61Bei Schäden von erheblichem Gewicht ist am Maßstab der Verhältnismäßigkeit auch zu prüfen, ob Vermeidungsmaßnahmenfür den Bergbauunternehmer zumutbarsind. Als bergtechnische Maßnahmen kommen hier in Betracht: Änderung der Abbaurichtung, der Verhiebrichtung, von Abbaugeschwindigkeit, Abbauführung, Blasversatz statt Bruchbau, Regulierung der Streblänge, der Baulänge (im Einzelnen eingehend Weber/Wildhagen, in: Bergbau 1996, 356 ff., 392 ff., 440 ff.; Lange, ZfB 1992, 188 ff.; Gilles, Markscheiderwesen 1988, 25). Weitere Maßnahmen: Baugrundstabilisierung, Baukonstruktion, Entspannungsbohrungen. Sofern diese Maßnahmen im Einzelfall technisch machbar sind, können sie dem Bergbauunternehmer nur auferlegt werden, wenn sie zumutbar sind. Insb zusätzliche Maßnahmen unter Tage wie Blasversatz oder Begrenzung der Abbaugeschwindigkeit werden häufig wegen der hohen Zusatzkosten unzumutbar sein (Knöchel, ZfB 1993, 135). Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist auch das zivilrechtliche Verhältnis zwischen Unternehmer und Oberflächeneigentümer einzubeziehen. Bergschadenverzichte schließen daher eine rechtliche Betroffenheit des Eigentümers und eine bergbehördliche Auflage von Schutzmaßnahmen aus (Knöchel, Bochumer Beiträge, 71 a. A. Knof, Bochumer Beiträge, 60 für schuldrechtlichen Verzicht und Bergschadenssicherungen), jedenfalls im Umfang des Verzichts.
62Eine Beteiligung im Sonderbetriebsplanverfahren ist nicht geboten bei denjenigen Grundstückseigentümern, bei denen Schäden voraussichtlich nicht oder nur gering entstehen oder die Abwägung ergibt, dass sie technisch und unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten vermeidbar sind (Hoppe, in: Bochumer Beiträge, S. 35; Gaentzsch, Bochumer Beiträge, S. 32; VG Düsseldorf, ZfB 1992, 269) und bei denjenigen, die nur mittlere und kleine Bergschäden erleiden (Hüffer FS Fabrizius, S. 118; Kühne JZ 1990, 139; Schmidt-Aßmann, Bochumer Beiträge, 110 f.). Soweit lediglich kleine und mittlere, insb reparable Schäden zu erwarten sind, ist die Zulassung des Sonderbetriebsplans „Einwirkungen auf das Oberflächeneigentum zu erteilen. Denn der Zweck des Sonderbetriebsplans ist, dem Schutz des Eigentums in Bezug auf die Substanzgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen. Diese wird aber bei kleinen und mittleren Bergschäden nicht betroffen (st. Rspr. und weitaus h. M., a. A. wohl nur Beyer, S. 139; Schenke S. 31 ff.). S. auch § 48 Rn 54 ff.
63Der durch ein bergbauliches Vorhaben schwerbetroffene Oberflächeneigentümer kann Rechtsschutzallein durch Anfechtung der Zulassung des Sonderbetriebsplans „Anhörung“ bzw. „Abbaueinwirkung“ erlangen. Diese Zulassung schließt die Berücksichtigung seiner Betroffenheit durch bergbauliche Einwirkungen speziell ab (OVG Saarland, ZfB 1997, 47; ZfB 1993, 219; VG Saarland, ZfB 1995, 212; ZfB 1994, 31; BVerwG, ZfB 1998, 30 für fakultativen Rahmenbetriebsplan, OVG Saarland, ZfB 2005, 205 für obligatorischen Rahmenbetriebsplan).
64Die Anfechtungsbefugnis eines Oberflächeneigentümers gegen die Zulassung eines Anhörungsbetriebsplans richtet sich nach der Schwere des Eingriffs in das Eigentum (Näheres § 56 Rn 64, 191 ff.). Allerdings kann wegen der rechtsdogmatischen Verankerung des Sonderbetriebsplans „Abbaueinwirkungen“ nur der grundeigentumsbezogene Schaden Gegenstand des Sonderbetriebsplans und von Einwendungen des Eigentümers sein. Eine Gemeinde kann sich nicht darauf berufen, die Betriebsplanzulassung enthalte keine Schutzvorkehrungen zu Gunsten ihrer gemeindlichen Einrichtungen (OVG NRW, ZfB 2003, 283; VG Regensburg, ZfB 1995, 145), der Kanalisation, des Dorfgemeinschaftshauses. Ein Grundstückseigentümer kann nicht geltend machen, durch die Zulassung des Sonderbetriebsplans werde weiteren Immissionen durch den Betrieb des Förderschachtes Vorschub geleistet. Grundeigentümern, die nur von kleinen oder mittleren Bergschäden betroffen sind, fehlt die Klagebefugnis gegen den Sonderbetriebsplan „Anhörung (VG Düsseldorf, ZfB 1992, 269), jedenfalls verletzt die Zulassung sie nicht in ihren Rechten (VG Gelsenkirchen, ZfB 1992, 287 betreffend Rahmenbetriebsplan, ZfB 1992, 294 betreffend Sonderbetriebsplan, ferner VG Stade, ZfB 1991, 222; Beckmann, DVBl 1989, 671; Kühne, JZ 1990, 139).
65 Verfahrensrechtlichist zu bedenken, dass die Ermittlung der Kriterien und der betroffenen Grundstückseigentümer nicht gem. § 52 Abs. 4 durch Nachweise des Unternehmers erfolgen kann, da dort nur die Voraussetzungen des § 55 angesprochen sind, nicht die des § 48 Abs. 2 Satz 1, die Grundlage für die Einbeziehung schwerer Schäden in ein Sonderbetriebsplanverfahren sind. Stattdessen gilt der Amtsermittlungsgrundsatz des § 24 VwVfG, wobei der Bergbauunternehmer nach § 26 VwVfG mitwirken soll (Knof, Bochumer Beiträge S. 58). Bei Ermittlung der am Verfahren zu beteiligenden Eigentümer müssen die Einwirkungen und die Eigentumsgrenzen parzellenscharf erfasst werden. Zusätzlich zur Beteiligung jedes einzelnen der von der Bergbehörde ermittelten Oberflächeneigentümer, die von schweren Bergschäden betroffen sein werden, wird der Sonderbetriebsplan zur Öffentlichkeitsbeteiligung ausgelegt (Keienburg, NVwZ 2013,1123, 1126).
5.Sonderbetriebsplan „Abbau“
66Der durch die Bergbehörde zugelassene Sonderbetriebsplan „Anhörung“ bzw. „Einwirkungen“ gibt dem Unternehmer (noch) nicht das Recht, den geplanten Abbau durchzuführen. Dies folgt erst aus der Zulassung eines weiteren Sonderbetriebsplans„Abbau (oder „Abbau in Flöz Albert, Bauhöhe Ro 67“), in dem alle betriebs- und sicherheitstechnischen Einzelheiten für den Abbau festgelegt werden (Kremer/Neuhaus gen. Wever, Rn 201). Im Sonderbetriebsplan „Abbau“ werden die Belange schwer betroffener Oberflächeneigentümer nicht erneut thematisiert.
67Sonderbetriebsplan „Abbau“ und Sonderbetriebsplan „Anhörung“ stehen in einem konvexen Verhältnis mit Abschichtungswirkung zueinander (Schmidt-Aßmann/Schoch, Bochumer Beiträge, S. 202). Sie werden gestaffelt beantragt und zugelassen, sind jedoch zwei Seiten eines einheitlichen Planungs- und Entscheidungsprozesses. Schadensmindernde Maßnahmen werden nur im betriebsexternen Teil, dem Sonderbetriebsplan „Anhörung“ festgelegt. Spätere Änderungen der Sach- und Rechtslage können nur unter Beachtung der Bestandskraft des Sonderbetriebsplans „Anhörung“ und des § 56 Abs. 1 Satz 2 in den Sonderbetriebsplan „Abbau“ aufgenommen werden. Aus der Zulassung des Sonderbetriebsplanes kann kein Anspruch auf die erforderliche Zulassung des Sonderbetriebsplanes „Abbau“ oder des erforderlichen Haupbetriebsplanes hergeleitet werden. Vielmehr kann die Zulassung des Sonderbetriebsplanes „Anhörung“ davon abhängig gemacht werden, dass der Hauptbetriebsplan zugelassen und vollziehbar ist.
68Eine Anfechtung der Zulassung des Sonderbetriebsplans „Abbau“ ist nicht mehr zulässig, wenn der Eigentümer versäumt hat, seine Rechte im Sonderbetriebsplanverfahren „Anhörung“ bzw. „Einwirkungen“ geltend zu machen (Knöchel, ZfB 1993, 136 mit Verweis auf BVerwG, NVwZ 1989, 1162 = ZfB 1989, 210).
69Die Sonderbetriebsplanzulassung Abbau (Flöz Albert) erledigt sich nicht mit der Beendigung des Abbaus einschl. mit der Verfüllung der Stollen (VG Gelsenkirchen, ZfB 1992, 147; ZfB 1992, 294; a. A. Pollmann/Wilke, S. 219). Erst der Abschlussbetriebsplan führt gem. § 53 Abs. 1 zur Einstellung des Betriebes. Bis er zugelassen ist, sind nachträgliche Ergänzungen, Änderungen des Sonderbetriebsplans und Anfechtungsklagen von Oberflächeneigentümern zulässig.
6.Sonderbetriebsplan „Folgen des Grundwasseranstiegs“
70Die bergbauliche Praxis hat im Sanierungsbergbau ferner den Sonderbetriebsplan„Folgen des Grundwasseranstiegs entwickelt. Bedingt durch die Entnahme von Braunkohle, Kiesen, Sanden oder Tonen wurde ein Massendefizit geschaffen, es entstanden Tagebaurestlöcher. Die Einstellung des Gewinnungsbetriebs und der betriebsbedingten Grundwasserabsenkungsmaßnahmen führt naturgegeben zu einer Füllung der Tagebaurestlöcher mit aufsteigendem Grundwasser. Hinzu kommt unter Umständen noch eine Flutung mit abgeleitetem Oberflächenwasser. Zu Rechtsfragen des Braunkohle-Sanierungsbergbaus s. § 53 Rn 86.
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