Joe Barry
Privatdetektiv Joe Barry
Jagd auf Unbekannt
SAGA Egmont
Privatdetektiv Joe Barry - Jagd auf Unbekannt
Copyright © 1960, 2017 Joe Barry Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711668962
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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Al Costello war nicht gerade in seiner besten Verfassung. Er fühlte es ganz deutlich. Wenn er es sich recht überlegte, hatte die Sache damit begonnen, daß ihm vor drei Monaten jemand die Faust in den Magen gebohrt hatte, als er nachts den Eve-Club verließ. Ein paar Tage später war ein Blumentopf um Haaresbreite neben ihm auf der Straße gelandet. Der Topf war aus dem vierten Stockwerk eines Hauses gefallen, das schon seit drei Jahren Unbewohnt war. Am selben Tag hatte dann die Lenkung seines Wagens versagt, als er die kurvenreiche Straße zu seinem Landhaus entlangfuhr. Der Wagen war eigentlich nichts mehr wert gewesen, und er selbst hatte drei Wochen in Gips gelegen. Als er das Krankenhaus verlassen hatte — diesmal war er vorsichtiger gewesen und hatte ein paar Männer der Werkspolizei zu seinem Schutz geholt — hatte jemand auf ihn geschossen. Die Kugel hatte zwar nicht ihn, dafür aber einen seiner Männer getroffen.
Das waren Beweise genug dafür, daß es jemand ziemlich hartnäckig auf Costello abgesehen hatte.
Die folgenden Wochen hatte er sich in seinem Landhaus eingeschlossen. Ein Mann bewachte den Eingang, zwei Männer mit Maschinenpistolen patrouillierten im Garten. Die Zufahrtsstraße wurde pausenlos kontrolliert. Nachts beleuchteten Scheinwerfer das Gelände. Im Garten liefen scharfe Hunde frei herum. Selbstschüsse sicherten den Park. Die elektrische Alarmanlage, die modernste ihrer Art, war Tag und Nacht eingeschaltet. Er hatte alle erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Trotzdem — fühlte er sich alles andere als sicher.
Dabei hatte er nicht die blasseste Ahnung, wer sein teuflischer Gegner sein konnte. Wenn man die größte Waffenfabrik in zweitausend Meilen Umkreis besaß und mehrfacher Millionär war, hatte man natürlich eine Menge Feinde. Aber solche Feindschaften gingen meist nicht so weit, daß man sich gegenseitig umzubringen versuchte.
Er hatte in letzter Zeit niemanden beleidigt wenigstens nicht über das übliche Maß hinaus — und die Zeiten, da er seinen Konkurrenten den Gashahn abdrehte, lagen zwanzig Jahre zurück. Er hatte erst im letzten Jahr fünftausend Dollar für die neue Schule von Captown gestiftet und sich eingebildet, ein angesehener Mann zu sein. In den letzten drei Monaten aber hatte diese Einbildung Schaden gelitten.
Mißmutig lehnte er im Schaukelstuhl und kaute auf einem Zigarrenstummel. Eine große Dogge lag vor ihm auf dem Boden und beobachtete jede seiner Bewegungen. Wenn er durch das Fenster blickte, konnte er den Mann sehen, der mit schußbereiter Maschinenpistole den Eingang bewachte. Weiß Gott, dachte er grimmig, er hatte vorgesorgt. Wenn die Burschen ihm immer noch an den Kragen wollten, sollten sie es nur versuchen. An ihm hatten sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen.
Eine graue, staubbedeckte Limousine tauchte auf der Landstraße auf und näherte sich in rascher Fahrt. Al Costello erhob sich lebhaft. Das mußte der Tennistrainer aus Captown sein.
Al war ein begeisterter Tennisspieler und hatte sich schon seit Tagen auf dieses Match gefreut. Der junge Mann, der in dem Wagen saß, war kein geringerer als Lucian Grey, einer der zehn besten Tennisspieler von Kalifornien. Die nächste Stunde würde Costello dreihundert Dollar kosten, aber das war sie ihm wert, Er hatte Grey noch nie gesehen, aber ein Freund hatte ihm Wunderdinge von ihm erzählt.
Ungeduldig wartete er, bis seine Leute den Mann auf Waffen untersucht hatten. Diese Prozedur mußte jeder, der ihn besuchen wollte, über sich ergehen lassen. Dann begrüßte er Lucian Grey.
„Die reinste Burg“, grinste der junge Mann und sah sich um. „Sieht so aus, als würde hier jeden Augenblick ein Krieg losgehen.“
„Wenn man alt wird, muß man vorsichtig sein“, sagte Costello. „Kommen Sie mit. Da drüben ist der Tennisplatz.“
Er führte Grey durch den Park zu dem durch alle Bäume vor der Sonne geschützten Tennisplatz.
„Ich habe extra zwanzig neue Bälle kommen lassen“, sagte Costello. „Dachte, mir ich wäre es Ihnen schuldig.“
„Da muß ich Sie enttäuschen“, gab Grey zurück und grinste bedauernd. „Ich bin vertraglich verpflichtet, immer nur eine bestimmte Marke zu spielen. Reklame, verstehen Sie? Wenn ich andere Bälle nehme, muß ich Konventionalstrafe bezahlen.“
Er hob einen Beutel mit neuen Tennisbällen hoch. „So vertragstreu? “ wunderte sich Costello. „Na schön, fangen wir an.“
Sie begannen zu spielen. Grey war mindestens zehn Klassen besser als Costello, aber er spielte sich auf den Millionär ein und placierte ihm die Bälle sehr leicht. Costello fühlte sich großartig. Er gewann die beiden ersten Sätze, und erst der dritte ging an Lucian Grey.
Es fiel ihm nicht auf, daß Grey immer drei Bälle behielt, die er nie ausspielte. Hätte er sich diese Bälle genau angesehen, dann hätte er einen weißen Ring entdeckt, der an ihnen befestigt war. Weil er es unterließ, war das Verhängnis nicht mehr aufzuhalten.
Grey ließ Costello wieder drei Sätze gewinnen, dann lag der Aufschlag bei ihm. Er nahm einen der Bälle mit dem Ring. Völlig konzentriert hob er den Schläger. Costello stand ihm sprungbereit gegenüber.
Mit dem Zeigefinger schnellte Grey den Ring heraus. Lautlos bewegten sich seine Lippen, als er langsam bis drei zählte. Dann ließ er einen Schmetterball los, der genau einen Meter vor Costello auf den roten Sand traf.
Costello war einen Schritt zur Seite gesprungen und hatte mit seinem Schläger ausgehoit. Aber er kam nicht mehr dazu, den Ball zurückzugeben.
Ein roter Blitz zuckte vor ihm auf. Die Explosion der Eierhandgranate pflügte einen Krater in die Erde und jagte eine Fontäne von rotem Sand in die Luft. Als die Erdbrocken wieder zurückprasselten, fielen sie auf den leblosen Körper des Millionärs.
Grey warf kaum einen Blick auf dieses Bild. Geduckt, in langen Sätzen, lief er durch den Park zum Parkplatz, wo sein Wagen stand. Eben bog, mit fassungslosem Gesicht, einer der Leibwächter um die Hausecke. Er kam nicht mehr dazu, seine Maschinenpistole in Anschlag zu bringen. Einer der weißen Tennisbälle flog auf ihn zu. Ein greller Blitz flammte auf und das Donnern einer zweiten Explosion zerriß die Mittagsstille.
Grey hechtete in seinen Wagen und ließ den Motor an. Der Kies spritzte hoch, als die Pneus sich durchdrehten und der Wagen davonschoß.
Neben dem großen Eingangstor stand ein weiterer Leibwächter Costellos mit einer Maschinenpistole. Die Kugeln prasselten wirkungslos gegen die gepanzerte Wagenfront und die schußsicheren Scheiben.
Im Vorbeifahren ließ Grey den dritten Tennisball durch das schräg gestellte kleine Vorderfenster des Wagens fallen. Sekundenbruchteile später krachte eine dritte Explosion. Grey warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel, dann trat er das Gaspedal durch.
In wenigen Minuten erreichte er die große Turnpike nach Norden. Zwanzig Minuten hatte er jetzt Zeit, denn solange dauerte es, um von Costellos Haus in die Stadt zu fahren und die Polizei zu alarmieren. Daß dies telefonisch nicht geschehen konnte, dafür hatte er gesorgt.
Zwanzig Minuten würden ihm genügen. Ihm hatte schon bedeutend weniger genügt.
Denn er war gar nicht Lucian Grey. Das echte Tennisas lag zwanzig Meilen von hier in einer Schlucht neben den Trümmern seines Wagens. In seiner Schläfe entdeckte der Polizeiarzt der von einem Touristen alarmierten Mordkommission ein etwa fünf Millimeter großes Loch. Vom Täter fehlte jede Spur.
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