Ferner müsste der eingetretene Erfolg kausal auf der Handlung beruhen, die Handlung müsste also ursächlich für den Erfolg gewesen sein. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Handlung kausal für den Erfolg, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele („conditio-sine-qua-non“-Formel). 4Zunächst ist nach dem Sachverhalt mit großer Sicherheit festzustellen, dass C, würde man den Faustschlag hinwegdenken, seinen Urlaubsflieger bekommen hätte. So wie alle anderen Insassen wäre höchstwahrscheinlich auch er bei dem Unfall verletzt worden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Kausalität ausscheidet. Durch das Hinwegdenken des Faustschlags würde nämlich der Erfolg in seiner konkreten Gestalt, also die Verletzung durch einen Faustschlag, durchaus entfallen. Die Handlung war also kausal für den konkreten Verletzungserfolg.
Schließlich muss S der Erfolg auch objektiv zuzurechnen sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen hat, das sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat. 5S hat mit seinem Schlag ein missbilligtes Verletzungsrisiko geschaffen. Dieses hat sich konkret im Nasenbeinbruch niedergeschlagen. Demnach muss sich S diesen Erfolg auch objektiv zurechnen lassen.
Somit ist der objektive Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB erfüllt.
Klausurhinweis: Sowohl die Kausalität als auch die objektive Zurechnung sollten nur dann genauer behandelt werden, wenn der Sachverhalt diesbezügliche Probleme beinhaltet.
2. Subjektiver Tatbestand
S müsste auch den subjektiven Tatbestand erfüllt haben, er müsste also vorsätzlich gehandelt haben. Unter Vorsatz versteht man das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. 6Im vorliegenden Fall hat S absichtlich, also mit direktem Vorsatz ersten Grades, C mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er hatte Vorsatz, C zu verletzen, und hat somit den subjektiven Tatbestand erfüllt.
Klausurhinweis: Der Vorsatz muss sich auf den gesamten objektiven Tatbestand beziehen. Regelmäßig genügt es bei Erfolgsdelikten jedoch festzustellen, dass Vorsatz bezüglich des Taterfolges, hier also der Verletzung eines anderen Menschen vorliegt. Möglich ist auch, auf die Feststellung der genauen Vorsatzform zu verzichten, da in der Regel das Gesetz keinen Unterschied zwischen den einzelnen Vorsatzformen macht.
Da keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind, handelte S auch rechtswidrig.
Auch Entschuldigungsgründe kommen vorliegend nicht in Betracht. S handelte folglich auch schuldhaft.
Klausurhinweis: Sofern Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe offensichtlich von vornherein ausscheiden, bieten sich für Rechtswidrigkeit und Schuld solche kurzen feststellenden Sätze an. Anderenfalls sind Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe, die nicht abwegig sind, anzuprüfen und ggf. an der passenden Prüfungsstelle abzulehnen.
Klausurhinweis: Sofern nicht konkrete Hinweise im Sachverhalt etwas anderes besagen, kann davon ausgegangen werden, dass an der Schuldfähigkeit eines Täters keine Zweifel bestehen.
Somit hat sich S durch seinen Faustschlag gegenüber C wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Klausurhinweis: Es könnte noch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB um ein (relatives) Antragsdelikt handelt, § 230 StGB. Ein entsprechender Antrag kann nach der Aufgabenstellung jedoch vorausgesetzt werden. Zudem würde ein fehlender Strafantrag nicht die Frage der Strafbarkeit betreffen, sondern die der Strafverfolgung.
Olaf (O) ist wütend auf Theo (T), da dieser am letzten Wochenende auf einer Party einen Witz auf seine Kosten gemacht hat, über den alle herzlich gelacht haben. Als er T eine Woche später zur Rede stellt, ergibt sich ein hitziges Streitgespräch, infolge dessen T plötzlich ausrastet und O von vorne am Hals packt, gegen die Wand drückt und würgt. O, der kaum mehr Luft bekommt, versucht, um der brenzligen Lage zu entkommen, mit mehreren Tritten T im Unterleib zu treffen. Um nicht einen solchen Tritt abzubekommen, versetzt T dem O nun einen heftigen Faustschlag gegen die Schläfe. Dabei weiß er, dass die Möglichkeit besteht, dass ein solcher Faustschlag gegen die Schläfe tödlich sein kann. Dennoch findet er sich mit diesem Risiko ab. Schwer getroffen sinkt O zu Boden und erleidet ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, an dem er kurze Zeit später auch stirbt.
Prüfen Sie gutachterlich die Strafbarkeit des T durch den tödlichen Faustschlag. § 211 StGB ist nicht zu prüfen.
Lösungsskizze
Strafbarkeit des T nach § 212 Abs. 1 StGB?
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Handlung (+)
b) Erfolg: Tod eines anderen Menschen (+)
c) Kausalität (+)
d) Objektive Zurechnung (+)
2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz (+)
II. Rechtswidrigkeit
Notwehr für T gemäß § 32 StGB?
a) Angriff (+)
b) Gegenwärtig (+)
c) Rechtswidrig
Notwehr für O gemäß § 32 StGB?
aa) Notwehrlage
(1) Angriff (+)
(2) Gegenwärtig (+)
(3) Rechtswidrig (+)
bb) Notwehrhandlung
(1) Verteidigung (+)
(2) Erforderlichkeit (+)
(3) Gebotenheit (+)
cc) Subjektives Rechtfertigungselement (+)
Zwischenergebnis 1: Notwehr für O gemäß § 32 StGB (+)
Zwischenergebnis 2: Notwehr für T gemäß § 32 StGB (–)
III. Schuld (+)
Ergebnis: Strafbarkeit nach § 212 Abs. 1 StGB (+)
Ausformulierte Lösung
T könnte sich wegen Totschlags gemäß § 212 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er O einen Faustschlag gegen die Schläfe verpasste.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
Fraglich ist, ob der objektive Tatbestand erfüllt ist.
Die Handlung liegt in dem Schlag mit der Faust gegen die Schläfe.
b) Erfolg: Tod eines Menschen
O ist tot.
Klausurhinweis: Selbstverständlich ließe sich auch eine Definition für das Tatbestandsmerkmal „Tod eines Menschen“ finden (z. B. Ein Mensch ist tot, wenn lebensnotwendige Körperfunktionen unwiderruflich erloschen sind). Da sich dieses Tatbestandsmerkmal aber in aller Regel unproblematisch bereits aus dem Sachverhalt ergibt, sollte hier lediglich eine ganz kurze Feststellung erfolgen, die auch keiner weiteren Begründung bedarf.
Fraglich ist, ob die Handlung des T kausal für den Erfolg war. Eine Handlung ist kausal für den Erfolg, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele („conditio-sine-qua-non“-Formel). 7Der Schlag des T mit der Faust gegen die Schläfe von O kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass das tödliche Schädel-Hirn-Trauma des O entfiele. Folglich war die Handlung des T kausal für den Tod des O.
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