Joe Barry
Privatdetektiv Joe Barry
Partnerschaft mit Unbekannt
SAGA Egmont
Privatdetektiv Joe Barry - Partnerschaft mit Unbekannt
Copyright © 1963, 2017 Joe Barry Lindhardt og Ringhof Forlag A/S
All rights reserved
ISBN: 9788711669068
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
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Nur wenig Leute auf dieser Welt sind zufrieden mit dem, was sie haben. Es gibt also eine Menge unzufriedene. Von dem Wunsch, mehr zu bekommen als man hat, lebt im Grunde die ganze moderne Industrie. Die meisten versuchen, ihr Los durch Arbeit zu verbessern. Ein kleiner Teil versucht es durch Ausflüge in das Randgebiet der Legalität. Ein noch kleinerer Teil überschreitet diese Grenze und beschäftigt ein ganzes Heer von Strafrichtern. Einige wenige schließlich gibt es, die zur Erreichung dieses Zieles vor keinem Mittel zurückschrekken. Das letzte, teuflischste Mittel ist: Mord.
Mit Recht verabscheut die Gesellschaft den Mörder und setzt alles daran, ihn zu fassen und unschädlich zu machen.
Auch unter Mördern gibt es Abstufungen. Es gibt den Mann, der im Affekt mordet; es gibt den Mann, der aus Angst zum Mörder wird. Und schließlich gibt es denjenigen, der der Gefährlichste von allen ist; denn er mordet mit kaltem Verstand.
*
Sophie Tucker war neunundvierzig, und das schon seit einigen Jahren. Ihr Gesicht glich einem gepuderten Plumpudding, und da, wo die Augen saßen, konnte man sich ohne weiteres zwei Kaviarkörnchen vorstellen. Wenn man bedenkt, daß Sophie Tucker seit ihrem achtzehnten Lebensjahr Dauergast in Ward’s Schönheitssalon in der Fifth Avenue war, konnte man sie nicht gerade als übermäßig hübsch bezeichnen. Es gab aber eine Kleinigkeit, die dieses Manko ausglich. Diese Kleinigkeit war ein ererbtes Vermögen von zwölf Millionen Dollar, überwiegend in mündelsicheren Wertpapieren, Aktien und Grundbesitz angelegt.
Sophie Tucker hatte ein bewegtes Leben und vier Ehemänner hinter sich. Der fünfte, den sie sich gerade zugelegt hatte, hieß Hemlock Shriver. Das Kapital, das er mit in die Ehe gebracht hatte, war die Fähigkeit, bedingungslos „ja“ zu sagen.
Da Hemlock aber in der letzten Zeit einigemale schüchterne Ansätze zu eigenen Ideen entwickelt hatte, tippte man in Kreisen der New Yorker Snobiety auf eine baldige Scheidung. Das einzig ernsthafte Hindernis schien zu sein, daß Ehemann Nummer sechs noch nicht in Aussicht war. Niemand drängte sich nach diesem Job; denn es hatte sich herumgesprochen, daß Sophie Tucker ihre Ehemänner kurzhielt.
Außerdem war sie zur Zeit mit dem beschäftigt, was sie gesellschaftliche Verpflichtungen nannte. Und das sah so aus:
Sie hatte im Shelton-Hotel in Atlantic City den großen Festsaal gemietet, dazu die Nebenräume, und auf handgeschöpftem Büttenpapier diejenigen eingeladen, die sie tout le monde nannte, zu deutsch: Leute mit Zaster.
Hemlock, der um zwölf Zentimeter kleinere Ehemann, saß mißmutig in ihrer Hotelsuite und beobachtete, wie seine Frau sich Creme in das Gesicht arbeitete. Hemlock hatte wenig Sinn für große Partys. Er zog einer Pokerrunde zu viert vor.
Immerhin verstand auch Hemlock, daß ein Vermögen von zwölf Millionen Dollar verpflichtete.
„Ich sehe durchaus ein, daß du deine Zerstreuung brauchst, Darling“, sagte er. „Aber war es notwendig, halb Amerika einzuladen? Millers kommen dazu extra aus Kalifornien, und Sam Houston kommt aus Texas. Er fliegt mit der Viermotorigen her.“
Sie überprüfte den Sitz ihrer Frisur.
„Miller sitzt in mindestens zwölf Aufsichtsräten, und Sam Houston kontrolliert das halbe Eisenbahnwesen im Land. Ich mußte ihn einfach einladen. Schließlich waren wir vor vierzehn Tagen erst in Acapulco. Von Houstons letzter Party schwärmt ganz Amerika.“
„Ja, und weil er dreihundert Gäste hatte, müssen wir jetzt fünfhundert einladen!“
„Warum nicht? Es gibt eben gewisse Verpflichtungen …“
Hemlock winkte ab.
„Ich weiß. Drei Nerzmäntel im Schrank, einen Cadillac vor der Tür und einen vergoldeten Nachttopf unter dem Bett.“
Sie sah ihn mißbilligend an.
„Hemlock, du bist ordinär!“
„Vielleicht liegt’s daran, daß ich keine Gouvernante hatte als ich ein Knabe war“, gab er bissig zurück. „Das ändert nichts daran, daß mir diese ewigen Feste allmählich zum Hals heraushängen.“
Sie besprühte sich mit einer Duftwolke.
„Ich habe für eine runde halbe Million Dollar Schmuck. Wann soll ich das Zeug denn tragen? Vielleicht im Erfrischungsraum von Woolworth? Oder soll ich’s im Panzerschrank liegenlassen? Das würde dem Zeug nicht gut bekommen. Perlen verlieren den Glanz, wenn man sie nicht trägt.“
„Du kannst den Kram meinetwegen im Bett tragen! Aber nein, die Leute sollen es sehen und sagen: Sophie Tukkers Diamanten sind viel, viel schöner als die von Clara Houston. Und die gute Clara wird vor Wut platzen. Ihr Weiber seid doch alle gleich!“
Sie richtete sich wütend auf.
„Hemlock, deine Ausdrucksweise ist empörend! Du kannst eben nicht leugnen, daß du aus den East Fifties stammst, mit einem Alkoholiker als Vater und einer, Gott weiß was, als Mutter.“
„Immerhin gab’s in meiner Familie keinen, der dadurch reich geworden ist, daß er für arme Einwanderer Slumviertel gebaut und ihnen die letzten Nickel aus der Tasche gezogen hat.“
„Hemlock!“
Er fuhr herum.
„Oh, verdammt.“ Erst jetzt sah er, daß sie nicht allein im Raum waren. Der Hoteldirektor stand im Vorzimmer. Er hatte mehrmals geklopft, und da das Klopfen überhört worden war, war er eingetreten.
Der Mann strich sich über den ergrauten Maurice-Chevalier-Kopf.
„Verzeihung, Sir“, sagte er. „Ich habe mehrmals geklopft. Mrs. Tucker hat uns für acht Uhr bestellt.“
„Was, zum Teufel, wollen Sie?“ schnaubte Hemlock wütend.
Sophie schwebte an ihm vorbei — in einem Traum aus gelber Seide und blauen Spitzen.
„Ich hatte vergessen, es dir zu sagen, Darling. Die Gentlemen bringen meinen Schmuck. Er wird heute den ganzen Abend von zwei Detektiven bewacht. Ist das nicht aufregend?“
„Wahnsinnig komisch“, knurrte Hemlock.
Der Direktor trat einen Schritt zur Seite. Er wußte, wer hier den Ton angab. Und über Hemlock hatte er seine eigene Meinung, seit er beobachtet hatte, daß Hemlock einem Dutzend Austern mit Messer und Gabel zu Leibe gerückt war.
Hinter der geschniegelten Fassade des Hoteldirektors tauchten jetzt zwei breitschultrige Gestalten auf, die einander glichen wie ein Ei dem anderen.
Obwohl sie ihre massigen Figuren in Smokings gezwängt hatten, sah man ihnen an, daß sie nicht zum Zehnmillionen-Klub gehörten.
Es waren die Detektive. Beide hatten eine verdächtig aussehende Wölbung unter der linken Achsel. Einer stellte jetzt vorsichtig ein Köfferchen auf den Tisch.
„Das sind Mr. Johns und Mr. Bulgar“, sagte der Direktor. „Beide arbeiten schon seit mehr als zehn Jahren im Haus. Sie sind absolut zuverlässig.
„Sehr erfreut“, schnurrte Mrs. Tucker. „Ich glaube nicht, daß jetzt noch jemand auf den Gedanken kommt, meine Glitzersteinchen zu stehlen.“
Der Koffer wurde feierlich geöffnet. Was ihnen entgegenstrahlte, war märchenhaft. Es waren nur wenige Einzelstücke, aber es war keines darunter, das weniger als hunderttausend Dollar wert war. Das meiste stammte von Tiffany in New York, dem berühmtesten Juwelier des Landes.
Sophie Tucker hatte durchaus Geschmack, aber sie fühlte sich nicht angezogen, wenn nicht an jedem Ohrläppchen etwas Taubeneigroßes funkelte. Um den Hals gedachte sie ein Perlenkollier zu legen. Der Name Tucker bürgte dafür, daß keine einzige Zuchtperle darunter war. Alles war echt. Rötliche, besonders auserlesene Perlen. Und da Sophie einen beträchtlichen Halsumfang hatte, war in das Kollier ein Dutzend Perlen mehr als üblich verarbeitet worden.
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