Die Hersteller generischer Arzneimittel, deren Wirkstoffe keinem Patentschutz mehr unterliegen, müssen den Kassen hohe Rabatte einräumen, um im Gegenzug mehr oder weniger exklusiver Lieferant zu werden. Krankenkassen können mit einem oder mit mehreren Vertragspartnern Rabattverträge abschließen. Einige von ihnen, wie beispielsweise die AOK, tendieren dazu, exklusive Rabattverträge mit nur einem Vertragspartner zu vereinbaren. Für Patienten bedeuten diese Verträge, dass sie nicht mehr das Medikament von dem Hersteller bekommen, der auf dem Rezept benannt ist, sondern ein vergleichbares Medikament von dem Hersteller, der einen Rabattvertrag mit der Krankenkasse des Patienten geschlossen hat. Das Medikament muss dabei formal den gleichen Wirkstoff, die gleiche Arzneiform, Dosierung und Packungsgröße aufweisen.
Aut-idem-Regelung
■ Die Aut-idem-Regelung (lateinisch: aut idem = oder das Gleiche) verpflichtet Apotheker, ein wirkstoffgleiches rabattiertes oder preisgünstigeres Arzneimittel abzugeben, falls der verordnende Arzt dies nicht ausdrücklich durch Ankreuzen des Aut-idem-Kästchens auf dem Rezeptvordruck ausgeschlossen hat. Dabei ist auf die gleiche nominelle Wirkstärke, die gleiche Darreichungsform und in etwa die gleiche Packungsgröße zu achten.
Gemäß der sogenannten Aut-idem-Regelung sind die Apotheken verpflichtet, das bisherige Medikament durch ein rabattiertes Medikament zu ersetzen. Lehnt der Patient diesen Zwangswechsel ab, kann sein Arzt das bisherige Medikament durch Setzen eines Aut-idem-Kreuzchens weiter verordnen. Zu viele Aut-idem-Kreuzchen können allerdings dem verordnenden Arzt Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Regresse durch die betroffenen Krankenkassen bescheren.
Alternativ kann der Patient auch ein Privatrezept erhalten, muss dann aber den Verkaufspreis des Arzneimittels zunächst komplett übernehmen und kann sich anschließend direkt bei seiner Krankenkasse um Erstattung bemühen. Das ist ein umständlicher und nicht immer erfolgversprechender Weg. Um die Akzeptanz der rabattierten Arzneimittel zu erhöhen, können die Krankenkassen sie von der gesetzlichen Zuzahlung befreien, soweit eine Zuzahlungsbefreiung nicht bereits im Rahmen der Festbeträge für Arzneimittel besteht.
Zuzahlungen
■ In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind Zuzahlungen eine Form der direkten finanziellen Selbstbeteiligung der Versicherten an den Kosten ihrer individuellen Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Sie fallen zusätzlich zu den Beitragszahlungen an. Das GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 regelt, dass bei diesen Leistungen die Zuzahlung generell zehn Prozent des Abgabepreises (mindestens fünf, höchstens zehn Euro), jedoch nicht mehr als die Kosten der jeweiligen Leistung (zum Beispiel bei Arzneimitteln, die weniger als fünf Euro kosten) beträgt. In der GKV sind Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr von Zuzahlungen befreit, mit Ausnahme von anfallenden Fahrkosten.
Das Instrument »Rabattvertrag« hat sich weitgehend durchgesetzt. Ende 2018 gab es 28 000 Rabattverträge, die zwischen 110 beteiligten Krankenkassen und 184 pharmazeutischen Unternehmen geschlossen wurden. Es waren 17 800 Arzneimittel (Pharmazentralnummern) betroffen und zur Umsetzung mussten 12,6 Millionen Datensätze in der Apotheken-EDV programmiert werden. Aber es wurde eben auch eine Menge gespart, ausschließlich auf Seiten der Kassen.
Lieferengpässe aufgrund von Rabattverträgen?
Gerade exklusive Rabattverträge werden immer wieder als mögliche Ursache von Lieferengpässen genannt. Die Krankenkassen sehen das naturgemäß anders. Sie sagen, exklusive Verträge würden den Vertragspartnern mehr Planungssicherheit geben und deshalb die Versorgungssicherheit erhöhen. Außerdem könne der exklusive Vertragspartner die Absatzmengen besser kalkulieren als bei Mehrpartnerverträgen, bei denen er mit mehreren Anbietern konkurrieren müsste, so die Argumentation beispielsweise der AOK. Exklusive Rabattverträge würden auch dazu beitragen, unnötige Medikamentenwechsel zu vermeiden, was wiederum die Therapietreue der Patienten und damit den Therapieerfolg fördern helfe. Zudem würde die Anbietervielfalt steigen. Generell sehen die Kassen in Lieferengpässen kein gravierendes Problem und der Mehraufwand für die Apotheken sei gering. Ganz im Gegenteil würden Mehrfachvergaben den Konzentrationsprozess hin zu größeren Konzernen fördern, weil dann vor allem große Anbieter größere Marktanteile erzielen könnten und kleinere Anbieter das Nachsehen hätten.
Rabattarzneimittel: Verträge und Einsparungen der GKV im Vergleich
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2016 |
2017 |
2018 |
Zahl der Rabattverträge zum Jahresende |
24 000 |
27 300 |
28 000 |
Einsparungen der GKV im Gesamtjahr |
3,9 Mrd. Euro |
4,0 Mrd. Euro |
4,4 Mrd. Euro |
Quellen: ABDATA, Pro Generika e. V., Bundesministerium für Gesundheit (BMG), IQVA Commercial GmbH & Co. OHG
Diese schräge Argumentation verkennt die Realität leider völlig und beruht auf einem sehr eingeschränkten Blickwinkel. Hier scheint doch eher der Wille, mit exklusiven Rabattverträgen einen strikten Sparkurs zu fahren, ausschlaggebend zu sein. Dass Rabattverträge sehr wohl zu Lieferengpässen führen, hat der Verband Pro Generika in einer Studie ermittelt. So wurden 2017 insgesamt vier Millionen Arzneimittelrezepte mit der Sonder-Pharmazentralnummer (PZN) für Nichtlieferbarkeit bedruckt. 60 Prozent dieser Arzneimittel stammten demnach aus einem rabattierten Ein-Partner-Modell. Bei 27 Prozent der nicht lieferbaren Arzneimittel lag ein Rabattvertrag mit zwei oder drei Partnern vor. Bei weiteren neun Prozent gab es sogar mehr als drei Vertragspartner. Hier trägt also die Exklusivität der Rabattverträge zumindest Mitschuld an den Lieferengpässen.
»Die Packung sah letztes Mal anders aus«
Doch die Exklusivität ist nicht allein die Ursache des Problems. Für Patienten ist jeder Wechsel der Arzneimittel schwierig und wird immer mit Skepsis verfolgt. Egal ob dieser Wechsel innerhalb eines Mehr-Partner-Modells oder einer alle zwei Jahre möglichen exklusiven Ausschreibung geschieht, er muss apothekenseitig überzeugend erklärt werden, und das setzt ein Mindestverständnis bei den Patienten voraus. Die meisten Apotheken haben inzwischen kundenspezifische Vermerke gespeichert, um den Umgang mit Problemkunden (»Die Packung hat aber beim letzten Mal anders ausgesehen!«) zu erleichtern. Zusätzliche Arbeit macht das Ganze auf jeden Fall.
Und: Vielfalt durch Wettbewerb zu fördern, funktioniert in aller Regel nicht, vor allem nicht bei Arzneimitteln. Aus meiner täglichen Erfahrung weiß ich, dass es sich ohnehin nur um eine Pseudovielfalt handelt. Denn die großen Pharmakonzerne leisten sich einfach mehrere Generikafirmen, die in unterschiedlichen Preissegmenten unterwegs sind, sich gegenseitig bedingt Konkurrenz machen und wie die meisten konzernunabhängigen Generikafirmen bei ganz wenigen weltweit angesiedelten Wirkstoffproduzenten einkaufen. So beziehen Stada, Teva, der Mutterkonzern von Ratiopharm, oder Sandoz, Hexal sowie 1A Pharma, die alle drei zum Novartis-Konzern gehören, Antibiotikawirkstoffe aus dem mehrfach erwähnten Hyderabad.
Im Ausland ist mehr zu verdienen
Gerade die Abhängigkeit von wenigen Herstellern und die Tatsache, dass ein sehr hoher Anteil der Produktion beispielweise von antibiotischen Wirkstoffen außerhalb der EU stattfindet, erweist sich zunehmend als Bumerang. So kritisiert der Verband Pro Generika schon lange die Krankenkassen dafür, dass sie bei Ausschreibungen von Rabattverträgen stets nur nach dem niedrigsten Preis gehen würden. Eine Produktion in Deutschland oder der EU könne nicht kostendeckend stattfinden. So oder so spielen die möglichen Einkaufsvorteile die entscheidende Rolle. Und am Ende ist es immer eine Apothekerin/ein Apotheker, die/der im Laden Patienten vertrösten und gegebenenfalls nach Alternativen suchen muss. Wie es mir erging im Fall Epirubicin.
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