Im fernen Osten gilt bei den Hundertjährigen in Okinawa die einfachste Diätder Welt: „hara hatchi bu“. (Übersetzung aus dem Japanischen: „Fülle Deinen Magen nur zu 80 Prozent“, wörtlich: „acht Teile von zehn voll“.) Nicht essen bis man satt ist, sondern nur so viel, bis man nicht mehr hungrig ist.
Mäßigung als Tugend. Verzicht schenkt Lebensjahre. Weniger Energiezufuhr aktiviert Sirtuine (abgeleitet vom Gen Sir 2) im Blut, besondere Eiweiße (Enzyme), welche die DNA(Erbgut) in unseren Zellen schützen, damit unser Erbstrang nicht bei jeder Zellteilung abbröckelt. Sirtuine haben eine Reihe weiterer Aufgaben im Organismus. Sie stimulieren das Nervenwachstum, unterdrücken Tumorzellen, regulieren die Insulinsynthese, bewahren Herz und Gefäße vor freien Radikalen und vielem anderen mehr.
Fastenheißt das neue Zauberwort. Es setzt Sirtuine frei und entfacht damit ein wahres Feuerwerk gegen Alter und Verfall. Mit jeder Zellteilung verkürzen sich nämlich auch die Enden der Chromosome (Telomere), so lange bis der programmierte Zelltod eintritt. Sirtuine stabilisieren die Endstücke unserer Erbsubstanz vor dem schleichenden Verlust und drosseln den Prozess der vorzeitigen Alterungserscheinungen.
Durch Enthaltung gelingt es auch den Hundertjährigen in Okinawa und anderswo, ihr Gewicht bis ins hohe Alter zu halten. Eine Weisheit, die aus den Lehren des Konfuzius übernommen wurde.
Man muss nur ein Gespür entwickeln für Nahrung, Hunger und Sättigung.
Die Nahrung der Alten besteht aus viel Obst und Gemüse und eher wenig Fleisch, Fisch und Eiern. In Okinawa bereitet man traditionell das Essen selbst zu.
In Japan (127 Millionen Einwohner 2016) feiert der „Club der Hundertjährigen“ jährlich neue Mitgliederrekorde: Die drittgrößte Wirtschaftsnation der Welt zählte 2017 insgesamt 67.825 Menschen im Alter von 100 Jahren oder mehr (zum Vergleich in der BRD „nur“ ca. 16.000). Seit etwa 50 Jahren steigt die Zahl jedes Jahr auf eine neue Rekordmarke. 1963 lebten im fernöstlichen Inselreich gerade einmal 153 Hundertjährige . Es sind also nicht nur die Gene, die ein langes Leben sichern. Zur Langlebigkeit der Japaner tragen die gesunde traditionelle Küche, Fortschritte in der Medizin und ein gesteigertes Gesundheitsbewusstseinbei. Neben der Diät gibt es noch ein Geheimnis der japanischen Langlebigkeit, besonders bei den Hochbetagten. Sie nennen es „Ikigai“ („iki“ für „Leben“ und „gai“ für „Wert“; „lebenswert“), eine mentale Motivation, etwas, was ihnen die Kraft verleiht, jeden Tag morgens aufzustehen, einen neuen Tag zu beginnen und das Leben fortzusetzen. Auch wir können herausfinden, was uns wirklich wichtig ist und was uns mit Sinn erfüllt. Was soll von uns übrigbleiben, wenn wir nicht mehr da sind ? Darüber einmal nachzudenken, würde sich lohnen.
Das Gute liegt manchmal doch so nah. Kennen Sie vielleicht das italienische Dörfchen Campodimele, 120 Kilometer südwestlich von Rom ? Dort ticken die Uhren anders. Nämlich viel langsamer. Die Menschen in Campodimele werden um 30 Jahre älter als der Durchschnitt in Italien. Die Alten im Dorf der Langlebigkeit ernähren sich von dem, was auf ihren Feldern wächst: Biokost in Reinform. Dabei dürfen frisches Gemüse und eine besondere Zwiebelart („Scalongo“, Schalotten), Olivenöl und selbstgebackenes Brot nicht fehlen.
Lasst uns auch nach Limone fahren, in das nahe Dorf der Hundertjährigen am Gardasee ! Sie haben ein Eiweiß im Blut, welches die Adern wie eine Wunderwaffe von Fett und Kalk befreit.
Oder vielleicht nach Ogliastra, in der italienischen Provinz Salerno, nach Acciaroli in Süditalien und nach Ollolai, einem kleinen Ort in Sizilien, um das Geheimrezept eines langen Lebens zu erforschen. Oder machen wir eine Reise auf die griechische Insel Icaria, zur Halbinsel Nicoya in Costa Rica oder nach Loma Linda in Kalifornien. Ihre Bewohner haben alle Eines gemeinsam: Viele werden 100 Jahre alt und älter. Sie ernähren sich einfach von den Produkten aus eigenem Anbau und bewegen sich viel. Manchmal ist auch ein Gläschen Rotwein dabei, Olivenöl und nicht immer Fisch.
Auch die Bewohner der Insel Kitava, nördlich von Australien, machen sich nicht wirklich Gedanken über die richtige Diät. Sie ernähren sich traditionell von Süßkartoffeln, Yamswurzeln, Melonen, Kürbissen, Kokosnüssen, Ananas, Papayas oder Fisch. Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall sind auf der Insel unbekannt. Verarbeitete westliche Lebensmittel werden kaum konsumiert. Fertiggerichte sind verpönt. Das Essen ist ein Ritual. Man nimmt sich Zeit. Eine Eigenschaft und Kunst, die uns mehr und mehr abhandengekommen ist. Leider werden von uns vielfach der schnelle, fette Snack um die Ecke, salzhaltige Fertiggerichte oder zuckersüße Getränke, kalorienreich, aber nährstoffarm bevorzugt. Langsames und gründliches Kauen ist für viele Zeitverschwendung. Die Nahrung wird oftmals in großen Bissen heruntergeschlungen. Langsames Kauen (Mahl-Zeit) regt den Speichelfluss an, hastiges Verschlingen, Schlucken und Hinunterwürgen von Speisen dagegen nicht. Genüssliches Auskosten, Schmecken und „auf der Zunge zergehen lassen“ haben wir vielfach verlernt. Dabei sollten die Zeiten von „all you can eat“ doch eigentlich vorbei sein. Das „große Fressen“ wird aber immer noch praktiziert. Die Auswahl an Lebensmitteln in unseren Breiten ist so groß wie nie. Allzu häufig geben wir den Verlockungen des Überangebots nach. Nahrung ist überall und jederzeit erhältlich.
Trotz mancher Fehler in unserer Lebensführung werden wir dennoch viel älter als unsere Vorfahren, könnten aber gesund noch viel älter werden.
Mit 70 Jahren haben wir eine bis zu 50%ige Chance, 90 Jahre alt zu werden. Um diese Möglichkeit zu nutzen, müssen wir allerdings ab sofort dem Alterungssextett Rauchen, übermäßigem Alkoholgenuss, Bluthochdruck, Übergewicht, Stress und Bewegungsmangel den Kampf ansagen.
Und diese Empfehlungen gelten auch für die Jungen. Sie wissen ja: die Verkalkung ist ein schleichender Prozess, der früh beginnt. „Wehret den Anfängen !“ (Der Spruch geht auf Ovid, 43 v. Chr.–17 n. Chr., zurück, antiker römischer Dichter: „Principiis obsta“, d. h.: „Tritt den Anfängen gegenüber.“)
Gene sind steuerbar
Genesind nicht allmächtig und unser Erbgut ist nicht unser alleiniges Schicksal. Lange hat man geglaubt, dass alles durch Gene bestimmt wird, Krankheit, langes Leben oder früher Tod. Nihilismus („Sinnlosigkeit“) machte sich breit. Alles ist vorbestimmt. Daran ändern kann ich ja doch nichts.
Dabei geben die Gene letztlich „nur“ den Bauplan vor für Eiweißstoffe (Proteine), aus denen unsere Körperstoffe und -strukturen, z. B. Hormone, entstehen. Wie diese Strukturen und ob sie überhaupt gebaut werden, entscheiden wir zum großen Teil selbst. Gene sind steuerbar. Klappe ich den Bauplan auf und setze ich ihn um oder nicht, aktiviere und optimiere ich die Erbanlagen oder nicht, das ist hier die Frage.
Der Schalter für das Anknipsen der Gene ist unser LebensStil,unsere Ernährung, Schlafqualität, Bewegung, Stressvermeidung, soziale Aktivitäten, Arbeitsbedingungen, Einkommen und Erziehung. Man nennt den umweltbedingten Einfluss auf unsere Gene „Epigenetik“(„epi“, griechisch, „dazu“ zur Genetik). Unsere Gene können wir also durch unser Verhalten biochemisch verändern und somit steuern.
EPIGENETIK: Unser Erbgut, die DNA kann durch Umwelteinflüsse verändert werden; dabei lagern sich Methylgruppen – CH3- an die DNA an.
Wir selbst sind also zum großen Teil der Herr über unserer Gene und können sie verändern durch unsere Art zu leben und sogar Teile von ihnen ein- und ausknipsen wie einen Lichtschalter. Beim Ausdauersport zum Beispiel verändern zwanzig Prozent unserer Gene ihre Aktivität. Der Kohlenhydratstoffwechsel wird optimiert, Muskelfasern werden aufgebaut und der Kalorienverbrauch angeheizt. Dazu später mehr.
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