Reizintensität als Einfluss auf Habituation – niedrige schwellennahe Reizintensität
Ein Kind, das Angst vor Schlangen hat, wird mithilfe von Exposition behandelt. Nach der Erstellung einer Angsthierarchie wird mit der Exposition auf der ersten Angststufe (Regenwürmer) begonnen. Das Kind bekommt einen Regenwurm auf die Hand gelegt und empfindet nach kurzer Zeit keine Angst mehr vor dem Regenwurm. Hätte man in diesem Fall direkt damit angefangen, das Kind mit einer Schlange zu konfrontieren, hätte dieser Anpassungsprozess vermutlich sehr viel länger gedauert, was wiederum in starkem Stress für das Kind resultiert und zu einem Verlust der Therapiemotivation und des Glaubens an die Therapiewirksamkeit geführt hätte.
Voraussetzungen für das Lernen bedingter Reaktionen sind die Kontiguität (zeitlicher Zusammenhang von bedingtem und unbedingtem Reiz), die Reihenfolge (der unbedingte Reiz muss dem bedingten Reiz folgen) und die Wiederholung (die Reizkombination, CS und UCS, muss mehrmals auftreten, die Anzahl ist abhängig von individuellen Merkmalsausprägungen, der Intensität des UCS und der Art der konditionierten Reaktion).
Evaluatives Konditionieren
Beim Evaluativen Konditionieren geht es nicht um die Vorhersage von Reaktionen, sondern um das Erlernen von Einstellungen. Dieser Effekt kann beobachtet werden, wenn ein konditionierter Stimulus (CS) mit einem unkonditionierten Stimulus wiederholt gemeinsam dargeboten wird und der konditionierte Stimulus (CS) durch diese Kontiguität eine dem unkonditionierten Stimulus (UCS) affektiv ähnliche Bedeutung erlangt. Bekommt ein Kind bei jedem Zahnarztbesuch von der Zahnärztin ein kleines Spielzeug und wird freundlich empfangen, so verknüpft das Kind den Zahnarztbesuch z. B. mit etwas Angenehmen.
2.2 Operante Konditionierung
Bei der operanten Konditionierung (Verstärkungslernen, instrumentelles Lernen) wird die Auftretenswahrscheinlichkeit von einem Verhalten durch dessen Konsequenzen erhöht oder verringert. Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung wird hier die Beziehung zwischen dem eigenen Verhalten und dessen Konsequenzen gelernt und nicht jene zwischen Reizereignissen. So kann problematisches Verhalten durch die Wirkung der nachfolgenden Konsequenzen aufrechterhalten werden. Skinner (1951, 1953) zeigte die operante Konditionierung (auch Lernen am Erfolg) in Tierexperimenten. Natürlich auftretendes Verhalten wird häufiger ausgeführt, wenn es positive Folgen hat. Anders herum wird es bei negativen Folgen seltener ausgeführt (
Tab. 2.1).
Tab. 2.1: Vierfeldertafel zum operanten Lernen
DarbietungEntfernung
Verstärkung führt dazu, dass Individuen ihr Verhalten gehäuft zeigen. Es lassen sich zwei Arten von Verstärkung unterscheiden:
• Positive Verstärkung: auf ein Verhalten erfolgt eine angenehme Konsequenz (z. B. Lob fürs Zimmer aufräumen).
• Negative Verstärkung: auf ein Verhalten fällt eine unangenehme Konsequenz weg (z. B. bei Prüfungsängsten zu Hause zu bleiben, wenn eine Prüfung ansteht, führt zu einer Abnahme der Angst).
Psychische Störungen können durch Verstärkung entstehen bzw. deren Aufrechterhaltung lässt sich durch Verstärkung erklären.
Bestrafung hingegen resultiert in einer verminderten Häufigkeit des Verhaltens. Auch hier lassen sich zwei Arten unterscheiden:
• Bestrafung Typ I: es erfolgt ein direkter Strafreiz (z. B. man soll den Abwasch machen, weil man nicht auf die Eltern gehört hat).
• Bestrafung Typ II: eine positive Verstärkung wird entzogen (z. B. Fernsehverbot, wenn Hausaufgaben nicht gemacht wurden).
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Verstärker verabreicht werden können. Diese haben u. a. Auswirkungen auf die Lerngeschwindigkeit und den Löschungswiderstand des Verhaltens. Grob unterscheidet man zwischen der kontinuierlichen und der intermittierenden Verstärkung. Bei der kontinuierlichen Verstärkung erfolgt die Verstärkung nach jedem erwünschten Verhalten, was einen schnellen Verhaltensaufbau zur Folge hat. Bei der intermittierenden Verstärkung hingegen wird das Verhalten nur teilweise verstärkt, weshalb dieses eine hohe Löschresistenz und Stabilität hat. Die intermittierende Verstärkung kann noch weiter in Quoten- und Intervallpläne unterteilt werden, welche wiederum fest oder variabel sein können (
Abb. 2.2):
• Bei der fixen Quotenverstärkung wird die Verstärkung nach einer bestimmten Anzahl an Reaktionen gegeben. Sie bewirkt eine hohe Reaktionsrate, nach längerer Zeit aber auch Habituation bzw. Sättigung. Z. B. bekommt ein Kind mit ADHS nach fünf Matheaufgaben einen Punkt.
• Die variable Quotenverstärkung ist dadurch gekennzeichnet, dass eine bestimmte Anzahl von Reaktionen im Durchschnitt verstärkt werden. Sie führt langfristig zu stabilerem Reaktionsverhalten als die fixe Quotenverstärkung. Z. B. bekommt ein Kind mit ADHS einen Punkt, wenn es nicht mehr als fünf Fehler bei den Hausaufgaben gemacht hat.
• Bei der fixen Intervallverstärkung wird nach dem letzten verstärkten Verhalten für ein bestimmtes Zeitintervall gewartet, bevor die Reaktion, wenn sie danach gezeigt wird, erneut verstärkt wird. Dies bewirkt, dass die Reaktionsrate nach erfolgter Verstärkung zunächst niedrig ist und dann wieder ansteigt. Z. B. soll das Kind mit ADHS seine Hausaufgaben machen. Wenn es dies tut, bekommt es alle 10 Minuten einen Punkt.
• Bei der variablen Intervallverstärkung wird ein durchschnittliches Intervall abgewartet, bevor die erwünschte Reaktion wieder verstärkt wird. Dies bewirkt eine stabile Reaktionsrate. Z. B. bekommt das Kind mit ADHS bei den Hausaufgaben immer mal wieder einen Punkt. Am Anfang vielleicht häufiger, um das Verhalten zu initiieren und im Verlauf variabler.
In der Therapie sollte man bei Wunsch eines Verhaltensaufbaus zunächst kontinuierlich jede erwünschte Reaktion verstärken und in einem zweiten Schritt zu einer
Abb. 2.2: Verstärkerpläne
fixen Quotenverstärkung übergehen (z. B. im Verhältnis 1:5). Ist das erwünschte Verhalten etabliert, geht man zu einer intermittierenden Verstärkung in Form einer variablen Quoten- oder Intervallverstärkung über. Durch die gezielte Veränderung von Verstärkerplänen können komplexe Verhaltensweisen und Verhaltensketten aufgebaut werden. Dazu zählen Shaping (Verhaltensformung), Chaining (Verhaltensverkettung), Prompting (Verhaltensprovokation), differenzielle Verstärkung und die Methode der inkompatiblen Reaktionen (zur Reduktion von unerwünschten Verhaltensweisen). Beim Shaping werden alle Verhaltensformen oder auch Äußerungen verstärkt, die dem gewünschten Zielverhalten ähnlich sind. Dabei verändern sich die Kriterien für Verstärkung schrittweise, indem die Schwierigkeit, die Verstärkung zu erreichen, allmählich erhöht wird. Am Ende erfolgt die Verstärkung nur noch dann, wenn das Verhalten richtig ausgeführt wird. Beim Chaining geht es nicht nur um das Erlernen einzelner Verhaltensweisen, sondern um das Lernen von ganzen Abfolgen von Verhaltensweisen. Durch die Verhaltensverkettung können mit Hilfe von Verstärkern sukzessiv einzelne Elemente zu bestehenden Komponenten hinzugefügt werden. Ausgangspunkt des Lernprozesses ist jeweils das letzte Glied in der Verhaltenskette. Beim Prompting handelt es sich um eine verbale Anweisung, bei der dem Kind gesagt wird, was es tun soll. Für den erfolgreichen Einsatz von Prompting muss das Kind genau verstehen, was mit der Anweisung gemeint ist und das erwünschte Verhalten muss im Anschluss an die Durchführung verstärkt werden. Bei der differenziellen Verstärkung wird das erwünschte Verhalten konsequent verstärkt, während man das unerwünschte entweder nie verstärkt (Löschung) oder durch Bestrafung unterdrückt. Bei der Methode der inkompatiblen Reaktionen erfolgt der Aufbau eines erwünschten Verhaltens bei gleichzeitigem Abbau eines unerwünschten Verhaltens. Hintergrund dieses Vorgehens ist, dass ein Kind in einer Situation nicht zwei Aktivitäten gleichzeitig ausführen kann.
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