Nachdem sie Leas Taschen und Koffer in Malus Zimmer geschleppt hatten, suchten sie erst mal in der Küche nach etwas Essbarem. Zum Glück fand sich noch ein Rest von Rebekkas köstlichem Nudelauflauf, den Malu fast alleine verdrückte, weil Lea wieder mal Angst hatte, danach nicht mehr in ihre neue Hose zu passen und die brauchte sie am Freitag ganz dringend, wie sie überdeutlich betonte.
»Nun frag mich doch endlich, was ich wahnsinnig Tolles vorhabe«, platzte Lea plötzlich heraus.
Malu schluckte den letzten Bissen herunter und grinste. »Also erst mal will ich wissen, wie du darauf kommst, dass Frau Kampari Danni Morilla ist.«
Lea ließ sich auf ihrem Stuhl nach vorne fallen und beugte sich über den Tisch. »Danni Morilla hat doch diesen YouTube-Kanal Style-up-your-life, der ist doch megabekannt und dann hat sie die Hauptrolle in der Serie Zusammen für alle Zeiten bekommen, die musst du doch kennen!« Sie betrachtete ihre Freundin kopfschüttelnd. »Du hast echt zu viel Pferde im Kopf, da gehen solche Highlights eben an dir vorbei.«
Malu bezweifelte insgeheim, dass es sich bei dieser Serie wirklich um ein Highlight handelte, aber selbst wenn, hätte sie keine große Chance davon etwas mitzubekommen. Rebekka wachte streng über den Medienkonsum ihrer Kinder (völlig übertrieben!), der Fernseher war im Schrank und das WLAN oft ausgeschaltet. Das war eigentlich der einzige Vorteil daran, dass ihre Mutter so im Dauerstress war, sie dachte nur noch selten daran, Malu den Laptop wegzunehmen. Wenigstens etwas!
»... und dann stellt sich heraus, dass der Graf ihr verschwundener Cousin ist, in den ihre Schwester aber schon verliebt war. Und jetzt muss Lavanda auf das Gestüt und da ... Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?«
Schuldbewusst sah Malu ihre Freundin an. Sie hatte nur noch das Ende mitbekommen, aber da Lea ihr sicherlich gerade den Inhalt der kompletten Serie in Kurzform wiedergegeben hatte, war es wohl nicht so schlimm. »Doch, doch, klar, sie muss zum Gestüt«, beteuerte Malu. »Und diese Lavanda spielt Danni Morilla?« Sie hoffte, dass sie den Zusammenhang richtig erraten hatte.
Lea lehnte sich zurück und nickte. »Der Hammer, oder?«
»Und du bist sicher, dass Frau Kampari diese Danni ist?« Malu machte ein skeptisches Gesicht.
»Hundert Pro!« Lea zog ihr Handy aus der Hosentasche und switchte durch die Kanäle. »Hier.« Sie hielt Malu den Bildschirm unter die Nase, auf dem eine blonde schmale Frau mit riesiger Sonnenbrille posierte.
Malu war immer noch nicht ganz überzeugt, irgendwie sahen die Frauen auf diesen gestellten Fotos doch alle gleich aus.
»Du hast eben keinen Blick für so was«, sagte Lea und steckte ihr Handy wieder ein. Dann sah sie ihre Freundin erwartungsvoll an.
»Nun sag schon«, lachte Malu. »Du kannst es sowieso nicht länger für dich behalten.«
»Ok, wenn du es unbedingt wissen willst.« Lea warf ihre Zöpfe nach hinten. »Ich bin nächste Woche zu einem Casting eingeladen für ... halt dich fest«, sie holte tief Luft, »eine Rolle in – Zusammen für alle Zeiten!«
Malu guckte ihre Freundin ungläubig an. »Du bist was?«
»Genauer gesagt, habe ich das Casting gewonnen beim Gewinnspiel von der Müslipackung, aber egal. Ich werde die Rolle auf jeden Fall bekommen, es gibt nur zehn Bewerberinnen. Und dass Danni Morilla hier bei euch wohnt, das ist doch wohl ein Zeichen, oder?«
»Was genau musst du denn bei diesem Casting machen?«
Lea verzog das Gesicht. »Das ist der klitzekleine Haken an der Sache. Die Folge soll ja auf dem Gestüt spielen ...« Sie senkte die Stimme. »Ich bin sicher, dass Danni auch deswegen hier ist. Sie will sich ganz in Ruhe hier umgucken, um sich auf ihre Rolle vorzubereiten. Die hat bestimmt noch nie was mit Pferden zu tun gehabt.«
»Und wen sollst du bei dem Casting spielen?«
»Pferdepflegerin oder Stallmädchen, so was in der Art«, quetschte Lea hervor.
Malu grinste nur.
»Ich hab schon am Telefon damit angegeben, dass ich öfter bei euch ausgeholfen habe.«
Malu grinste weiter. »Stimmt ja auch ... wenn auch nicht immer ganz freiwillig.«
»Na ja, du musst mir eben ein bisschen helfen. Ich muss die Rolle einfach haben! Schauspielerin, das ist echt mein absoluter Traumberuf.«
»Seit wann?«, lachte Malu und bekam prompt das Stuhlkissen an den Kopf.
»Als Freundin musst du meine Wünsche und Träume ernst nehmen«, sagte Lea hoheitsvoll.
»Tu ich ja.« Malu wischte sich ein paar Lachtränen aus den Augenwinkeln.
»Du musst mit mir üben. Am Freitag ist das Casting.«
»In fünf Tagen schon?« Malu stöhnte. Ob das reichen würde, um aus Lea eine pferdeverrückte Schauspielerin zu machen?
Während Lea in der Wohnung blieb, um ihren Text auswendig zu lernen, holte Malu Schneechen von der Weide. Darauf hatte sie sich schon den ganzen Vormittag gefreut: Sie wollte auf die andere Seite des Sees reiten, vielleicht konnte sie von dort mit dem Fernglas einen Blick auf die Araberherde werfen. Das konnte ihr ja wohl keiner verbieten!
Edgar hatte leider keine Zeit, er war noch damit beschäftigt die Ställe der drei Gastpferde auszumisten. Malu hatte aber das Gefühl, dass der eigentliche Grund war, dass er so viel Zeit wie möglich in der Nähe der schwarzen Araberstute verbringen wollte. Egal, dann würde sie eben alleine reiten.
Sie band Schneechen am Sattelplatz auf dem Schlosshof fest und holte die Putzsachen.
»Du bist echt ein Ferkel«, schimpfte sie liebevoll mit der Schimmelstute, die voller Dreck war. Sie war eine ganze Zeit mit Striegeln beschäftigt, bis Schneechen wieder einigermaßen sauber war. Dann cremte sie noch die leere Augenhöhle mit Dr. Wellhorns Spezialsalbe ein.
»Was is’n mit der passiert?«
Malu drehte sich um. Hinter ihr stand Vincent, auf eine Mistgabel gestützt, der Schneechen fasziniert betrachtete.
»Sie hatte einen Unfall«, erklärte Malu knapp, dabei wusste sie selbst nicht genau, wie die Stute ihr Auge verloren hatte. Sie musste schmunzeln, als sie an ihr erstes Zusammentreffen mit Schneechen dachte. Damals hatte sie die Schimmelstute für ein Geisterpferd gehalten, so gruselig hatte sie im Nebel ausgesehen. Edgar zog sie heute noch damit auf.
Ein Pfiff gellte über den Platz, sodass alle drei herumfuhren. Kalle.
»Haste nix zu tun, Vinc?«, rief er.
Sein Sohn schnaufte unwillig und schlurfte dann zum Stall hinüber. Jeder Schritt verkündete seinen Widerwillen. Malu fragte sich, womit sein Vater ihn wohl gezwungen hatte, diesen Ferienjob zu übernehmen. Freiwillig war der unter Garantie nicht hier!
Gerade bog Malu in die Tür zur Sattelkammer, als sie fast mit Lenka zusammengestoßen wäre. Ihre Großcousine machte einen gehetzten Eindruck und sah Malu hilfesuchend an (ein sehr ungewohnter Anblick!). Doch gerade diese Stallgasse weckte unangenehme Erinnerungen in Malu, hier war sie das erste Mal mit Lenka aneinandergeraten. Sie wollte ihr Papilopulus wegnehmen und hatte den armen Wallach sogar mit der Peitsche geschlagen. Malu wurde immer noch ganz heiß, wenn sie daran dachte! Nein, das konnte sie ihr nicht verzeihen, auch wenn Lea und Edgar der Meinung waren, dass Lenka sich geändert hatte.
Arno von Funkelfeld, Lenkas Vater, stürmte hinter seiner Tochter aus der Sattelkammer und stoppte vor den beiden Mädchen.
»Oh, hallo Malu«, keuchte er und an seine Tochter gewandt fuhr er fort: »Jetzt hör doch mal zu, Lenka. Du musst heute Nachmittag hier sein, schießlich ist es –«
»Ich hab Malu aber versprochen, mit ihr auszureiten«, unterbrach Lenka ihren Vater. Wieder dieser flehende Blick, den Lenka ihr zuwarf. In Malu kämpften die unterschiedlichsten Gefühle, aber schließlich merkte sie, wie sie langsam nickte. (Die Neugier hatte gesiegt!)
»Wir müssen auch noch was Dringendes erledigen«, sagte Lenka jetzt bestimmter. »Wenn ich wieder da bin, komme ich sofort nach Hause.«
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