Das, so der Milliardär und einer der reichsten Menschen Deutschlands, sei die wichtigere Frage, als die nach der Gerechtigkeit, wenn jemand sein Vermögen selbst erwirtschaftet habe. Würth selbst hat das Unternehmen seines Vaters übernommen und weitergeführt. Er habe „malocht wie selten ein Mensch“. Aus dem kleinen Unternehmen seines Vaters, welches er im Alter von 19 Jahren mit 2 Mitarbeitern übernommen hatte, wurde die heutige Firma mit 78.000 Mitarbeitern und 14,3 Milliarden Umsatz in 2019.
Eigentum verpflichtet
Er ist der Meinung, dass Eigentum verpflichtet und dass es die Aufgabe der Reichen sei, dem Gemeinwohl zu dienen.
Das ist übrigens nicht nur seine Meinung, sondern steht sogar klipp und klar im Artikel 14 des deutschen Grundgesetzes: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Über diesen Artikel 14 unseres Grundgesetzes habe ich lange nachgedacht und habe ihn beim Schreiben dieses Buchs immer als Ankerpunkt genommen. Ist es ok, dass jemand Milliarden verdient oder erbt, wenn gleichzeitig die Hälfte der Bevölkerung nichts hat? Meine Antwort ist ein klares Jein. Herr Würth hat seine Milliarden sicher verdient.
Zu Recht weist er darauf hin, dass ohne seine unternehmerische Leistung über 70.000 Menschen keinen Job hätten. Er verweist auch darauf, dass er und seine Familie sich viel im Bereich Kultur und Kunst engagieren und sich um Menschen mit Behinderung kümmern. Er nimmt den Artikel 14 ernst, aber er ist einer der wenigen Reichen, für die Eigentum verpflichtet – nach meiner Analyse. Die meisten sehen das zumindest lockerer. Natürlich ist bei Würth auch nicht alles Gold, was glänzt, wenn man genauer hinschauen würde, aber um den Einzelnen geht es nicht.
Dass die oberen zehn Prozent über zwei Drittel des Vermögens verfügen, bewerten einige natürlich auch als unkritisch. So habe ich einen Kommentar gefunden, der das auf den Punkt bringt und sicher für viele spricht: „Ich weiß nicht, wo hier das Problem liegen soll. Die oberen 10 % gehören (zu einem großen Teil) zu den Leistungsträgern unserer Gesellschaft. Das ist gelebter Kapitalismus!“ 12
Genau diesen Kommentar las ich zu einem Artikel in der Zeit Online. Der Kommentator hat natürlich absolut recht. Das ist gelebter Kapitalismus!
Wollen wir in einem solchen Kapitalismus leben?
Die Frage ist nur: Wollen wir in einem solchen Kapitalismus leben? Wollen wir in einem Wirtschaftssystem leben, in dem die „Leistungsträger“, die 10 % der Bevölkerung darstellen, 67 % des gesamten Vermögens besitzen? In einem kapitalistischen System, in dem die untere Hälfte nichts besitzt?
Das sind drastische Zahlen und ich habe sie auch bewusst dramatisch präsentiert. Bevor du aber jetzt voreilige Schlüsse ziehst und aufhörst dieses „kommunistische Manifest“ zu lesen: Dies ist kein kommunistisches Buch und auch kein sozialistisches.
Es ist ein kritisches Buch. Ablehnend gegenüber dem Kommunismus und ablehnend gegenüber dem Sozialismus. Es befürwortet den Kapitalismus und lehnt den Casinoskapitalismus ab. Verwirrt? Ich habe auch lange Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass es viele Arten des Kapitalismus gibt.
Kapitalismus ist nicht gleich Kapitalismus
Im Laufe der Jahrhunderte ist unsere gesellschaftliche und, damit einhergehend, unsere wirtschaftliche Ordnung entstanden. Die Menschheit hat sich von einfachen Menschen, die in Höhlen lebten, zu Menschen entwickelt, die bald per Rakete auf den Mars fliegen, mit autonomen Autos herumdüsen, mithilfe künstlicher Intelligenz Probleme lösen, Krankheiten bekämpfen und den eigenen Planeten zerstören.
Im Moment stehen wir jedoch an dem Punkt, an dem die Ungleichheit so groß ist, dass sie schon gefährlich wird. Wir stehen an dem Punkt, an dem die Ausbeutung der Natur so groß ist, dass es gefährlich wird.
Das wird immer weiter beschleunigt und wenn es uns nicht gelingt diese Trends zu stoppen und umzukehren, dann wird es böse enden. Das ist nicht nur meine Meinung, das ist die Meinung von sehr vielen.
Der Respektfilter
Was fehlt, ist ein Konzept. Ein einfaches Konzept, dem alle folgen können. Ein Konzept, welches leicht zu verstehen und jederzeit anwendbar ist. Dieses Buch zeigt dieses Konzept. Eigentum verpflichtet, ist eine Grundlage. Der Respekt vor anderen Menschen, der Respekt vor dem Tierwohl und der Respekt gegenüber der Natur ist die Formel, die jeder anwenden kann und sollte.
Das ist der Entscheidungsfilter für alle reichen Menschen, die sich fragen, was bedeutet „Eigentum verpflichtet“. Es ist aber auch der Entscheidungsfilter für alle anderen, die sich fragen, wie muss ich mich im täglichen Leben verhalten, was sollte ich tun und wo sind die Grenzen.
Das vorherrschende Konzept des immer freier agierenden Kapitalismus passt nicht durch diesen Filter, den ich den Respektfilter oder den Respektkompass nenne.
In einer Welt, in der ständig von respektlosen Menschen versucht wird, durch politische Einflussnahme mehr Profit zu machen, und durch Umgehungsmanöver Regeln gelockert und umgangen werden, wird die Ungleichheit größer und immer mehr Menschen wird es schlechter und schlechter gehen. Zwangsläufig.
Das war kriminell von Anfang an – Cum-Ex-Betrug
„Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der jeder jeden bescheißt?“, dies waren die Worte, die der Vorsitzende Richter in einem Prozess zu einem der größten Wirtschaftsskandale sprach, die Deutschland je erlebt hat. Der Betrugsskandal ist momentan am Köcheln, denn die Angeklagten beziehungsweise die Verurteilten im sogenannten Cum-Ex-Betrug haben ihr Recht auf Berufung in Anspruch genommen.
Roland Zickler ist einer der Richter, die kein Blatt vor den Mund nehmen. In einfachen Worten wusch er den Angeklagten den Kopf. Klar und deutlich waren seine Worte, auch wenn er immer versuchte alle Aspekte zu hören. Also auch die der Angeklagten.
Er fragte, vielleicht weil er es selbst nicht glauben konnte, bezüglich der Rolle der im Jahr 1798 gegründeten, angeblich „renommierten“ Bank M.M.Warburg & CO (AG & Co.) KGaA: „Und da kommen Sie hin und verkaufen denen den Griff in die Staatskasse, und da geht keinem von denen die Augen hoch?“ Der Angeklagte Frey antwortete: „Nein, es habe keine moralischen Skrupel gegeben, es sei immer nur um Gewinnmaximierung gegangen.“
Um mindestens 440 Millionen Euro wurde der Staat betrogen
Diese Gewinnmaximierung hat den Steuerzahler schlappe 440 Millionen gekostet. Mindestens. Das ist der Betrag, um den es bei diesem ersten Prozess seit dem September 2019 ging. Wie groß der gesamte Schaden durch diese – laut Richter Zickler – kriminellen Machenschaften ist, wird sich noch herausstellen. Im Moment sind 55 Milliarden, also 55 Tausend Millionen, identifiziert. Etwas mehr als „nur“ 400 Millionen!
Die Warburg Bank gibt sich indes weiterhin seriös. Auf der Webseite schreiben sie gleich ganz oben „Zuverlässigkeit ist eine der tragenden Säulen unseres Bankhauses. Sie ist die Grundlage für das gegenseitige Vertrauen zwischen Ihnen und uns als Ihrer Bank. Viele unserer Kunden sind bereits seit mehreren Generationen mit unserem Haus verbunden. In dieser dauerhaften und engen Verbundenheit kommt der Wert unserer Tradition ganz unmittelbar zum Ausdruck“. Und so weiter und so weiter. Bla bla bla …
Immerhin verwenden sie das Wort „renommiert“ nicht. Das hatte der Zeuge Frey immer wieder verwendet, bis dem Richter die Hutschnur hochging und er anordnete: „Je länger ich Ihnen zuhöre, umso größere Probleme habe ich mit dem Adjektiv ,renommiert‘ - Bitte verwenden Sie den Begriff sparsam“.
Scheinbar ist er der Meinung, dass Kriminelle nicht renommiert sein können und in unserer Gesellschaft keinen guten Ruf haben sollten. Ich werde auf diese großen Betrügereien der Turbokapitalisten weiter hinten im Buch noch genauer eingehen. Es wird um Millionen, Milliarden, ach was schreibe ich, es wird um Billionen, Millionen Milliarden Euro oder Dollar, Beträge mit 8 oder 9 Nullen gehen. Bleib am Ball, es wird spannend.
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