Ihr Vater seufzte und nickte dann widerstrebend. »Ok, aber beeilt euch.«
»Wenn ich Glück hab, ist sie dann schon weg«, murmelte Lenka, aber so, dass ihr Vater es nicht mehr hören konnte. Der war schon auf dem Weg zum alten Portiershaus, in dem er mit seiner Tochter seit einiger Zeit wohnte. Lenkas Mutter kannte Malu gar nicht, die war vor über einem Jahr nach Spanien gezogen. Letzten Herbst war Lenka für ein paar Wochen dort gewesen, aber scheinbar hatten sich die beiden nicht sonderlich gut verstanden. Ihre Großcousine war zurück nach Schloss Funkelfeld gekommen (nicht gerade ein Anlass zur Freude!) und seitdem war sie nicht mehr ganz so zickig, das musste sogar Malu zugeben.
»Ich frag Edgar, ob ich Rocko nehmen darf.« Lenka flitzte in den Stall zurück, bevor Malu noch etwas sagen konnte.
Jetzt erst wurde ihr klar, was sie sich mit ihrem Nicken eingebrockt hatte: Lenka würde mit auf den Ausritt kommen. (Wie doof war sie eigentlich?!)
Missmutig holte Malu Sattel und Zaumzeug und ging damit zu Schneechen zurück. Sie könnte ja einfach schon mal losreiten, aber das kam ihr dann doch zu gemein vor. Also hockte sie sich auf den Zaun und streichelte Schneechen, während sie warteten.
Wenig später hielt Lenka auf Rocko neben der Schimmelstute. »Wohin reiten wir denn?«
»Ich dachte, du wüsstest das, schließlich haben wir doch was Dringendes zu erledigen«, grinste Malu, während sie aufsaß. (Oh Gott, sie hatte wirklich ihre Cousine angegrinst!)
Lenka grinste zurück. »Stimmt, hab aber ganz vergessen, was es war.«
Malu tastete noch mal nach dem Fernglas in der kleinen Satteltasche. Alles da, auch eine Flasche Wasser war mit dabei. Die würde sie auf jeden Fall brauchen, es war schon jetzt unerträglich heiß, obwohl es noch nicht mal Mittag war.
»Los geht’s.« Malu gab Schneechen das Zeichen zum Aufbruch. Sie überlegte, ob sie Lenka fragen sollte, warum sie gerade unbedingt weg von zuhause wollte. Hatte Arno vielleicht eine neue Freundin, die Lenka nicht mochte? Aber irgendwie konnte sie sich nicht dazu überwinden, sie hatte mit Lenka noch nie über etwas Persönliches gesprochen. Vielleicht würde sie es ja beim Ausritt von selbst erzählen.
Die Mädchen überquerten die Schlossbrücke und bogen ein Stück weiter in den Waldweg ein, der um den Funkelsee herumführte. Diesen Weg kannte Schneechen nur allzu gut, denn hier ging es zu ihrem ehemaligen Zuhause, dem Hof vom alten Stumpe. Von dort war die Insel nicht weit entfernt und wenn Malu Glück hatte, dann konnte sie vom Ufer aus die Araberherde sehen – natürlich nur, wenn die sich zufällig auf einer Wiese in Seenähe aufhielt.
Ob sie Lenka sagen sollte, was sie vorhatte? Sie warf einen unauffälligen Seitenblick auf ihre Cousine (Großcousine!) Lieber nicht, entschied Malu. Sie würde einfach so tun, als ob sie Vögel beobachten wollte.
Wenigstens war es hier im Wald nicht ganz so heiß, wie auf freiem Feld, die dichten Bäume hielten die Sonnenstrahlen zurück. Trotzdem war Malus T-Shirt nach einer halben Stunde klitschnass. Lenka ging es nicht besser. Sie tranken die Hälfte der Wasserflasche (Ja, sie gab Lenka etwas ab, sie war ja kein Unmensch!), dann erreichten sie endlich den See. Der Wasserspiegel war bestimmt um einen ganzen Meter abgesunken. Wenn es weiterhin so heiß blieb, würde der See noch komplett austrocknen und die Insel wäre mit einem Mal zu Fuß erreichbar.
Trotzdem genoss Malu den Anblick des funkelnden Wassers in der Sonne und mittendrin die Pferdeinsel, mit der sie inzwischen einige Abenteuer verband. Schon wieder spürte sie den Ärger auf ihre Mutter und Gesine. Die beiden waren schließlich schuld, dass sie die Insel diesen Sommer nicht betreten durfte. Dann dachte sie an diese merkwürdigen Geräusche der letzten Nacht (oder hatte sie das vielleicht tatsächlich nur geträumt?). Jetzt hier in der warmen Sonne kam ihr das Ganze doch ziemlich unwirklich vor.
Malu räusperte sich und zog das Fernglas aus der Tasche. »Hier soll es ein paar absolut seltene Vogelarten geben. Den Rotkopfspecht zum Beispiel.« Mit dem Fernglas vor Augen suchte sie die Bäume ab und schwenkte ganz langsam zur Insel herüber. Aber so sehr sie sich bemühte, von den Arabern war nicht einmal eine Schweifspitze zu sehen. Als sie neben sich ein leises Kichern hörte, ließ sie das Fernglas sinken und warf einen Seitenblick auf Lenka.
»Kannst du was von den Pferden sehen?«, fragte das blonde Mädchen. »Ich würde zu gerne auch mal einen Blick auf die Araber werfen. Mein Vater sagt, die sind ein Vermögen wert.«
Leugnen war wohl zwecklos. Also setzte Malu das Fernglas erneut an. »Bis jetzt nicht «, murmelte sie. Doch was war das?
»Und, siehst du was?«, fragte Lenka aufgeregt.
»Da schwimmt jemand zur Insel.« Malu drehte an dem kleinen Rädchen, um das Bild schärfer zu stellen, aber sie konnte nur einen schwarzen Schopf knapp über dem Wasser erkennen. Vincent? Aber warum sollte der zur Insel schwimmen?
»Gib mal her«, forderte Lenka und suchte dann den See ab. »Tatsächlich, da schwimmt jemand. Und jetzt steht er im Wasser. Das ist ja echt ganz schön flach geworden. Nein, jetzt dreht er um«, kommentierte sie. »Da hinten am Ufer sind noch zwei Leute. Sind die nicht auch Gäste bei uns?« Sie gab Malu das Fernglas zurück.
Malu versuchte das bei uns zu ignorieren. Für sie gehörten Lenka und ihr Vater nicht dazu. Nicht nach alldem, was die beiden der Familie fast angetan hätten. Aber ihre Cousine hatte recht: Auf der Landzunge ein paar hundert Meter weiter standen die Kamparis. Ihre Pferde grasten auf dem Uferstreifen und sie hatten eine Kamera mit einem Stativ aufgebaut. Ob sie dort für Filmaufnahmen probten? Lea wäre begeistert!
»Was machen die da?«, fragte Lenka.
Malu lachte. »Frag am besten Lea, die kann es dir in allen Einzelheiten erzählen.« In diesem Moment richtete Thorwald Kampari die Kamera in ihre Richtung und Malu war klar, dass er sie jetzt genauso deutlich sehen konnte, wie sie ihn. Ertappt riss sie das Fernglas herunter und wandte sich um. »Lass uns nach Hause reiten«, sagte sie schnell und hoffte, dass Lenka es auf die Hitze schieben würde, dass ihr Kopf so rot angelaufen war.
Als sie zurück auf den Pfad kamen, drehte Lenka sich im Sattel zu ihr um. »Du hattest übrigens recht, es gibt hier wirklich Rotkopfspechte.«
Malu streckte ihr die Zunge raus, musste aber trotzdem kichern. Oha, ihre Cousine hatte sogar neuerdings Humor.
Malus Handy klingelte.
Als sie dranging, meldete sich ihre Mutter mit unverhohlener Wut in der Stimme. »Malu, komm bitte sofort nach Hause!«
Was war jetzt wieder passiert?
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