Joe Barry
Privatdetektiv Joe Barry - Um Kopf und Kragen
Saga
Privatdetektiv Joe Barry - Um Kopf und Kragen Copyright © 1962, 2019 Joe Barry und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711669150
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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Daß ihm seine Lizenz abgenommen wurde, widerfuhr Jo Louis Walker schon wiederholt — zum ersten Male aber liegt die Begründung dafür in der ungeheuerlichen Anschuldigung, er habe einen Menschen hinterrücks erschossen. Es soll dies vor vier Jahren in Chikago geschehen sein. Trotz der Tatsache, daß ein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde, reist Kommissar X nach Chikago, um sich von diesem Verdacht zu reinigen und den wahren Mörder zu entlarven. Verbrecher jagend, ist Jo Walker dort selbst ein Gejagter. Wer bringt wen zur Strecke, und wird es Kommissar X gelingen, sich zu rehabilitieren . . . ?
Ted Mallory (45) —
Was er Jo Walker zu sagen hatte, wollte er ihm aus sehr verständlichen Gründen nur unter vier Augen mitteilen
Joan Wayne (32) —
Sie geriet beinahe unter die Räder, als sie Jos Bekanntschaft erzwingen wollte.
Joe McCormick (40) —
Er schwor Kommissar X blutige Rache, doch als er ihm begegnete, hatte er sich buchstäblich geschnitten
Langsam rollte der spinatgrüne SL durch das Häusermeer von Manhattan; Kommissar X hatte ausnahmsweise mal keine Eile.
Das Mädchen mit dem dunklen Haar neben ihm warf ihm einen schrägen Blick zu.
„Plötzlich so schweigsam, Jo?“
„Ich denke nach.“
Jo trat auf die Bremse und brachte den Wagen vor einer Ampel, die Rot zeigte, zum Stehen. „Ich versuche, herauszubekommen, aus welchem Grund Sie meine Bekanntschaft gesucht haben.“
„Ist das so schwer zu erraten, Jo?“ hauchte sie und warf ihm einen feurigen Blick zu. Aber er verfing nicht. Walker war mißtrauisch.
Es war Morgen gewesen. Jo hatte das Appartementhaus in Bronx, in dem er wohnte, verlassen, um für einen Kunden zur Auskunftei Weatherley zu fahren. An der Kreuzung Jerome Avenue—Gun Hill Road war ihm das Girl mit dem wasserstoffblonden Haar vor den Kühler gelaufen.
Er hatte gebremst, aber die Straße lag voller abgefallenem Staub. Die Feuchtigkeit des Nebels hatte es in einen schmierigen Morast verwandelt. Jo hatte nicht verhindern können, daß er das Girl leicht antippte. Seiner Meinung nach war der Stoß nicht der Rede wert gewesen, aber sie war sofort umgekippt.
Er sprang aus dem Wagen und kümmerte sich sofort um sie.
„Sind Sie verletzt?“
Sie warf ihm aus unschuldigen blauen Augen einen Blick zu, daß ihm schwül wurde, und seufzte: „Der Fuß. Ich fürchte, ich habe mir den Fuß verstaucht.“
Jo reagierte so, wie sie es vermutlieh erwartet hatte.
„Hier in der Nähe wohnt ein Arzt“, sagte er. „Ich bringe Sie hin.“
Er hätte sich denken können, daß die Fahrt vergeblich war. Als sie die Praxis erreichten, ging es dem Fuß schon viel besser. Der Arzt war plötzlich überflüssig. Sie wollte nach Hause. Nur konnte sie schlecht laufen. Ein neuer Blick traf Jo, und er biß an.
„Vielleicht kann ich Sie heimfahren, Miß . . .“
„Wayne, Joan Wayne Es ist wirklich reizend von Ihnem, sich so um mich zu kümmern.“
Es stellte sich heraus, daß Joan Wayne in Brooklyn wohnte.
Jo verkniff sich die naheliegende Frage, ob sie die Absicht gehabt habe, den Weg von Bronx nach Brooklyn zu Fuß zurückzulegen. Er kapitulierte und machte sich auf den Weg. Weatherley konnte warten.
Ungefähr vierzig Minuten fuhren sie zusammen durch die Stadt. Als Jo sich auf den Rückweg machte, hatten sie sich für den Abend verabredet. Sie kannte ein kleines Lokal bei Greenwich Village, das sich „Artist’s Plaza“ nannte, und sie wollte es Jo unbedingt zeigen.
Nun — sie hatten den Abend dort verbracht. Jo war weder ein Kostverächter noch hatte er etwas gegen dunkelhaarige Mädchen.
Was ihn im Verlaufe des Abends gestört hatte, war ein gewisser Widerspruch in ihrem Benehmen gewesen. Einmal war sie zielbewußt darauf ausgegangen, ihn für sich zu gewinnen — daran zweifelte Jo nicht mehr. Dann wieder hatte sie sich plötzlich sehr zurückgehalten.
So war es nur natürlich, daß er auf dem Heimweg ins Grübeln kam. Eine Lösung bot sich ihm an — doch sie schien reichlich überspitzt. Das Girl handelte nach einem Plan. Jo ertappte sich dabei, wie er darauf wartete, daß sie einen Revolver hervorholte und auf ihn schoß.
„Nun?“ fragte sie ungeduldig.
„Der Beruf verdirbt den Menschen“, gestand Jo. „Ich bin wahrscheinlich zu mißtrauisch.“
,,Das scheint mir auch so!“ Sie lachte hell auf, und Walker fühlte seinen Argwohn schwinden.
In Brooklyn umarmte sie ihn flüchtig, stieg aus und verschwand in dem Haus, in dem sie wohnte.
„Gute Heimfahrt!“ rief sie ihm noch zu. Achselzuckend schaltete Jo und wendete den SL.
Der Morgen graute bereits. Die Riesenstadt New York verlor den Glanz, den sie in der Nacht gehabt hatte. Das Licht eines nebligen, unfreundlichen Morgens zerstreute alle Illusionen.
Jo wählte den kürzesten Weg, der ihn zurück nach Bronx führte. Er fuhr die langgestreckte Hamilton Avenue hinunter und bog beim Hamilton Square in die Whitehaven Street ein. Bulldozer hatten die altersschwachen Häuser weggeräumt. Neue Wolkenkratzer wuchsen empor.
An einer Baustelle mußte Jo halten. Ein Kran war dabei, einen riesigen Safe in das oberste Stockwerk eines Hochhauses emporzuhieven. Jo stieg aus, um zuzusehen.
Der mächtige Geldschrank schwebte in etwa zehn Meter Höhe und wurde langsam in Richtung auf eine große Öffnung in der Hauswand zu bewegt. Es war ein faszinierendes Bild.
Ein Schuhputzer machte sich an Jo heran.
„Schuhputzen gefällig, Sir?“
Jo sah auf den Jungen herunter und nickte dann.
,,Okay, es ist nötig“, brummte er.
Der Jungen blickte immer noch zu Jo auf, und plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Seine Augen weiteten sich vor Schreck.
Instinktiv erfaßte Jo, was geschehen war. Er packte den Jungen an der Schulter und riß ihn zur Seite. Mit einem gewaltigen Sprung brachte er sich und den Schuhputzer in Deckung.
Gleich darauf bohrte sich wenige Meter neben ihm der schwere Safe mit gewaltigem Krachen in den Asphalt — genau dort, wo sie sich noch vor wenigen Sekunden befunden hatten.
Einen Augenblick war es in der Whitehaven Street totenstill. Dann brach der Tumult los.
„Ich sah, wie sich eines der beiden Seile, an denen der Safe hing, lokkerte“, berichtete der Schuhputzer den Polizisten. „Der Safe kippte um und hing einen Augenblick schräg in der Luft — genau über uns.“ Der Junge schlotterte noch an allen Gliedern. „Dieser Herr riß mich zur Seite. Gleich darauf krachte es.“
Jo Walker nickte.
„Genau so war es.“
Der Sergeant, der nach wenigen Minuten an die Unfallstelle gekommen war, schüttelte den Kopf.
„Mir scheint, daß einige Baubestimmungen nicht beachtet wurden. Wer hat hier die Aufsicht?“
Ein vierschrötiger Bauarbeiter, dem der Schreck noch vom Gesicht abzulesen war, trat aus dem Kreis der Neugierigen hervor.
„Ich bin der Vorarbeiter. Mir ist diese Geschichte völlig unerklärlich.“
„Aber sie ist geschehen“, sagte der Sergeant scharf. „Warum wurde das Gelände, über das der Safe geschwenkt wurde, nicht abgesperrt?“
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