Von ihrer schönsten Seite zeigt sich die Inselhauptstadt bei der Ankunft mit der Fähre: Am Ende des tief eingeschnittenen Golfs von Vathí staffeln sich die Häuser wie ein Amphitheater, überragt von steilen Hügeln, auf deren Gipfeln der blanke Fels das dichte Grün durchbricht.
Aus der Nähe betrachtet, erweist sich zumindest das Zentrum von Sámos-Stadt als nicht mehr gar so malerisch, sondern als eher neuzeitlich, quirlig und alltagsorientiert. Tourismus findet durchaus kräftig statt; am Angebot an Hotels, Restaurants, Bars und Souvenirständen gibt es nichts zu mäkeln. Im Vergleich zu Pythagório und Kokkári, den beiden anderen Städtchen des Inselostens, stellt Sámos gleichzeitig jedoch geradezu eine Heimstatt griechischen Alltags dar. Immerhin etwa 8000 Einwohner leben in der größten Siedlung der Insel, durchaus genug, um die Uferpromenade auch außerhalb der Saison nicht völlig verwaisen zu lassen.
Auf den ersten Blick erstaunen mag die große Zahl der Besucher, die sich für ein paar Tage oder gar Wochen in der Hauptstadt einquartieren, gibt es hier doch praktisch keine brauchbaren Strände, vom winzigen Strand von Gángou einmal abgesehen. Mit Badefreuden kann Sámos-Stadt deshalb kaum dienen, zumal die Wasserqualität der Bucht insgesamt nicht die beste ist.
Als Ausgangspunkt für Inselentdeckungen bleibt das Städtchen trotz dieses Mankos aber erste Wahl: Trotz seiner geographischen Randlage bildet Sámos-Stadt das Zentrum nicht nur des Fähr-, sondern auch des Busverkehrs, eignet sich deshalb gerade auch als Standort für Wanderer. Im Ort finden sich die besten Einkaufsmöglichkeiten der Insel, außerdem das schönste und am besten bestückte Museum von Sámos. Und in der Umgebung kommen dann auch Strandliebhaber auf ihre Kosten ...
Weit geschwungen: die Hafenbucht der Hauptstadt
Zur Benennung: Eigentlich heißt die Hauptstadt seit geraumer Zeit offiziell ja Sámos, doch ist im Alltagsgebrauch der alte Name Vathí vorherrschend geblieben. Auf Bus- und Fährplänen wird mal der eine, mal der andere Name benutzt, wobei die offizielle Bezeichnung sicher die besseren Zukunftsperspektiven hat. Das kann schon mal zu Verwirrungen führen, zumal statt Vathí auch der Ausdruck Káto Vathí („Unter-Vathí“) Verwendung findet. Er dient zur Unterscheidung von Áno Vathí („Ober-Vathí“), der auf einem Hügel im Süden gelegenen Oberstadt, die bis heute den Charakter einer eigenständigen Siedlung trägt.
Orientierung: Sámos-Stadt schmiegt sich halbrund in den Scheitelpunkt des 5 km langen und bis zu eineinhalb Kilometer breiten Golfs Kolpos Vathéos. Mittelpunkt des Geschehens ist die Uferstraße Themistoklí Sofoúli, meist schlicht Sofoúli (oder Paralía) genannt, die sich rund um das Ende des Golfs erstreckt.
Die Uferstraße fungiert als Promenade und erste Adresse für Fähragenturen, Hotels und Terrassencafés vor allem bis zur Höhe des palmenbestandenen Hauptplatzes Platía Pythágoras, den man leicht an seiner großen Löwenstatue erkennt. Parallel zur Sofoúli verläuft die Fußgänger- und Einkaufszone Likoúrgou Logothéti, die ganz überwiegend vom Tourismus geprägt wird. In ihrer Verlängerung jenseits der Platía Pythágoras trifft sie als Kapetán Stamátis, nunmehr mit Geschäften versehen, die vorwiegend den einheimischen Bedürfnissen dienen, auf das zweite Zentrum von Sámos-Stadt: den Bereich um den Stadtpark, in dem auch das Rathaus und das Archäologische Museum liegen. Noch weiter südlich entstand eine Verlängerung der Uferstraße in Richtung Kokkári; das immer noch recht öde Gebiet lädt jedoch zum kaum zum Bummeln ein.
Eher als Kuriosum erwähnenswert ist die große Umgehungsstraße, die vom Gebiet bei Tris Ekklisiés (an der Straße Richtung Pythagório) in weitem Bogen oberhalb von Kalámi bis weit hinter das Hospital verläuft; die schnellere Zufahrt zum Krankenhaus war auch das offizielle Argument für diese sehr „großzügig“ geplante Umgehung.
Das alte Áno Vathí besetzt die Hänge im Süden des Städtchens. Hier oben lässt sich zwischen den alten, in traditioneller Bauweise errichteten Häusern noch jene Idylle finden, die man unten im betriebsamen Hauptort vielleicht manchmal vermisst. Zumindest einen Spaziergang durch die steil ansteigenden Gassen des ruhigen Ortsteils sollte man in jedem Fall einplanen. Leider entvölkert sich Áno Vathí fast zusehends - noch vor zwanzig Jahren lag die Einwohnerzahl hier um fast ein Viertel höher als heute.
Am Rand des Geschehens: der kleine Fischerhafen von Sámos-Stadt
Ortsgeschichte
Die Vergangenheit der Siedlung ist vergleichsweise kurz, reicht sicher nicht über die Wiederbesiedelung der Insel im 16. Jh. zurück. Die ersten Häuser entstanden damals im Gebiet von Áno Vathí, das sich in seiner Hanglage vor schnellen Piratenüberfällen einigermaßen sicher fühlen durfte. Erst zu Ende des 17. Jh. wagten sich einige Kaufleute hinunter an die Küste; vorerst nur, um dort einzelne Warenlager zu errichten. Der teilautonome Status, den die Insel ab 1832 erhielt, und der damit verbundene kräftige Wirtschaftsaufschwung verhalfen der kleinen Küstensiedlung zu einem rasanten Boom. Vom Hafen Káto Vathí wurden die Güter des Hinterlandes verschifft, gingen Wein, Leder, Seife und der einstmals berühmte Tabak von Sámos in alle Welt. Damals und in den folgenden Jahrzehnten entstanden auch die neoklassizistischen, heute teilweise verfallenden, immer häufiger aber aufwändig renovierten Villen, die dem Ortsbild einen eigenen Reiz verleihen. Angesichts des wirtschaftlichen Erfolges war es nur folgerichtig, dass die aufstrebende Siedlung, mittlerweile die größte der Insel, 1855 zur Hauptstadt ernannt wurde.
Einen Stadtplan, dem auch die Lage der einzelnen Hotels und Restaurants zu entnehmen ist, finden Sie in der hinteren Umschlagklappe.
Bewacht vom „Löwen der Freiheit“: die Platía Pythágoras
Sehenswertes
An Sehenswürdigkeiten bietet Sámos-Stadt mehr Klasse als Masse. Altehrwürdige Bauten wird man in der vergleichsweise jungen Siedlung natürlich vergebens suchen. Höhepunkte eines Stadtbummels sind das hervorragend bestückte Archäologische Museum und der romantische Ortsteil Áno Vathí.
Sofoúli/Platía Pythágoras: Die von Hotelbauten, neoklassizistischen Häusern und einer katholischen Kirche gesäumte Uferpromenade zwischen Hafen und Platía ist der Lebensnerv der Stadt. Am Abend ab etwa zwanzig Uhr füllen sich die Terrassencafés mit Einheimischen und Touristen. Alle Stühle sind so postiert, dass jeder den Boulevard im Blick behalten kann: Hier nämlich spielt sich die allabendliche Vólta ab, der fast rituelle Spaziergang. Auf und ab flanieren die herausgeputzten Pärchen, Teenagergruppen und Familien, die Wendepunkte bilden der Hafen und die Platía Pythágoras. Auch die Cafés des Hauptplatzes sind am Abend dicht belagert. Über die Platía wacht der 1930 aufgestellte Marmorlöwe, der an den griechischen Freiheitskampf erinnert.
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