Unabhängig von dem eindeutig entgegenstehenden Wortlaut der Vorschrift würden mit der Anerkennung des Betriebsratsamtes als Beruf außerdem zahlreiche Folgeprobleme im Hinblick auf die Ausgestaltung in der Praxis entstehen: Zunächst müsste mit dem jeweiligen Betriebsrat ein neuer Arbeitsvertrag oder zumindest ein Änderungsvertrag hinsichtlich der Amtspflichten und einer entsprechenden Tätigkeitsbeschreibung geschlossen werden. Dem steht allerdings schon entgegen, dass der Arbeitgeber bei dem Betriebsratsamt hierauf keinen Einfluss nehmen darf und die Amtstätigkeit gerade nicht seinen Weisungen unterworfen ist. Aber auch potentielle Lösungen zu weiteren auftretenden Fragen, wie dem Schicksal des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses sowie der Ausgestaltung und Bemessung der Bezahlung mit sämtlichen sozialversicherungsrechtlichen Abgaben und Steuern, werden sich so weit von den derzeit geltenden gesetzlichen Regelungen entfernen, dass sie selbst bei einer großzügigen Auslegung nicht mehr vertretbar wären.
Auch eine Variante, bei der die jeweils passendsten Eigenschaften von Ehrenamt und Beruf vermengt und auf das Betriebsratsamt übertragen werden, muss abgelehnt werden. Die Schaffung eines solchen Amtes „eigener Art“ wäre ebenfalls mit der gesetzlichen Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes nicht vereinbar.
Trotz alledem darf die offensichtliche Entwicklung der Verberuflichung vieler Betriebsräte in Deutschland nicht vollkommen ungeachtet bleiben und muss bei den folgenden Ausführungen berücksichtigt werden. Der Wandel der Betriebsratstätigkeit hin zu einer berufsähnlichen Tätigkeit hat sich zumindest in vielen großen Unternehmen vollzogen. Auch wenn das nach derzeit geltendem Recht jedoch nicht für die Befürwortung des Betriebsratsamtes als Beruf ausreicht, als Argument oder Kriterium bei der Auslegung der Vorschriften kann die „Verberuflichung“ der Betriebsräte aber durchaus Bedeutung erlangen.
B. Das Prinzip der Unentgeltlichkeit der Amtsführung
In § 37 Abs. 1 BetrVG ist ausdrücklich festgesetzt, dass die Betriebsratsmitglieder ihr Amt unentgeltlich zu führen haben. Damit wird jegliche Art von Vergütung allein wegen der Amtstätigkeit als Betriebsrat von vornherein ausgeschlossen. Inwieweit das Gebot anzuwenden ist und wo seine Grenzen liegen, ist genauer zu betrachten.
I. Inhalt und Reichweite der Regelung
1. Verbot der Vergütung
Unentgeltlichkeit bedeutet nach dem Wortlaut zunächst natürlich kein Entgelt bzw. keine Bezahlung für das Amt an sich oder die reine Amtsführung; die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben stellt eben keine gesondert zu vergütende Tätigkeit dar.151 Die Bezahlung der Betriebsratsmitglieder hat nach der Amtsübernahme grundsätzlich wie vorher in Höhe ihres regelmäßigen Arbeitsentgeltes zu erfolgen und zwar auf Grundlage des weiterhin bestehenden Arbeitsverhältnisses.152 Jede darüber hinausgehende Entgeltzahlung ist unzulässig, wenn sie dem Betriebsratsmitglied nur wegen seines Amtes gewährt wird, außer eine solche Zahlung oder ein entsprechender Vorteil ist im Gesetz ausdrücklich vorgesehen.153 Dabei darf nach allgemeiner Ansicht für das Betriebsratsamt und die Wahrnehmung der entsprechenden Aufgaben weder in unmittelbarer noch in mittelbarer oder versteckter Form irgendeine Art von Vergütung gezahlt oder ein sonstiger geldwerter Vorteil gewährt werden.154
In der Regel wird den Arbeitnehmern in dem Betrieb eine Vergütung in Form von Geldlohn gezahlt. Aber auch alle anderen Lohnformen, wie Zeit- oder Leistungslohn sowie Sachbezüge oder Provisionen sind gleichermaßen Bestandteile der Vergütung155 und damit wegen des Unentgeltlichkeitsgrundsatzes ausgeschlossen. Ebenso umfasst das Entgeltverbot Lohn- bzw. Gehaltszulagen und -zuschläge, die typischerweise aus einem besonderen Grund von dem Arbeitgeber gezahlt werden.156 Die Leistung solcher Zulagen ausschließlich an Betriebsratsmitglieder allein aufgrund des Amtes würde das Betriebsratsamt zu einem entgeltlichen Amt verkehren.157 Sondervergütungen zu bestimmten Anlässen oder Terminen, wie beispielsweise Gratifikationen, haben ebenfalls Entgeltcharakter158 und dürfen deshalb auch nicht gewährt werden, wenn sie nicht schon vorher den Betriebsräten gezahlt wurden oder sie entsprechend § 37 Abs. 4 S. 2 BetrVG159 vergleichbaren Arbeitnehmern im Betrieb zugestanden werden. Erhalten solche Sonderzahlungen ausschließlich Mitglieder des Betriebsrates, wird zum Teil sogar eine tatsächliche Vermutung dafür angenommen, dass die Zuwendung allein wegen des Amtes gemacht wurde.160 Eine solche Vermutung würde aber zu weit gehen, so dass vielmehr konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Unentgeltlichkeitsgebot zu verlangen sind.
Konkrete Beispiele für Zahlungen, die im Schrifttum wegen Verstoßes gegen den Unentgeltlichkeitsgrundsatz überwiegend als unzulässig angesehen werden, sind unter anderem zusätzlich zu dem üblichen Entgelt gezahlte Gelder für die Teilnahme an Betriebsratssitzungen oder die Gewährung von Arbeitsentgelt trotz Arbeitsversäumnis, das weder erforderlich für Betriebsratstätigkeit war noch anderweitig gerechtfertigt ist.161 Dazu sollen auch die Erstattung nicht notwendiger bzw. nicht tatsächlich angefallener162 sowie deutlich überhöhter Auslagen oder Reisekosten gehören163. Pauschalabgeltungen für Überstunden164 werden beispielsweise dann als nicht (mehr) zulässig angesehen, wenn diese bei vergleichbaren Arbeitnehmern der Abteilung eingestellt wurden165 oder ausschließlich nur Betriebsratsmitgliedern zufließen166. Auch die Zuweisung einer besonders verbilligten Werkswohnung oder die Gewährung günstigerer Konditionen bei einem Firmendarlehen,167 die Zuweisung eines für andere Arbeitnehmer kostenpflichtigen Firmenparkplatzes168 oder das Gewähren zusätzlichen Urlaubes verstößt nach allgemeiner Ansicht gegen das Unentgeltlichkeitsprinzip.169
In der Literatur wird auf das Merkmal des Entgeltes oftmals keine große Bedeutung gelegt, sondern – wie die eben vorgenommene Aufzählung zeigt – unter das Verbot in § 37 Abs. 1 BetrVG verschiedenste einzelne Zuwendungen subsumiert. Dabei sind nicht sämtliche Vergünstigungen schon deshalb als Vergütung zu qualifizieren, nur weil sie einem Mandatsträger gewährt werden. Nicht jede Zuwendung an ein Betriebsratsmitglied fällt automatisch unter das Verbot nach § 37 Abs. 1 BetrVG. Es muss sich zum einen zwingend in irgendeiner Form um Entgelt – wenn auch in versteckter Form – oder einen Bestandteil davon handeln, weil das Verbot ausschließlich Zahlungen erfasst, die Entgeltcharakter aufweisen. Die Vorschrift des § 37 Abs. 1 BetrVG betrifft nur die Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Abgrenzungsschwierigkeiten können sich beispielsweise bei Aufwandsentschädigungen ergeben.170 Zum anderen ist bei einer Zuwendung genau zu prüfen, gegebenenfalls auch durch Auslegung, ob sie mit den Regelungen unter Umständen in Einklang stehen kann.
2. Keine ausnahmsweise Vergütung der Betriebsratsarbeit nach § 37 Abs. 3 BetrVG
Der Wortlaut des § 37 Abs. 1 BetrVG erlaubt eindeutig keinerlei Vergütung des Betriebsratsamtes oder der Amtsführung. In § 37 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 BetrVG setzt das Gesetz – umso erstaunlicher – allerdings fest, dass für Betriebsratstätigkeit, die betriebsbedingt außerhalb der persönlichen Arbeitszeit durchgeführt wird und ein Freizeitausgleich hierfür (wiederum aus betriebsbedingten Gründen) nicht innerhalb eines Monats möglich ist, die dafür aufgewendete Zeit „wie Mehrarbeit zu vergüten“ ist. Das ließe zunächst darauf schließen, dass sich das Betriebsverfassungsgesetz nicht in jeder Hinsicht einer Vergütung von Betriebsratsmitgliedern verschließt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen sogar Ausnahmen von dem Grundsatz vorsieht.
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