Der Autor
Dr. Mathias Schwabe (Dipl.-Päd., systemischer Berater und Supervisor) lehrt und forscht als Professor für Methoden der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule Berlin.
Mathias Schwabe
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Gewidmet in Dankbarkeit meinen Eltern, Anneliese und Gottfried Schwabe (1928–2016), mit denen ich als Jugendlicher viel und heftig gestritten habe.
1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-030563-2
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-030564-9
epub: ISBN 978-3-17-030565-6
mobi: ISBN 978-3-17-036313-7
Ich bin sehr froh, mit diesem Buch die Gelegenheit bekommen zu haben, mich auf eine doppelte Reise zu begeben: Auf eine Rundreise in Sachen Literatur zum Jugendalter, bei der ich mir neues, spannendes Wissen aneignen konnte, und auf mehrere Beobachtungsreisen in Sachen Jugendkulturen bzw. Verhalten konkreter Jugendlicher, die sich von mir befragen oder beobachten ließen. Das Besondere dabei war für mich nicht in erster Linie, als Pädagoge unterwegs zu sein, von dem man erwartet, dass er auf Erziehungsprobleme fokussiert und anzugeben weiß, wie diese, wenn schon nicht zu lösen, so doch wenigstens so zu behandeln sind, dass sie nicht weiter eskalieren. Das war und ist meine Rolle seit vielen Jahren als Sozialpädagoge in Wohngruppen, als Heimleiter, Fortbildner, Supervisor und als Experte in Sachen »schwierige« Jugendliche. In diesem Buch war ich und habe ich mich von dieser Aufgabe befreit. Ich habe den Blick eher auf normal belastete und mit vielen Ressourcen ausgestattete Jugendliche gerichtet, habe mir von ihnen ihre Welt erklären lassen und war überrascht, wie viel mir eingeleuchtet und mich fasziniert hat. Dafür danke ich allen Jugendlichen, die in diesem Buch eine Rolle spielen.
Danken möchte ich aber auch Rolf Göppel als Herausgeber dieser Reihe für das Vertrauen, das er in mich gesetzt hat, als er mir diesen Titel anvertraut hat, dem Kohlhammer-Verlag für den Langmut und das Verständnis für meine wiederholten Terminverschiebungen beim Anfangen und Fertigwerden des Buches, und meinem Freund Karlheinz Thimm, der mich erneut als Erstleser mit klugen Kommentaren unterstützt hat. Herrn Magister Paulus Fischer habe ich zunächst über seine herausragende Diplomarbeit über Skater bzw. das Skaten kennen gelernt. Er hat mich aber auch intensiv bei meinen weiteren Recherchearbeiten beraten und mir viele Quellen erschlossen, die ich alleine nicht gefunden hätte.
Danken möchte ich aber auch meinen Kolleg*innen von der Evangelischen Hochschule Berlin: Aristi Born für wichtige Hinweise auf entwicklungspsychologische Theoriezusammenhänge, Rebecca Streck für die Erinnerung an die Gender- und Konstruktivismus-Dimensionen beim Ausdeuten von Lebenswelt-Szenen und Sebastian Schröer als Experten für die Hip-Hop-Kultur für sachkundige Hinweise und die Ermutigung, mich als auch Fremder in die Szene zu mengen. Dr. Elisabeth Tornow hat nicht nur gewissenhaft lektoriert, sondern mir auch zahlreiche Fragen gestellt, die an mehreren Stellen zu einer Verbesserung des Buches geführt haben.
Nicht zuletzt danke ich meiner Frau Sylvia, die mich auch dieses Mal hat ziehen lassen, damit ich weit weg von Berlin und für Wochen ganz alleine meine Gedanken sammeln und niederschreiben konnte.
Berlin im September 2020
Mathias Schwabe
1
Entwicklungsgrundlagen und -herausforderungen
Beobachtet man Jugendliche beim Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter, stellt sich die Frage, in welchen Bereichen sie Umbrüche erleben und mit Neuorientierungen beschäftigt sind und in welchen anderen sie bisher Entwickeltes weiter nutzen können oder lediglich ausbauen müssen. So ist z. B. der Bereich der Sexualität einer, bei dem mit dem Einsetzen der Pubertät eher Um- und Aufbrüche zu erwarten sind (vgl. Wendt 2019). In sexueller Hinsicht wird vieles erstmalig erlebt und ausprobiert und drängt darauf, alleine oder im Austausch mit anderen verarbeitet zu werden ( Kap. 4.1
). Dagegen stellt die Orientierung des eigenen Verhaltens an Normen und Regeln und die Beachtung von Grenzen Anderer einen Bereich dar, in dem im Verlauf der Kindheit bereits vieles grundgelegt wurde. Daran können junge Menschen und Pädagog*innen unmittelbar anknüpfen. Es kann sich im Übergang zur Adoleszenz allerdings auch zeigen, dass in der Kindheit diesbezüglich einiges versäumt wurde und nun, angesichts gestiegener Erwartungen an Selbstregulierung, fehlt, sodass es über kurz oder lang zu Konflikten mit Vertretern der Gesellschaft kommen muss, auch weil mit 14 Jahren die Strafmündigkeit einsetzt.
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Denn bei aller Gewöhnung an den Anspruch, dass Regeln und Grenzen zu beachten sind, kann es geradezu als Beweis für den Eintritt ins Jugendalter gelten, wenn Jugendliche auf Verhaltensvorschriften zunehmend widerständig reagieren und den Anspruch erheben, selbst bestimmen zu wollen, wie sie ihr Leben und ihre Beziehungen gestalten. Konkret bedeutet das z. B. für das Ordnungssystem Familie: Jugendliche wollen selbst entscheiden, ob bzw. wie oft sie ihr Zimmer aufräumen oder weiter am gemeinsamen Abendessen teilnehmen, wann sie ihre Hausaufgaben erledigen oder Samstagnacht von der Disko nach Hause kommen etc. Auch wenn damit über Jahre eingespielte Regeln angezweifelt werden und ihre Beachtung brüchig wird, bedeutet das in den meisten Fällen nicht, dass die Jugendlichen das Beziehungsgefüge Familie oder die Werte ihrer Eltern grundsätzlich in Frage stellen ( Kap. 3.2
). Die »alte« Ordnung der Familie wird umgebaut, flexibilisiert und an neue Bedürfnisse angepasst, aber nicht aufgelöst. Dabei zeigt sich aber, dass Jugendliche sehr genaue Vorstellungen davon haben, was ihre eigenen Domänen sind oder sein sollten, und wo sie glauben, sich gegen Einmischungs- und Kontrollversuche zur Wehr setzen zu müssen, auch wenn das zu Konflikten führt.
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