»Bitte verzeihen Sie, Bonasero. Die harte Arbeit, die ich mir lange Zeit auferlegt habe, macht mir wohl zusehends zu schaffen.« Er stellte sich nun vor seinen Sessel und sackte auf dem weichen Lederpolster zusammen, dann zeigte er auf den Umschlag, den Vessucci festhielt. »Hat der SIV das geschickt?«
Der Kardinal nickte und öffnete den Brief. Darin steckten Fotos vom Tatort eines Mordes in Las Vegas. Er legte sie sorgfältig vor dem Papst aus.
Was Pius dort sah, war Ian McMullens Leiche von verschiedenen Seiten. Der Fotograf hatte die Bilder aus unterschiedlichen Blickwinkeln gemacht. Der Mann lag mit seitwärts ausgestreckten Armen auf dem Bauch – es sah nicht ganz so wie eine Anspielung auf die Haltung eines Gekreuzigten aus – auf dem Pflaster einer Straße, und das Material seines Mantels war vom Rockschoß bis zum Kragen aufgetrennt worden, der Rücken darunter war nackt. Der Täter hatte ein A in sein Fleisch geritzt.
»Ian McMullen«, begann Vessucci. »Er war der Mann ganz rechts in der hinteren Reihe auf diesem Foto von Kimballs alter Truppe. »Somit hätten wir also einen weiteren Buchstaben.«
Pius stöhnte, während er das Foto konzentriert betrachtete. Auf den rot eingekreisten Gesichtern der Mitglieder von Haydens ehemaliger Spezialeinheit stand von links nach rechts gelesen I-S-C, und jetzt kam ein A an vierter Stelle hinzu. Dies bedeutete, dass der Killer sich in Kürze der Ermordung der Männer in der unteren Reihe annehmen würde, um seinen Auftrag abzuschließen, beginnend mit einem amerikanischen Indianer und endend mit dem wahren Ritter.
»Vier von ihnen sind bereits tot«, fasste der Kardinal verärgert zusammen. »Bleibt also noch die andere Hälfte.«
Der Papst wippte nervös mit dem Kopf, den er auf seine Finger gestützt hatte. »Ich mache mir gerade große Sorgen um Kimball«, entgegnete er. »Hat der SIV schon herausgefunden, wo seine Kameraden ihren Urlaub verbringen?«
»Noch nicht, Heiliger Vater, doch man hat alle Hebel in Bewegung gesetzt.«
»Mir wäre erheblich wohler zumute, Bonasero, wenn ich wüsste, dass ihm die anderen Ritter des Vatikans beistünden, anstatt dass er den Rückhalt seiner alten Gefährten sucht.«
»Wir können immer noch auf Leviticus und Jesaja zurückgreifen.«
Pius nickte. »Aber sie sind gerade woanders mit dem Schutz Unschuldiger beschäftigt. Sie wieder herzurufen, während Gottes Kinder dort dringend auf uns angewiesen sind, wäre eine sträfliche Sünde nicht nur meinerseits, sondern der gesamten Kirche gegenüber. Nein, Bonasero, so gern ich es auch tun würde, darf ich sie nicht von ihrer rechtmäßigen Pflicht als Ritter des Vatikans abhalten … Kimball ist vorerst bedauerlicherweise auf sich selbst angewiesen.«
Er nahm die Fotos und legte sie auf dem Schreibtisch nebeneinander. Walker – I, Grenier – S, Arruti – C, McMullen – A.
»Ich weiß, was er buchstabieren will«, meinte der Kardinal.
Pius nickte wieder. »Ich auch.« Er fuhr mit einem Finger über die Bilder. »I-S-C-A«, sagte er und lehnte sich dann zurück. »Er will damit auf den Mann verweisen, der Jesus für dreißig Silbermünzen verraten hat.«
»Judas Iskariot.«
»Ja, Judas Iskariot«, wiederholte er.
»Aber wieso?«
Er zuckte mit den Achseln. »Braucht ein Verrückter einen Grund für sein Tun?«
»Oder Verrückt e «, argwöhnte der Kardinal. »Wir haben schließlich keine Ahnung, wie viele Personen hinter diesen Morden stecken. Wir können nur davon ausgehen, dass sich der- oder diejenigen, die das getan haben, noch in Las Vegas aufhalten und dort vielleicht sogar auf Kimball warten.«
»Wann landet er denn dort?«
»In weniger als einer Stunde«, antwortete Vessucci, »aber ich habe schon jemanden zum Flughafen bestellt, der ihn sofort abfangen und über den neuesten Stand der Dinge aufklären soll.«
»Dann beten wir dafür, dass Kimball nirgendwo hineintappt, worauf er nicht vorbereitet ist.«
»Kimball gehört zu den Besten. Er ist von Natur aus auf der Hut.«
»Aber er ist allein.« Kaum dass sich der Papst erhoben hatte, zitterten seine Knie, und er kippte wegen des Schwindels vorwärts, weshalb er sich auf den Schreibtisch aufstützen musste, um aufrecht stehenzubleiben.
Vessucci reagierte schnell und half ihm, sich wieder hinzusetzen. Pius' Blick wirkte währenddessen entrückt, geistesabwesend und orientierungslos. »Heiliger Vater.«
Er streckte scheinbar kraftlos eine Hand aus, und legte sie auf einen Unterarm des Kardinals. Das Luftholen fiel ihm hörbar schwer, so als liege ein langer Sprint hinter ihm. »Mir geht es gut, Bonasero, wirklich. Ich bin bloß zu schnell aufgestanden, das ist alles.«
Plötzlich bekam Pius einen Hustenanfall, rasselnd vor Schleim in seiner Lunge, und wurde dunkelrot im Gesicht, während seine Augen hervortraten und tränten. Er hielt sich einen Ärmel seiner weißen sottana vor den Mund.
Als er sich wieder beruhigt hatte, konnte er nur fassungslos auf den Stoff starren. Dieser war blutbefleckt.
Der Kardinal machte einen ruckartigen Schritt vorwärts. »Grundgütiger«, stöhnte er. »Das verheißt nichts Gutes.«
Der Papst schaute zu ihm auf. »Bringen Sie mich schnell ins Gemelli.«
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