Malu grinste. Es war so schön, dass Lea kam. Die nächsten zwei Wochen waren auf jeden Fall gerettet.
Leises Surren - Lea:
Bin da! 
Die große Holztür öffnete sich und ihre Freundin stürmte herein. Als sie vor Malu stand, riss sie ihre riesige Sonnenbrille herunter und lehnte sich über den Tresen. »Weißt du, wer da draußen steht?«, fragte sie ganz außer Atem.
»Äh ... Moment ...« Malu blätterte schnell im Empfangsbuch. »Thorwald und Jelena Kampari.«
Lea tippte sich an die Stirn. »Klar, Kampari, von wegen. Das ist doch nicht deren richtiger Name, die sind inkognito hier!«
»Wer soll das denn –«
Die Tür öffnete sich erneut und Edgar trat in die Halle. Hinter ihm folgten ein Mann und eine Frau, beide mit dunklen Sonnenbrillen und jeweils einer schwarzen Reisetasche in der Hand. Der Mann hatte kurze, dunkle Haare, einen ordentlich gestutzten Bart und wirkte ziemlich muskulös. Die Frau hatte ihre langen hellblonden Haare zu einem Dutt zusammengezwirbelt, sie war groß und schmal und schien ebenfalls ziemlich durchtrainiert zu sein. Die beiden sahen ein bisschen so aus, als ob sie einem Fitnessmagazin entsprungen wären.
Lea war um den Tresen herum zu Malu gegangen und zupfte ihrer Freundin von hinten an der Bluse. »Siehst du?«, zischte sie. »Erkennst du sie?«
Malu versuchte ihre Freundin zu ignorieren und sich auf ihren Job zu konzentrieren. »Herr und Frau Kampari? Herzlich willkommen bei uns im Reithotel Funkelfeld.« Sie lächelte das Ehepaar so freundlich an, wie man es eben kann, wenn einem die beste Freundin gerade ins Ohr quietscht.
Frau Kampari stellte ihre Tasche ab und schob die Sonnenbrille auf die Stirn. »Hallo, das ist ja wunderbar kühl hier bei Ihnen.«
Malu musste sich ein Grinsen verkneifen. Sie war noch nie von jemandem gesiezt worden.
»Hoffentlich sind die Zimmer genauso angenehm temperiert«, ließ sich Herr Kamparis dunkle Stimme vernehmen.
»Na ja, leider ist es in den oberen Stockwerken schon etwas wärmer.« Malu zuckte entschuldigend die Schultern und drehte sich zur Schlüsselwand. Dort nahm sie die Nummer fünf vom Haken und schob sie über den Tresen. »Wir haben Zimmer fünf für Sie vorbereitet.«
Edgar räusperte sich. »Sollen Ihre Pferde in den Stall oder auf die Weide gebracht werden?«
»Oh«, die Frau griff nach dem Schlüssel und drehte sich zu Edgar um, »da kommen wir besser mit, nicht wahr, Thorwald? Dann können Sie uns gleich mal den Stall und das Gelände zeigen.«
Herr Kampari nickte. Er hatte immer noch seine Sonnenbrille auf und Malu war sicher, dass er damit in der Halle nicht viel sehen konnte.
»Ich bringe Ihre Taschen dann schon mal nach oben«, schlug Malu vor. »Dann können Sie sich in Ruhe um Ihre Pferde kümmern.«
Frau Kampari sah ihren Mann etwas unentschlossen an. Der nickte zwar, stellte seine Tasche dennoch widerstrebend ab.
Als Edgar mit den beiden verschwunden war, atmete Malu erleichtert auf. »Und, wie war ich?«, fragte sie ihre Freundin und breitete theatralisch die Arme aus, als würde sie tosenden Applaus erwarten.
»Wahnsinn, wie du da so cool bleiben kannst«, hauchte Lea und schlug die Hände zusammen. »Ich wäre gestorben an deiner Stelle!«
»So schwer war das nun auch wieder nicht«, beschwichtigte Malu. »Ich hab doch nur –«
»Du hast sie gar nicht erkannt, oder?« Lea grinste.
»Nun sag schon, wer sind die zwei denn jetzt?«
Lea senkte ihre Stimme noch mehr. »Das ist Danni Morilla.« Sie sah Malu mit großen Augen an.
»Danni wer?«
»Danni Morilla!«
»Kenn ich nicht«, sagte Malu. »Und warum sollte diese Danni sich mit falschem Namen bei uns anmelden?«
Lea verdrehte die Augen. »Das ist doch nur Tarnung. Danni Morilla spielt doch die Hauptrolle in Zusammen für alle Zeiten. Und wenn jeder wüsste, dass sie sich bei euch aufhält, dann würde es hier ja bald vor Paparazzi nur so wimmeln.«
Malu war davon nicht wirklich überzeugt. Aber ganz egal, wie die Leute hießen, sie musste jetzt diese Taschen nach oben verfrachten.
»Komm, fass mal mit an«, sagte Malu und deutete auf die Taschen.
»Ich nehm Dannis!« Lea sprang vor und griff sich die Tasche der Frau.
Malu sah ihrer Freundin grinsend hinterher, die die Reisetasche vor sich hertrug, als ob es sich um die Kronjuwelen der Königin von England handelte. Mit dem Generalschlüssel und der Reisetasche des (offenbar nicht ganz so berühmten) Ehemanns folgte sie ihrer Freundin die Treppe hoch.
Im ersten Stockwerk angekommen, öffnete Malu die frisch lackierte weiße Holztür mit der goldenen Fünf und stellte die Tasche vor dem Kleiderschrank ab.
»Echt schick geworden«, stellte Lea fest, als sie sich im Zimmer umsah. Die Wände waren mit einer blauweiß gestreiften Tapete bespannt und auf dem gewaltigen Doppelbett lag eine Überdecke in den gleichen Farben. Die Möbel waren allesamt Antiquitäten, die noch aus dem Besitz des Barons stammten. Jetzt waren sie neu geschliffen, lackiert und poliert und strahlten den Glanz vergangener Zeiten aus.
Das Zimmer lag im hinteren Teil des Schlosses. Durch das große Doppelfenster mit den weißen Sprossen konnte man auf die Pferdewiese mit dem neuen Offenstall sehen. Daneben verlief der Feldweg, den gestern die schwarze Araberstute entlanggaloppiert war. Malu warf einen Blick auf ihre friedlich grasende Herde. Papilopulus stand wieder dösend mit hängendem Kopf am Zaun. Malu zog es ein bisschen im Herzen, wenn sie ihn so sah. Das erinnerte sie daran, dass er schon ziemlich alt war und seine Kräfte langsam nachließen. Schnell schaute sie nach Alibaba und dem kleinen Stutenfohlen, um die düsteren Gedanken loszuwerden. Die beiden standen am anderen Ende der Wiese – Alibaba jedenfalls, Lapislazuli jagte in wilden Bocksprüngen um ihre Mutter herum. Malu lächelte. Das Fohlen war einfach Lebensfreude pur!
Plötzlich huschte etwas durch den Offenstall. Was war das? Doch Ratten? Nein, das war etwas Größeres gewesen. Sie kniff die Augen zusammen, um im schummrigen Licht des Stalls etwas zu erkennen. War das ein Mensch?!
4. Kapitel
Ein lautes Krachen hinter ihr ließ Malu herumfahren. Entsetzt sah sie ihre Freundin an, die vor der offenen Reisetasche stand.
»Was machst du da?!«
Lea lief hellrot an und räumte das sperrige Gerät, das ihr aus der Hand gefallen war, hastig in die Tasche zurück. »Ich war so neugierig, was Danni wohl mitgebracht hat, ihre Tasche war so schwer«, sagte sie entschuldigend. »Guck mal, eine Kamera mit Stativ und allem drum und dran.«
»Du spinnst wohl, pack das sofort wieder ein!«
»Ja, ja, keine Panik«, beruhigte Lea ihre Freundin und zog den Reißverschluss zu. »So, merkt doch keiner.«
»Man wühlt doch nicht in den Sachen von anderen Leuten rum«, sagte Malu vorwurfsvoll.
»Hast ja recht«, Lea warf ihre Zöpfe nach hinten und grinste ihre Freundin an, »aber ganz manchmal ist es schon erlaubt, zum Beispiel, wenn man sonst vor Neugierde sterben würde.«
Malu verdrehte die Augen. »Komm, lass uns nach unten gehen, bevor die Kamparis kommen.« Schnell sah sie noch mal aus dem Fenster, aber es war kein Schatten mehr zu sehen. Vielleicht war es doch eine Katze gewesen.
Malu war froh, als Rebekka und Gesine endlich von der Beerdigung zurückkamen und die Gästebetreuung übernahmen. Gerade im richtigen Moment, denn die Kamparis hatten sich eben vor dem Tresen aufgebaut und beschwerten sich über ihr Zimmer. Sie hätten extra bei der Anmeldung ein Zimmer mit Seeblick bestellt, ausdrücklich! Wahrscheinlich waren die vorderen Zimmer noch nicht ganz fertig, aber darum musste sich jetzt ihre Mutter kümmern.
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