Franz Stadler
Medikamenten
Monopoly
Die unheilvolle Welt
der Arzneimittelgeschäfte
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Copyright © 2020 Murmann Publishers GmbH, Hamburg
Lektorat: Evelin Schultheiß, Kirchwalsede
ISBN 978-3-86774-660-1
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Inhaltsverzeichnis:
Die heilige Corona – ein System vor dem Kollaps Die heilige Corona – ein System vor dem Kollaps
Die Spieler Die Spieler
Spiel Eins Lieferengpässe Spiel Eins Lieferengpässe
Spiel Zwei Verwurf Spiel Zwei Verwurf
Spiel Drei Kontrolle
Spiel Vier Wucher
Spiel Fünf Fälschungen
Spiel Sechs Digitale Rezepte
Spiel Sieben Gutachten
Spiel Acht Foulspiele
Spiel Neun Eigentore
Spiel Zehn Corona-Demaskierung
Spiel Elf Zukunft
Nachspiel
Für Bea
Die heilige Corona – ein System vor dem Kollaps
ES FEHLEN ARZNEIMITTEL. Es fehlen Schutzmasken. Es fehlen Transparenz und Information. Lange vor der Coronakrise schon kam es im reichen Deutschland wiederholt zu Lieferengpässen bei Arzneimitteln. Durch die Krise wurden längst bestehende und grundlegende Probleme in unserer Arzneimittelversorgung lediglich sichtbar gemacht. Es zeigte sich, dass wir organisatorisch und medizinisch zwar besser aufgestellt sind als andere Länder, unser Gesundheitssystem aber dennoch empfindlich gestört ist, instabil aufgrund von Mangelwirtschaft, Profitgier und Lobbyismus. Was seit Langem rumort, war mit Ausbruch des pandemischen Virus plötzlich nicht mehr zu kaschieren: Profit geht inzwischen vor Gesundheit.
Pharmaunternehmen zielen vor allem auf Rendite, ob mit Packungsgröße, Haltbarkeit oder Standortwahl. Die Politik scheint im Lobbyistensumpf zu versinken, Kontrollen versagen und angepriesene Digitalisierungsprojekte erweisen sich als Flop. Kunden und Patienten sind verunsichert, vor allem jene, die auf lebensnotwendige Medikamente angewiesen sind. Zwar steigen die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung und damit die Beiträge für die Krankenkassen kontinuierlich an, das heißt aber keineswegs, dass damit auch die Sicherung der Versorgung mit Medikamenten garantiert ist. Und der Ort, an dem die Versorgungsmängel und viele weitere Konflikte in der täglichen Arbeit konkret werden, ist – die Apotheke.
In meinen mittlerweile 30 Berufsjahren als Apotheker musste ich erleben, wie sich die Arzneimittelversorgung systematisch zu einem unheilvollen, von der Politik gestützten und von den Herstellern gewollten Geschäft entwickelt hat. Und zwar zu einem Geschäft, das sich für Patienten oft genug als bedrohlich erweist. Es sind nicht nur die Lieferengpässe bei Medikamenten, die uns warnen und klar machen müssen, dass wir diesen Weg nicht weitergehen können. Zumindest nicht, ohne das noch bestehende System der Arzneimittelversorgung ernsthaft und nachhaltig zu gefährden.
Wir gefährden das System der Arzneimittelversorgung. Wir gefährden Patienten. Wir gefährden das Leben von Menschen. Und das nur aus einem Grund: Geld.
Die Stunde der Geschäftemacher
Die Arzneimittelversorgung war schon immer ein dubioser und entsprechend intransparenter Markt. Ein Markt, der seinen Absatz durch Zuzahlungen, Incentives oder Druck ankurbelte. Doch im Verlauf der Coronakrise hat sich gezeigt, wie lebensgefährlich dieses System sein kann. Als Apotheker steht man, sozusagen als Repräsentant dieses System, an vorderster Front – bekommt alles mit und alles ab. Sind Medikamente eingeschränkt oder gar nicht lieferbar, reagieren Patienten und Kunden skeptisch – als Erstes gegenüber »ihrer« Apotheke, die sie verdächtigen, die Ursache dieser Probleme liege bei ihr. Dann beginnen sie sich auf die Situation einzustellen, indem sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten horten oder nach möglichen Ersatzpräraten suchen. Auch in der Lieferkette – von Herstellern, Groß- und sonstigen Zwischenhändlern bis hin zu Apotheken – wird nach Auswegen gesucht. Auf diese Weise aber tragen alle Seiten zur weiteren Verschärfung der Situation bei.
Doch was die Coronakrise ebenfalls gelehrt hat: Es kann auch anders gehen. Aufgeschreckt durch eine Pandemie ruderten der Gesetzgeber, die Aufsichtsbehörden und die Krankenkassen plötzlich zurück, setzten Auflagen und Verordnungen außer Kraft, erlaubten Dinge, die vor der Krise undenkbar gewesen wären. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die vorhandenen Kompetenzen der Apotheken vor Ort unter dem Spardiktat der Krankenkassen laufend beschnitten. In dem Moment aber, in dem der Zusammenbruch der Versorgung und – mit einem gewissen Recht – eine massive Schuldzuweisung an alle verantwortlichen Stellen zu befürchten standen, wurden Kursänderungen möglich. Wohlgemerkt: Erst eine drohende Unter- beziehungsweise Nichtversorgung von Menschen mit zum Teil lebensnotwendigen Medikamenten machte sie möglich.
Krisen sind bekanntermaßen immer auch die Stunde von skrupellosen Händlern, Gewinnmaximierern und Wucherern. Wann immer es möglich ist, werden Arzneimittel ungeachtet des vorhandenen Bedarfs von einem Land ins nächste verschoben, exportiert oder importiert, ganz wie die jeweiligen Gewinnaussichten es verlangen. Sowohl bei Medizinprodukten als auch bei frei kalkulierbaren Mitteln werden überhöhte Verbraucherpreise berechnet oder auch – die Panik der Menschen zynisch ausnutzend – bestenfalls wirkungslose »Arzneimittel« verkauft.
Ein marodes, instabiles System
Die Summe dessen, was seit Jahren schiefläuft, ist inzwischen beachtlich: als Erstes zu nennen die Wirkstoffproduktion, die größtenteils ins meist außereuropäische Ausland, beispielsweise nach Indien oder China, abwanderte. Die Folge war, dass patentgeschützte Neueinführungen immer teurer wurden und die Fälle von Fälschungen und Verunreinigungen bei Arzneimitteln anstiegen. Dazu kamen zunehmender Kostendruck und der Rabattvertragsmarkt, die immer mehr Lieferengpässe bewirkten. Und nicht zu vergessen der bürokratische Aufwand bei der Abgabe von Arzneimitteln, der ohne großen Nutzen zu erzeugen stetig größer wurde. Zentralisierung und Digitalisierung wurden vorangetrieben – auch wenn sie in vielen Fällen zu einer Destabilisierung der Arzneimittelversorgung führten. Kurz: Das gesamte System begann, aus den Fugen zu geraten und instabil zu werden.
Dies alles geschah weitgehend unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, ereignete sich schleichend und praktisch im Verborgenen. Die Zahl der direkt Betroffenen war lange (noch) zu gering, auftretende Skandale fanden nur höchst selten den Weg aus den Fachgruppen hinaus in die mediale Öffentlichkeit. Nur Insider wussten Bescheid, wenn sie es denn wissen wollten. Die meisten von ihnen hatten sich mehr oder weniger bequem eingerichtet, sich mit der Situation arrangiert oder auch Kritik und Widerstand gegen die Missstände desillusioniert aufgegeben. Blieben vereinzelte Mahner, die leicht ignoriert werden konnten.
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