1 ...6 7 8 10 11 12 ...22 SchülerInnen kritisieren, dass ihre Interessen zu wenig Berücksichtigung fänden, der Unterricht oft nicht praxisorientiert sei und einem immer gleichen Ablauf folge. Starre Methodenkonzepte, reproduktive Arbeitsformen sowie mechanische, sinnleere Tätigkeiten würden zu Langeweile führen und Enttäuschung hervorrufen (vgl. Haselbeck 1999:116f.). Langeweile sei das am stärksten empfundene Problem im Schulalltag, wobei dies weniger im Desinteresse an den Unterrichtsinhalten begründet liege als vielmehr in der methodischen Gestaltung des Unterrichts durch die Lehrkraft (vgl. Fichten 1993:132). Wird der Unterricht als monoton, methodisch wenig flexibel, dirigistisch und auf die Lehrkraft zentriert erlebt, schränke dies die Möglichkeiten der Mitbestimmung und des selbstständigen Lernens stark ein (vgl. Hagstedt 1980:38f.; Haecker & Werres 1983 94f.; Fichten 1993:133).
Der Wunsch, mehr einbezogen und zum Mitmachen angeregt zu werden2, geht einher mit der Forderung nach variierenden, aktivierenden Unterrichtsmethoden. Nach Meinung der SchülerInnen würden durch mehr eigenständiges Arbeiten im Unterricht auch das Interesse und die Freude der Lernenden steigen. Alternative Formen der Unterrichtsgestaltung, so z.B. Spiele und Wettkämpfe, Lernen außerhalb der Schule, Projektwochen und Praktika sowie die Durchführung von Versuchen und Arbeit im Sprachlabor, werden positiv hervorgehoben (vgl. Czerwenka et al. 1990:90). Auch wenn dies größere Lernanstrengungen bedeutet, bevorzugen SchülerInnen einen solchen Unterricht und erfüllen die Pflichten mit mehr Bereitschaft (vgl. Bocka 2003:141ff.). Diesbezüglich scheint sich in den Wünschen und Schülerwahrnehmungen nur wenig geändert zu haben, bedenkt man, dass bereits die Arbeit von Hagstedt (1980:38f.) zu Beginn der 1980er Jahre zu vergleichbaren Ergebnissen kommt: Wenn SchülerInnen etwas am Unterricht verändern könnten, würden sie hinsichtlich der Aufgaben, Methoden und Lernorte insgesamt mehr Abwechslung bevorzugen.
Was das Wissen und die fachliche Kompetenz von Lehrkräften aus Schülersicht betrifft, liegen nur wenige empirische Erkenntnisse vor. Betrachtet man die vorliegenden Studien zu guten oder schlechten LehrerInnen, äußern sich die Befragten vergleichsweise selten zur wahrgenommenen Fachkompetenz (vgl. Czerwenka et al. 1990:126; Stolz 1997:164). Für SchülerInnen scheint die methodische Kompetenz von Lehrkräften demnach deutlich wichtiger als ihr fachliches Wissen zu sein. Ein möglicher Erklärungsansatz könnte sein, dass die Lernenden mit der fachlichen Kompetenz ihrer Lehrkräfte zufriedener sind als mit anderen Aspekten. So weist Hofer (1981:52) darauf hin, „daß sich Lehrer im fachlichen Bereich durchaus dem Idealbild ihrer Schüler nähern“. Dagegen seien in Bezug auf die emotionale Zuwendung, d.h. die Persönlichkeit und das Lehrer-Schüler-Verhältnis, Differenzen zwischen dem Real- und Wunschbild erkennbar (vgl. ebd.; Kanders et al. 1996:62).
Themen, die das Lehrer-Schüler-Verhältnis betreffend besonders oft angesprochen werden, sind Kontrolle und Disziplinierungsmaßnahmen im Unterricht (vgl. u.a. Haselbeck 1999:341f.). So wird in Arbeiten zur Lehrer-Schüler-Interaktion das Klassenmanagement, d.h. inwiefern Lehrkräfte in der Lage sind, „Interaktionsprozesse im Klassenzimmer in einer lerndienlichen Weise zu organisieren und zu steuern“ (Ophart & Thiel 2017:247), neben Instruktion und Motivierung als eine weitere Basisdimension der Unterrichtsqualität operationalisiert. Dabei zählen die Arbeit mit Normen, Regeln, Prozeduren sowie der Aufbau eines erwünschten Verhaltens ebenso zu den zentralen Anforderungen wie die Steuerung von Unterrichtsprozessen und der Umgang mit Störungen (vgl. ebd.: 250ff.). SchülerInnen erwarten von ihren Lehrenden, dass sie sich durchsetzen können, für Disziplin sowie eine geordnete und ruhige Atmosphäre im Klassenzimmer sorgen. Die Befunde von Walter und Walter (2014:143f.) deuten darauf hin, dass „die Herstellung, Sicherung und Aufrechterhaltung der akademischen Rahmung des Unterrichts“ für Lernende sogar zu den wichtigsten Aufgaben der Lehrperson zählen. Allerdings ist hier zwischen den unterschiedlichen Schulformen zu differenzieren. Die Aspekte Durchsetzungsvermögen und Disziplinierung scheinen dem Erlebensbereich von GymnasiastInnen gegenüber anderen Schulformen weniger zugehörig, da diese Themen von ihnen deutlich seltener hervorgebracht werden. Am Gymnasium wird Durchsetzungsvermögen nur dort als positiv bewertet, wo es dazu dient, Unterrichtsstörungen zu unterbinden und einen reibungslosen Unterrichtsverlauf zu gewährleisten (vgl. König 2007:23). Lernende der Hauptschule stellen die Demonstration von Autorität und Macht offenbar weniger in Frage und neigen eher dazu, diese zu legitimieren (vgl. ebd.: 24). Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen Haecker und Werres (1983:82f.): „Entsprechend stellen Hauptschüler signifikant bzw. sehr signifikant seltener fest, daß der Lehrer herumkommandiert, zuviel redet, nur seine Meinung gelten läßt, einige Schüler bevorzugt oder den Laissez-faire-Stil praktiziert“. In der Folge nehmen die Autoren eine größere Zufriedenheit seitens der HauptschülerInnen an.
Werden SchülerInnen nach ihrer Meinung zu Lehrenden gefragt, nehmen sie häufig Bezug auf das persönliche Verhältnis zu diesen. Da schulisches Lernen in erster Linie durch die unmittelbare Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden geprägt ist, sind es auch diese sozialen Beziehungen, die in der Wahrnehmung der SchülerInnen konstituierende Bedeutung für ihre Lern- und Leistungsentwicklung haben. Die Jugendlichen sind in vielfacher Hinsicht – nicht zuletzt im Rahmen der Leistungsbewertung – auf ihre Lehrenden angewiesen. Dieser im institutionellen Rahmen Schule gegebenen Abhängigkeit von Lehrpersonen sind sie sich durchaus bewusst. So erklärt sich auch, dass sie Interesse an einem sachlich-distanzierten Verhalten sowie klaren Autoritätsverhältnissen äußern. Auch die Gleichbehandlung aller Lernenden, Gerechtigkeit und dass Lehrkräfte ihre Position nicht gegen die SchülerInnen verwenden, sind für sie von herausragender Bedeutung (vgl. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:36f.; Czerwenka et al. 1990:128; Kanders et al. 1996:61).
Der Unterricht müsse stets ein angstfreier Raum sein, in dem Fehler zugelassen werden (vgl. Bocka 2003:145). Nutzen LehrerInnen ihre übergeordnete Stellung gegenüber den Lernenden aus, wird dies als Machtmissbrauch wahrgenommen, der sich bspw. durch Anschreien, Bloßstellen, Demütigungen, ungerechte Beschuldigungen oder unangemessene Strafen äußert (vgl. Holtappels 1987:133ff.; Sochatzky 1988:116; Stolz 1997:164ff.; Haselbeck 1999:341f.). SchülerInnen am Gymnasium scheinen Kritik, Drohungen, Beleidigungen und Beschimpfungen härter und belastender zu empfinden als Lernende anderer Schulformen, was Apel auf deren vermeintlich höheres Sprachvermögen zurückführt (vgl. Apel 1997:137).
Erfahrungen mit autoritären Lehrkräften, bei denen die Lernenden das Gefühl erleben, der Willkür ihrer Lehrperson ausgeliefert zu sein, stören die Lehrer-Schüler-Beziehung nachhaltig und führen zu Unzufriedenheit, Frustration und dauerhaften emotionalen Spannungen (vgl. Haselbeck 1999:341f.). Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Stolz, wonach SchülerInnen „ein hohes Ausmaß an Lenkung/Dirigierung bei gleichzeitiger emotionaler Zurückweisung“ (Stolz 1997:170) schlechten Lehrkräften als charakteristisches Merkmal zuschreiben. Dass Lernende sich vor allem im Falle unzureichender Gerechtigkeitserfahrungen – wie Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner SchülerInnen – zu diesem Thema äußern, lässt darauf schließen, dass Gerechtigkeit erst dann für die Lernenden bedeutsam wird, wenn sie nicht als gegeben vorausgesetzt werden kann (vgl. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:35; Czerwenka et al. 1990:128).
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