizin gilt, dass es Genüsse gibt für Speis und Trank, die im Augenblick erfreulich sind, auf Dauer aber die Gesundheit ruinieren. 8
Wir müssen also Einsicht haben in die Grenzen der Begierden. Werden wir nicht auch heute vielfach umgeben von extrovertierten Prassern ? Wollen wir nicht auch den Reichen und Schönen nacheifern, wie sie fast täglich auf Hochglanzpapier in der Boulevardpresse erscheinen ? Beschämend und lächerlich !
Wir sollten uns daran erinnern, dass manchmal ein kleines Stück eines guten Käse, langsam und mit Genuss gegessen, mehr Gaumenfreude bereiten kann als ein sündteures 7-Gänge Menü. In unserem Gesicht geschrieben stehen und aus unseren Augen schauen unser Lebenswandel und unsere Lebenserfahrung.
Es ist nicht möglich, lustvoll zu leben, ohne dass man vernunftgemäß, schön und gerecht lebt, noch vernunftgemäß, schön und gerecht ohne lustvoll zu leben. Wer dies nicht beherzigt, der kann nicht lustvoll leben. 9
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