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Der Vorfall erregte in ganz Kalifornien Aufsehen, aber vermutlich wäre er nie bis nach New York gedrungen, hätten sich nicht in den nächsten Wochen verschiedene Attentate abgespielt, die auf einen gewissen Zusammenhang schließen ließen und den internationalen Polizeiapparat auf Hochtouren brachten.
In Hoyo de Manzanares, unweit von Madrid, legte eine gewaltige Explosion den größten Teil der dortigen Waffenfabrik in Schutt und Asche. Und als man Señor Prado, dem Eigentümer der Fabrik, diese Nachricht telefonisch übermitteln wollte, explodierte das Telefon in dem Augenblick, als Prado den Hörer abnahm.
In Tishi, einer kleiner Stadt in der Nähe von Tokio, fand man James Reston, den Inhaber einer Fabrik, die Jagdwaffen und Jagdmunition herstellte, mit einem Messer in der Kehle auf.
Als Jack Kihalny das chemische Labor seiner Waffenfabrik in Queenstown in Australien betrat, kippte aus ungeklärten Gründen ein riesiger Behälter mit Schwefelsäure um. Die Säure ergoß sich über den Fabrikbesitzer, der innerhalb weniger Minuten seinen Verletzungen erlag.
Den Höhepunkt dieser im Abstand von jeweils zwei Wochen stattfindenden Anschläge gab es jedoch in New York.
Charles O’Brien, Alleininhaber der O’Brien-Waffenwerke und ihrer beider chemischen Tochtergesellschaften, fuhr gegen sechs Uhr abends in seinem Cadillac vom Verwaltungsgebäude des Werks nach Hause. An der Stadtgrenze von New York löste sich ein grauer Chevrolet, der schon einige Zeit dem Wagen O’Briens gefolgt war, aus der Autoschlange und setzte zum Überholen an.
Als die beiden Wagen auf gleicher Höhe waren, hoben zwei Männer in dem Chevrolet Maschinenpistolen und begannen, in den Wagen des Millionärs zu feuern.
Der Fahrer war sofort tot. O’Brien erwischte einen Streifschuß und ließ sich geistesgegenwärtig zu Boden fallen. Im nächsten Augenblick krachte der Cadillac über die Böschung, während der Chevrolet mit hoher Geschwindigkeit in einer Seitenstraße verschwand.
Obwohl die Polizei fünf Minuten später die Verfolgung aufnahm, war von dem grauen Chevrolet nicht die geringste Spur zu entdecken.
O’Brien lag zwei Wochen im Bett, dann konnte er wieder klar denken und wählte die Telefonnummer von Joe Barry.
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Privatdetektiv Joe Barry war über die bisherigen Ereignisse durchaus informiert. Nicht nur, daß alle Zeitungen davon voll gewesen waren, er hatte sich auch privat für die Dinge interessiert und war bereits zu einigen Schlußfolgerungen gekommen. Daß er allerdings unmittelbar mit dem Fall zu tun bekommen würde, hatte er nicht erwartet.
O’Brien trug noch einen dicken weißen Verband um die Stirn, als er Barry in seinem Büro im sechsundzwanzigsten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes der O’Brien-Waffenwerke empfing.
„Ich höre, Mr. O’Brien“, forderte er sein Gegenüber zum Sprechen auf.
„Ich denke“, begann der Waffen-händler zögernd, „Ihnen ist bekannt, daß in den letzten Wochen auf einige Waffenfabrikanten Attentate verübt wurden. Diese Männer sind alle Freunde von mir gewesen. Nach dem Attentat auf mich muß ich annehmen, daß man mich auch umbringen will.“
„Und was soll ich tun? “ fragte Joe.
„Sie sollen herausfinden, wer hinter diesen Verbrechen steckt, bevor es für mich zu spät ist.“
O’Brien war ein dicker, glatzköpfiger Mann. Er hatte ein massiges, faltenloses Gesicht und kleine Augen, die in Fettpolster eingebettet waren. Joe gestand sich ein, daß er schon sympathischere Auftraggeber gehabt hatte.
„Das wird nicht billig“, sagte er zögernd, „Diese Attentate wurden in aller Welt verübt. Das bedeutet Reisespesen, die den üblichen Satz erheblich überschreiten werden.“
„Ich zahle Ihnen pro Woche zehntausend Dollar“, sagte O’Brien gelassen. „Damit werden Sie auskommen. Hier ist Ihr Scheck.“ Er schob Barry den bereits ausgefertigten Scheck über den Tisch.
„Okay“, sagte Joe und schob den Scheck in die Tasche.
„Und nun erzählen Sie mir, in welchem Verhältnis Sie zu den Leuten standen, die in den vergangenen Wochen so bestialisch ermordet wurden.“
„Es waren, wie gesagt, gute Freunde von mir“, erklärte O’Brien. „Schließlich waren wir Kollegen.“
„Und sonst nichts? “ forschte Joe. „Immerhin ist es merkwürdig, daß jemand offenbar darauf aus ist, die bedeutendsten Waffenproduzenten der Erde umzubringen.“
O’Brien lächelte schwach.
„Diese Frage hatte ich erwartet, Mr. Barry. Ich habe keine andere Erklärung, als daß es sich um einen Wahnsinnigen handeln muß. Ich würde das Ganze noch verstehen, wenn wir Kriegswaffen herstellen würden, aber das ist nicht der Fall. Wir stellen ausschließlich Jagd- und Sportwaffen her.“
„Und davon wird man so reich? “ fragte Joe trocken.
O’Brien drückte auf einen Knopf auf seinem Schreibtisch.
„Ich habe Ihnen eine Aufstellung unseres Produktionsprogramms anfertigen lassen“, sagte er. „Daraus können Sie ersehen, wie unsere geschäftlichen Beziehungen waren. Costello besaß zum Beispiel ein paar Anteile von meinen Fabriken und Prado war Teilhaber von Kihalny in Queenstown. Sonst hatten wir nicht mehr miteinander zu tun, als daß wir uns gelegentlich besuchten.“
Die Tür öffnete sich, und eine Sekretärin erschien mit einer Aktenmappe. Joe stellte fest, daß sie eine vollkommenere Figur hatte als manches Mannequin von Dior. Für einen Augenblick vergaß er, weshalb er hier war.
„Geben Sie her, Miß Carell“, brummte O’Brien, nahm ihr die Aktenmappe ab und reichte sie Joe. Dann stand er auf.
„Lesen Sie sich das durch. Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, wenden Sie sich an mich.“
Er brachte Barry zur Tür.
„Wieviel Zeit werden Sie brauchen, um der Sache auf den Grund zu kommen, Mr. Barry? “ erkundigte er sich besorgt. „Ich möchte nämlich das Schicksal meiner bedauernswerten Kollegen nicht gern teilen.“
„Das ist schwer zu sagen“, erwiderte Joe und sah an O’Brien vorbei zu Miß Carell, die neben der Tür stand. „Ich hoffe, bald Erfolg zu haben.“
Er ließ offen, was er damit meinte.
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Jo warf die Aktenmappe in den Wagen, nachdem er die darin befindlichen Papiere kurz durchgeblättert hatte. Was in den Unterlagen stand, interessierte ihn weniger als alles, was nicht darin vermerkt war.
Daß O’Brien und seine Freunde nicht nur Schrotmunition und Luftpistolen herstellten, war ihm völlig klar. Es war aber für seine Ermittlungen wichtig zu erfahren, wohin die Kriegswaffen geliefert wurden, falls man welche produzierte.
Lieutenant Starr von der Citizen Police würde vielleicht mehr darüber wissen. Deshalb fuhr Joe sofort zu ihm.
„Was, gibt’s, altes Nashorn? “ rief ihm Starr entgegen, als er sein Büro betrat. „Bist du wieder hinter einer scharfen Sache her? “
„Es sieht so aus“, gab Joe zurück und schob den Hut in den Nacken. „Ich überlege gerade, in welchem Land dieser schönen Erde zur Zeit eine Revolution im Gange ist.“
„Hier war in letzter Zeit alles ruhig“, erklärte Tom und sah zum Fenster hinaus. „Die Leute benehmen sich ganz normal. Das kann sich natürlich ändern. Vielleicht sollten wir vorsichtshalber den Ausnahmezustand ausrufen. Soll ich gleich den Gouverneur anrufen?“
Jo wedelte sich mit Starrs Lineal Kühlung zu, denn es war ziemlich schwül an diesem Augusttag.
„Scherz beiseite“, sagte er. „Ich spreche von der Attentatsserie auf einige Waffenfabrikanten. Du weißt bestimmt mehr über den Fall als ich.“
Starr beugte sich vor.
„Sieh mal einer an! Jetzt hängst du auch noch in der Sache drin. Eins kann ich dir sagen: Mit deiner Automatic kommst du da nicht durch. Ich würde dir empfehlen, immer einige Bazookas bei dir zu haben.“
Jo brannte sich eine Chesterfield an und wartete, bis der Captain zur Sache kam.
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