David Steindl-Rast
Betrachtungen
Mit Kalligraphien von Shams Anwari-Alhosseyni
Das Wort „Gott“…
1 ar-Raḥmān der ERBARMER
2 ar-Raḥīm der BARMHERZIGE
3 al-Malik der KÖNIG
4 al-Quddūs der HEILIGE, der Vollkommene, der Reine
5 as-Salām der FRIEDE, die Quelle des Friedens
6 al-Mu’min der VERLÄSSLICHE, der Wahrer der Sicherheit
7 al-Muḥaymin der BESCHÜTZER und Behüter
8 al- cAzīz der ALLMÄCHTIGE, der Ehrwürdige
9 al-Ǧabbār der KRAFTVOLLE
10 al-Mutakabbir der ERHABENE, der Vornehme, der Stolze
11 al-Ḫāliq der SCHÖPFER
12 al-Bāri’ der Schaffende, der URSPRUNG
13 al-Muṣawwir der FORMENDE, der jedem Ding seine Form Gebende
14 al-Ġaffār der VERGEBENDE
15 al-Qahhār der Alles-Bezwinger, die OBERHAND
16 al-Wahhāb der Geber und Verleiher, der SICH ENTÄUSSERNDE
17 ar-Razzāq der VERSORGER
18 al-Fattāḥ der ÖFFNENDE
19 al- cAlīm der Allwissende, der ALLES ERKENNENDE
20 al-Qābiḍ der VERWEIGERNDE, der Gaben nach Seinem Ermessen zurückhält
21 al-Bāsiṭ der GEWÄHRENDE, der Gaben ausreichend und großzügig gewährt
22 al-Ḫāfiḍ der DEMUT SCHENKT, der Erniedriger der Hochmütigen und der zu Unrecht Stolzen
23 ar-Rāfi cder Erhörer der Demütigen und Bescheidenen, der ERHEBER
24 al-Mu cizz der wirkliche Ehre verleiht, der EHRENDE
25 al-Muḏill der EHRE ENTZIEHENDE, der Demütiger der Unterdrücker von Mitmenschen
26 as-Samī cder HÖRENDE
27 al-Baṣīr der SEHENDE
28 al-Ḥakam der RICHTER
29 al- cAdl der GERECHTE
30 al-Laṭīf der FEINFÜHLIGE, der Gütige, der das Feinste in allen Dimensionen erfasst
31 al-Ḫabīr der EINSICHTSVOLLE, der um die Regungen des Herzens Wissende
32 al-Ḥalīm der NACHSICHTIGE, der Mitfühlende
33 al- cAẓīm der ERHABENE, der Großartige
34 al-Ġafūr der IMMER WIEDER VERZEIHENDE
35 aš-Šakūr der DANKBARE
36 al- cAlīy der HÖCHSTE
37 al-Kabīr der GROSSE
38 al-Ḥafīẓ der BEWAHRER, der die Taten seiner Diener bis zum Jüngsten Tag erhält
39 al-Muqīt der ERNÄHRENDE
40 al-Ḥasīb der BERECHNENDE
41 al-Ǧalīl der MAJESTÄTISCHE
42 al-Karīm der GROSSZÜGIGE, der Großmütige
43 ar-Raqīb der WACHSAME
44 al-Muǧīb der ERHÖRER DER GEBETE
45 al-Wāsi cder ALLES UMFASSENDE, der Weite
46 al-Ḥakīm der WEISE
47 al-Wadūd der LIEBEVOLLE, der alles mit seiner Liebe Umfassende
48 al-Maǧīd der GLORREICHE
49 al-Bā ciṯ der AUFERWECKER der Toten, der die Menschen am Jüngsten Tag wieder zum Leben erwecken wird
50 aš-Šahīd der ZEUGE
51 al-Ḥaqq der WAHRE
52 al-Wakīl der VERTRAUENSWÜRDIGE, der Helfer und Bewacher
53 al-Qawīy der STARKE
54 al-Matīn der FESTE, der DAUERHAFTE, der einzig wirklich Starke
55 al-Walīy der Schutz, der Freund, der BESCHÜTZER
56 al-Ḥamīd der PREISWÜRDIGE, dem aller Dank gehört
57 al-Muḥṣī der ALLES AUFZEICHNENDE
58 al-Mubdi' der ALLES BEGINNENDE
59 al-Mu cīd der WIEDERHOLENDE, der alles wieder zum Leben Erweckende
60 al-Muḥyī der LEBENSPENDENDE
61 al-Mumīt der TÖTENDE, in dessen Hand der Tod ist
62 al-Ḥayy der LEBENDIGE
63 al-Qayyūm der EWIGE
64 al-Wāǧid der DASEIN GEBENDE
65 al-Māǧid der RUHMVOLLE
66 al-Wāḥid der EINE
67 al-'Aḥad der EINZIGE
68 aṣ-Ṣamad der GRUNDLOSE GRUND ALLEN SEINS
69 al-Qādir die VORSEHUNG
70 al-Muqtadir der ALLES BESTIMMENDE
71 al-Muqaddim der VORWÄRTSBRINGER
72 al-Mu'aḫḫir der AUFSCHIEBENDE
73 al-'Awwal der ERSTE OHNE BEGINN
74 al-'Aḫir der LETZTE OHNE ENDE
75 aẓ-Ẓāhir der OFFENBARE, auf den alles, was es gibt, klar hinweist
76 al-Bāṭin der VERBORGENE, den niemand wirklich begreifen kann
77 al-Wālī der HERRSCHENDE
78 al-Muta cālī der REINE
79 al-Barr der GUTE
80 at-Tawwāb der FREISPRECHENDE, der die Reue seiner Diener Annehmende
81 al-Muntaqim der GERECHTE VERGELTER
82 al- cAfw der Vergeber der Sünden, der VERZEIHER
83 ar-Ra'ūf der MITLEIDIGE
84 mālik al-Mulk der Inhaber der königlichen Souveränität und Macht, der MACHTHABER
85 ḏū ′l-ǧalāl wa-′l- 'ikrām der EHRWÜRDIGE, dem Majestät und Ehre gebühren
86 al-Muqsiṭ der UNPARTEIISCH RICHTENDE
87 al-Ǧāmi cder VERSAMMELNDE, der alle Menschen am Jüngsten Tag versammeln wird
88 al-Ġanī der REICHE, der niemanden braucht
89 al-Muġnī der VERLEIHER DER REICHTÜMER
90 al-Māni cder ZURÜCKWEISENDE, der Hindernde
91 aḍ-Ḍārr der SCHADEN ZUFÜGENDE
92 an-Nāfi cder VORTEIL GEBENDE
93 an-Nūr das LICHT
94 al-Hādī der LEITUNG GEBENDE
95 al-Badī cder SCHÖPFER DES NEUEN
96 al-Bāqī der EWIG BLEIBENDE
97 al-Wāriṯ der EINZIGE ERBE, denn außer Ihm ist nichts beständig
98 ar-Rašīd der FÜHRUNG GEBENDE
99 aṣ-Ṣabūr der GEDULDIGE
ER lässt sich schauen in den Schriftzeichen
Register
… stammt aus der folgenschwersten Entdeckung der Menschheitsgeschichte: Es ist ein vorgeschichtliches Artefakt, das heute noch glüht vom Feuer, in dem es geschmiedet wurde in der Esse mystischer Erfahrung. Was unseren urältesten Vorfahren da auf der Schwelle zur Menschwerdung aufleuchtete, war die Einsicht, dass wir zu dem unergründlichen Geheimnis des Lebens – des Alls, der Wirklichkeit – in persönlicher Beziehung stehen, dass wir es anrufen können, weil es uns anruft. Die Bedeutung von „anrufen“ kennzeichnet die Sprachwurzel des Wortes „Gott“. Es ist kein Name, sondern weist hin auf unsere Beziehung zum Namenlosen; es ist keine Bezeichnung für irgendein Wesen, sondern weist hin auf den Ur-Sprung aller Wesen aus dem Nicht-Sein ins Sein, es ist also ein Wort, dessen gewaltige Aufgabe es ist, hinzuweisen auf das Geheimnis.
„Geheimnis“ in diesem absoluten Sinn ist kein vager Begriff, sondern bedeutet jene tiefste Wirklichkeit, die wir niemals begreifen, wohl aber verstehen können, wenn wir uns von ihr ergreifen lassen. Wir alle kennen den Unterschied zwischen begreifen und verstehen aus unserer Erfahrung mit Musik: Ihr Wesen lässt sich nicht begrifflich erfassen, nicht intellektuell begreifen, und doch können wir es verstehen, im Augenblick, in dem die Musik uns ergreift. Ergriffenheit erlaubt uns ein Verständnis, ein Drinstehen, das weit hinausgeht über jenes Begreifen, das an die Dinge von außen herangeht. Was wir so an Musik erleben, gilt auch vom Geheimnis. Gerade durch Ergriffenheit von Musik kann uns oft das Große Geheimnis ergreifen, aber auch durch jede andere ergreifende Erfahrung, da es ja Grund und Urgrund für alles ist, was wir erfahren.
Ergriffenheit macht sprachlos. Unter dem hochgewölbten Sternenhimmel verstummen wir. In ihrer ganzen Größe erscheint uns die freie Natur überwältigend. Anders ist es, wenn wir durch Fenster auf sie hinausschauen. Da wirkt sie vertraut und überschaubar. Durch Gottesnamen betrachten wir das übermächtige Geheimnis wie durch Fenster, sonst würde es uns verstummen lassen. Menschliche Fassungskraft bestimmt die Form dieser Fenster und begrenzt ihre Größe. Keines von ihnen kann alles zeigen, keines zeigt genau das gleiche Bild. Schon aus diesem Grunde ist es reizvoll, Gottesnamen anderer religiöser Traditionen kennenzulernen. Heute kommt noch ein weit gewichtigerer Grund dazu: Allzu oft wird Teilansicht gegen Teilansicht ausgespielt, ein Name gegen den anderen – bis zum gegenseitigen Blutvergießen.
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