Sendler war eine katholische Sozialarbeiterin und lebte im von Deutschland besetzten Polen. Die Nationalsozialisten gestatteten ihr den Zutritt zum jüdischen Ghetto, um nach Anzeichen von Typhus zu suchen, denn die Besatzer hatten Angst, die Krankheit könnte sich in der ganzen Stadt ausbreiten. Die Gestapo hatte keine Ahnung, dass sie systematisch hinters Licht geführt wurde und Irena Sendler tatsächlich Teil einer der größten Rettungsaktionen aller Zeiten war. Als Angestellte des Warschauer Sozialamts gelang es ihr und ihren Helfern, etwa 2500 jüdische Kinder in Sicherheit zu bringen.
Das Unterfangen war extrem gefährlich. 1942 wimmelte es in Warschau nur so von Offizieren der Gestapo, die ständig auf der Suche nach aus dem Ghetto geflohenen Juden waren. »Waffen schmuggeln … Sabotagepläne gegen die Deutschen schmieden, nichts war so gefährlich, wie einen Juden zu verstecken«, sagte Władysław Bartoszewski von der polnischen Widerstandsbewegung. »Das ist, als hätte man eine tickende Zeitbombe im Haus. Wenn sie es herausfinden, töten sie dich, deine Familie und den Menschen, den du versteckt hast.«
Unter dem Vorwand, den Zustand im Ghetto zu kontrollieren, schmuggelte Sendler Babys und kleine Kinder in Paketen, Koffern, Kisten und Handkarren dort hinaus. Ältere Kinder brachte man über die Kanalisation nach draußen. Irena nahm immer einen Hund mit, wenn sie ins Ghetto ging. Sie hatte ihm beigebracht, jedes Mal zu bellen, wenn ein deutscher Soldat in der Nähe war. Auf diese Weise konnte sie die Geräusche der Babys übertönen, die diese möglicherweise von sich gaben. Sobald die Kinder sicher aus dem Ghetto heraus waren, erhielten sie katholische Geburtsurkunden und falsche Papiere, die von Priestern oder Mitarbeitern des Sozialamts unterschrieben waren. Dann wurden die Kinder in Waisenheime und Klöster im Umland von Warschau gebracht.
Im Sommer 1942 trieb die SS eine große Gruppe von Juden zusammen, um sie ins Vernichtungslager Treblinka zu bringen. Sendler flehte die jüdischen Eltern an, ihre Kinder gehen zu lassen, denn sie wusste, dass es deren einzige Überlebenschance war. In einem Interview kurz vor ihrem Tod im Jahr 2008 erzählt sie von ihren Gesprächen mit den Eltern. »Diese Szenen, in denen die Eltern entscheiden mussten, ob sie ihr Kind fortgeben sollten, brachen einem das Herz … Ihre erste Frage war: ›Welche Garantie können Sie mir geben, dass mein Kind überleben wird?‹ Ich sagte: ›Keine. Ich weiß nicht einmal, ob ich selbst heute lebend aus dem Ghetto komme.‹« Sendler führte Listen über all die Kinder, die sie gerettet hatte, und vergrub diese heimlich in Einmachgläsern, weil sie hoffte, die Kinder nach Kriegsende wieder mit ihren Eltern vereinen zu können.
1943 wurde sie schließlich von der Gestapo verhaftet. Man war misstrauisch geworden und hatte herausgefunden, dass sie für die Juden arbeitete. Sie wurde geschlagen und gefoltert (man brach ihr Arme und Beine) und dann zum Tode verurteilt, weil sie sich weigerte, irgendwelche Informationen preiszugeben. Die Żegota, der Rat für die Unterstützung der Juden, erfuhr davon, und es gelang ihnen, Irena Sendler freizukaufen. Offiziell jedoch hieß es, sie sei hingerichtet worden, was es ihr ermöglichte, den Rest des Krieges im Untergrund zu leben.
Als der Krieg vorbei war, grub Irena die Einmachgläser mit den Namen der 2500 Kinder wieder aus in der Hoffnung, die Kinder wieder zu ihren Eltern zurückbringen zu können. Doch die meisten der Erwachsenen waren in Treblinka ermordet worden. Die kommunistische Führung des Landes verfolgte Sendler lange Jahre wegen ihrer Verbindungen zu Polens Exilregierung, und es sollte bis ins Jahr 1965 dauern, dass ihr außergewöhnlicher Mut entsprechende Anerkennung erhielt. Sie wurde durch Yad Vashem mit dem Titel »Gerechte unter den Völkern« geehrt. Mit dem Ende des Kommunismus kam auch die Anerkennung im eigenen Land, und sie erhielt einige der höchsten Auszeichnungen Polens. 2007 wurde sie sogar für den Friedensnobelpreis nominiert, der am Ende jedoch an den ehemaligen amerikanischen Vizepräsidenten Al Gore für sein Engagement gegen den Klimawandel ging.
Irena blieb ihr Leben lang bescheiden. Nach ihrer Arbeit gefragt, erklärte sie: »Jedes Kind, dessen Leben mit meiner Hilfe gerettet werden konnte, ist die Rechtfertigung meiner Existenz auf dieser Erde und kein Anspruch auf Ruhm.«
Als Stalin eine Bank ausraubte
An den meisten Tagen stand er erst spät auf und rasierte sich langsam in der Küche mit einem Rasiermesser. Er liebte seed toffee, und ich brachte ihm jeden Tag etwas davon .
Arthur Bacons Erinnerungen an damals, als er
1907 als dreizehnjähriger Junge Stalin während
dessen Aufenthalt in London bediente
Der rätselhafte Tod des Josef Stalin
Stalin fühlte sich nicht gut, was wohl an seinem ungewöhnlich hohen Blutdruck lag. Er klagte zudem über Schwindel. Doch sein Temperament war hitzig wie eh und je am Abend des 28. Februar 1953. Er hatte einige seiner engsten Vertrauten in seine Datscha in Kunzewo in der Nähe von Moskau geladen, und nach ein paar Gläsern wässrigen georgischen Weins ließ er sich über seinen Leibarzt aus, der ihm dringend geraten hatte, sein Amt als Generalsekretär aus gesundheitlichen Gründen niederzulegen. Dann weitete er seine Tirade auf die prominenten Moskauer Mediziner aus, die kürzlich im Rahmen der sogenannten Ärzteverschwörung unter fiktiven Anschuldigungen verhaftet worden waren und von denen Stalin forderte, dass sie ihre Schuld öffentlich bekannten.
Unter den Gästen in der Datscha an diesem Abend war auch Lawrenti Berija, einer von Stalins loyalsten Anhängern. Er war die schlechte Laune des »Woschd« gewohnt, aber als Stalin plötzlich das Feuer gegen die Anwesenden richtete, wurde er doch nervös. Stalin beschuldigte sie, in lange vergangenem Ruhm zu schwelgen, und begann vage, aber verhängnisvolle Drohungen gegen sie auszusprechen. Es bestand kein Zweifel: Berija und die anderen Gäste standen ganz oben auf seiner Abschussliste. Niemandem war es gestattet, die Datscha ohne Stalins Erlaubnis zu verlassen. Doch er hatte es nicht eilig, seinen Besuch loszuwerden, und setzte seine Tirade noch eine ganze Weile fort, wobei er ein Glas nach dem anderen trank. Als er den Männern schließlich erlaubte zu gehen, war es vier Uhr am Morgen des 1. März 1953.
Stalin blieb nicht allein in der Datscha zurück. In dieser Nacht befanden sich noch drei wachhabende Offiziere im Haus – Starostin, Tukow und Chustalew sowie der Stellvertretende Kommandant Peter Losgatschew. Letzterer sollte ein wichtiger Zeuge der folgenden Ereignisse werden.
Offiziellen Angaben zufolge sprach Stalin noch mit seinen Leibwächtern, bevor er sich in sein Zimmer zurückzog. »Ich gehe jetzt schlafen«, erklärte er ihnen. »Sie können sich auch hinlegen. Ich werde Sie nicht rufen.« Doch Peter Losgatschew erklärte später, er habe Stalin nie diese Worte sagen hören. Es war Chustalew, einer der drei Leibwächter (und ein enger Vertrauter Berijas), der die Nachricht von Stalin überbrachte. »Also, Freunde, hier kommt ein Befehl, den wir noch nie bekommen haben. Der Woschd hat gesagt: ›Geht alle ins Bett. Ich brauche nichts. Ich gehe auch ins Bett. Ich brauche euch heute nicht mehr.‹« Chustalew nahm Stalin beim Wort und verließ die Datscha kurz nachdem er dessen Nachricht überbracht hatte.
Am nächsten Morgen schlief Stalin sehr lange. Es schlug elf, dann zwölf, und die drei Männer, die im Haus geblieben waren, begannen sich Sorgen zu machen. Starostin sagte zu Losgatschew: »Irgendetwas stimmt da nicht. Was sollen wir tun?« Doch sie konnten nicht viel tun. Stalin hatte sehr deutlich gemacht, dass er niemals im Schlaf gestört zu werden wünsche, und den Männern war es ausdrücklich verboten, sein Zimmer zu betreten.
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