»Vielleicht hat er gar keine andere Wahl. Und in diesem Fall ist es besser, wenn niemand in meiner Nähe ist, wenn das passiert.«
Oscar straffte seine Gestalt. »Du warst in deiner Wortwahl überaus deutlich. Und ich werde genauso deutlich sein: Du verlässt die Normandy entweder mit diesen vieren oder gar nicht!«
Dexter zögerte. Ärger kochte in ihm hoch. Er schätzte es nicht, wenn man ihm auf diese Weise die Pistole auf die Brust setzte. Er musterte Oscar eine ganze Weile. St. John, Koch, Redburn und Dunlow warteten angespannt und wechselten unbehagliche Blicke. Schließlich seufzte er. Dexter kannte Oscar lange genug, um zu wissen, wenn er auf verlorenem Posten kämpfte. Er nickte ergeben.
Oscar lächelte erleichtert. Er wandte sich um. Der Chef der Deckcrew stieg von einem Gerüst und nickte.
»Das Beiboot ist fertig«, meinte Oscar. »Ihr könnt sofort los.«
»Dann mal alle an Bord«, forderte Dexter seine neu gewonnenen Begleiter auf.
Sie stiegen nacheinander die Rampe hinauf. Dexter ging als Letzter. Er wandte sich noch einmal um und drückte fest Oscars dargebotene Hand. Dexter versuchte, dessen düsteren Gesichtsausdruck zu ignorieren. Der Admiral wirkte, als würde er erwarten, keinen von ihnen je wiederzusehen. Dexter war fest entschlossen, dies zu vermeiden. Er würde zurückkehren. Und dann hatte er hoffentlich ein paar Antworten im Gepäck: über Beltaran, seinen Bruder Miles und vor allem ihren Vater.
Er löste sich vom Admiral, stieg die restliche Rampe hinauf und bestieg das Beiboot. Hinter ihm wurde die Rampe eingezogen und die Luke verriegelt. Dunlow saß bereits auf dem Pilotensitz. Koch hatte sich auf den Sitz des Kopiloten gezwängt.
Das Beiboot hob vom Deck ab. Durch das kleine Frontfenster konnte man sehen, wie das Hangarkraftfeld aktiviert wurde und sich die Tore öffneten. Dunlow steuerte das kleine Vehikel geschickt hinaus ins All und beschleunigte zusehends.
»Ein Kurs wäre jetzt nicht schlecht«, meinte er leichthin. »Wo soll’s hingehen?«
Alle Augen richteten sich auf Dexter. Dieser hatte sich darüber bereits den Kopf zerbrochen. Und es gab nur einen Ort, wo sie eine illegale Passage auf einen königlichen Planeten so ohne Weiteres bekommen konnten. »Selmondayek«, erklärte er. »Bringen Sie uns nach Selmondayek.«
8 
Alle vier Planeten des Aldas-Systems waren unbewohnbar. Aldas I verfügte über gar keine, Aldas II über eine giftige Atmosphäre. Der dritte und vierte Planet waren beide lediglich im All treibende Felsbrocken ohne nennenswerten Nutzen. Nur der zweite Mond von Aldas II war interessant. Dort existierte eine Q-12-Mine. Ohne das wichtige und seltene Mineral wären interstellare Reisen unmöglich.
Darüber hinaus gehörte das Aldas-System zur Grafschaft Rayat. Das war insofern interessant, als die Grafschaften Rayat und Onbele gemeinsam das Konsortium als Privatarmee angeheuert hatten. Die beiden Grafschaften besaßen irgendeine Verbindung zum Zirkel. So viel stand fest. Aus ebendiesen Gründen hatten sich Lennox Christian und Alejandro Barrera den Mond für den Beginn ihrer Operation ausgesucht.
Das System wimmelte vor Konsortiums -Soldaten. Und im Gegenzug gab es so gut wie keine königliche Präsenz. Keiner der beiden Marines verspürte auch nur die geringste Lust, mit ihren ehemaligen Kameraden aneinanderzugeraten. Einigen Heinis vom Konsortium die Schädel einzuschlagen, dagegen hatten sie nichts einzuwenden.
Es gab noch einen weiteren Grund, hier den Anfang zu machen. Wie sie wussten, befand sich die Asylum nur wenige Sprünge entfernt. Wer auch immer die Fäden zog, würde es sich nicht verkneifen können, die beiden Skull -Soldaten in das Gefängnis zu verfrachten, das der Zirkel offenbar als privaten Spielplatz betrachtete. Man würde sie dorthin bringen, mit dem erklärten Ziel, sie zu brechen.
Lennox verzog zynisch die Miene. Wenn die Kerle dachten, das würde einfach werden, dann hatten sie es noch nie mit royalen Marines zu tun gehabt.
Barrera führte langsam mit seiner rechten kybernetischen Hand das kleine Schnapsglas zum Mund und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter. Das Gesöff hätte man auch gut als Raketentreibstoff verkaufen können. Es brannte sich regelrecht den Weg durch die Eingeweide. Trotzdem verzog Barrera keinen Gesichtsmuskel, was Lennox einigermaßen bewundernswert fand. Die Augen des Unteroffiziers glitten suchend über den Schankraum der Spelunke. Der Mann hielt immer Ausschau nach einer Bedrohung. Und davon gab es hier einige. Die meisten der Anwesenden wirkten, als würden sie für eine Handvoll Münzen der eigenen Großmutter die Kehle durchschneiden. Wenn ihn sein Urteilsvermögen nicht trog, dann hatten viele hier bereits ähnlich Schlimmes getan.
»Das ist ein ganz beschissener Plan«, kommentierte Barrera nicht zum ersten Mal.
Lennox zuckte die Achseln. »Sie hätten ja nicht mitkommen müssen.«
Barrera warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Als ob ich Sie allein in die Höhle des Löwen gehen lassen würde.«
Das Etablissement verfügte über einige Damen des horizontalen Gewerbes. Lennox beobachtete eine ganze Weile, wie eine davon, rittlings auf dem Schoß eines Minenarbeiters saß, sich dabei leicht bewegte, um diesen von ihren Vorzügen zu überzeugen.
Der Mann gab schließlich nach und die beiden schlenderten grinsend Hand in Hand die Treppe hinauf. Was die zwei dort anstellten, dafür brauchte man kein Genie zu sein. Lennox schmunzelte. Es war schon einige Zeit her, dass er die Wärme einer Frau gespürt hatte. Die Versuchung war groß, eine der hiesigen Damen anzusprechen. Gut möglich, dass es noch eine Weile dauern würde, bevor es losging.
Informanten der Skulls hatten Barrera und Lennox denunziert und an das Konsortium verraten. Es war nicht allzu offensichtlich geschehen, um keinen Verdacht zu erregen. Lennox hoffte, dass die Idioten vom Konsortium nicht zu lange brauchen würden, um sie zu finden. Er persönlich war der Meinung, diese Schwachköpfe waren zu dämlich, um den eigenen Hintern zu finden – selbst unter Zuhilfenahme einer Landkarte.
Sein Blick glitt über die anwesenden Dirnen und es gab tatsächlich einige, die seinen Ansprüchen genügten. Ein paar waren sogar sehr ansehnlich.
Barrera bemerkte den forschenden Blick seines Begleiters und grinste. »Ich befürchte, dafür haben wir keine Zeit, Colonel.«
Lennox konzentrierte sich augenblicklich wieder. »Probleme?«
»Wir ziehen Aufmerksamkeit auf uns. An der Bar.«
Lennox griff sich sein halb volles Schnapsglas und führte es zum Mund. Dabei drehte er den Kopf so, dass er die Bar aus dem Augenwinkel mustern konnte. Er wusste sofort, wen Barrera meinte. Dort saßen auf wackligen Barhockern zwei Typen, die vorgaben, zu den Minenarbeitern zu gehören.
Lennox nahm ihnen das aber nicht ab. Zum einen wurden sie von keinem der anderen Minenarbeiter angesprochen und sie beteiligten sich auch nicht an deren Gesprächen, Kartenspielen oder den gegenseitigen Scherzen. Die anderen kannten die zwei ganz offensichtlich gar nicht. Zum anderen war ihre Kleidung einen Tick zu sauber.
Lennox seufzte enttäuscht. Eine Matratzenrunde mit einer der hiesigen Dirnen fiel damit wohl leider vorerst ins Wasser. Er fluchte innerlich. Ein Grund mehr, wütend auf das Konsortium zu sein.
»Es geht also los«, flüsterte er.
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