1 ...7 8 9 11 12 13 ...22 Positiv erlebte soziale Beziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden hingegen „sind für Schüler eine wichtige Bedingung für ihr Interesse an einem Schulfach und für ihre Zufriedenheit mit ihrer Situation in der Schule“ (Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:34). Auch für das Unterrichtsengagement scheint die Lehrer-Schüler-Beziehung von besonderer Bedeutung zu sein. So sind Lernende mit einem positiven Verhältnis zu ihrer Lehrkraft bei einem Thema, das sie nur wenig interessiert, eher bereit mitzuarbeiten (vgl. Fichten 1993:130). Lehrpersonen sollten freundlich und humorvoll sein, Verständnis zeigen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren SchülerInnen pflegen, im Falle von (Lern‑)Schwierigkeiten Fördermöglichkeiten bereitstellen, bei Konflikten mit anderen Lernenden eingreifen oder Hilfestellungen bieten und sich großzügig zeigen (vgl. u.a. Nölle 1993:171; Haselbeck 1999:338f.; Holl 2007:381). In der Realität, so legen die Ergebnisse von Bocka (2003:145f.) nahe, erleben SchülerInnen ihre Lehrkräfte häufig als zu streng und ungerecht. Vor diesem Hintergrund lässt sich – neben dem Interesse an Subjektneutralität seitens der Lehrkräfte – der gleichzeitige Wunsch nach einem gewissen Subjektbezug erklären:
Die Lehrer sollen auf sie als konkrete Subjekte eingehen, ihre je konkreten Probleme, Bedürfnisse und Erfahrungen berücksichtigen, sich selbst als konkrete Person und nicht nur als „Rollenträger“ in den Unterricht einbringen und so positiv erlebbare, persönliche Beziehungen herstellen. Daher werden Lehrer, die in den Augen der Schüler »kalt« sind und sich im Unterricht „wie Maschinen“ verhalten, ausgesprochen kritisiert. (Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:35f.)
Lernende suchen also nach einer gewissen Ambivalenz bei ihren LehrerInnen. Sie erwarten Autorität, wollen oder können diese aber nur anerkennen, wenn „sie die Lehrer als Person (d.h. ihre persönlichen, sozialen und fachlichen Fähigkeiten und Eigenschaften) akzeptieren“ (Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:37f., Hervorh. im Orig.) können. Hier überlagern sich die beiden Beurteilungsdimensionen Mastery theme und Love theme: D ie Lehrperson soll streng, aber auch nett, durchsetzungsfähig, aber auch verständnisvoll sein. Denner et al. (2002:52) sprechen in diesem Zusammenhang auch von der idealisierten Rollenerwartung des „demokratische[n] Führer[s]“. Probleme entstehen in der Lehrer-Schüler-Beziehung demnach gleichermaßen mit allzu autoritären Lehrkräften wie auch mit solchen, denen es an Durchsetzungsvermögen mangelt (vgl. Haselbeck 1999:341f.).
3.2.2 Unterrichts- und Lerninhalte
Werden SchülerInnen nach ihrer Meinung zu gutem Unterricht befragt, beziehen sich ihre Äußerungen eher selten auf Lerninhalte (vgl. u.a. Bocka 2003:71). Nur wenn diese für die Lernenden besonders ansprechend sind und sich von den sonstigen, eher rezipierenden Unterrichtsaktivitäten unterscheiden, werden explizit Aussagen dazu getroffen (vgl. Hildebrand-Nilshon 1980:54). Lerninhalte scheinen insgesamt weniger wichtig als die Lehrperson und deren Unterrichtsmethoden. Inhalte und die Auseinandersetzung mit diesen werden im Rahmen der Untersuchung von Hagstedt (1980:28) in den Aussagen der Lernenden als „weiße Flecken“ regelrecht ausgeklammert, sodass der Autor gar von „einer demonstrierten Gleichgültigkeit gegenüber dem Lerngegenstand“ spricht. Dabei liegt die Vernachlässigung des Lerngegenstandes in der Schülerperspektive für Hagstedt vor allem in dem häufigen Wechsel der Unterrichtsinhalte begründet. Die Methoden, Umgangs- und Präsentationsformen, die Art und Weise, wie jemand unterrichtet, hingegen seien sehr viel beständiger als die Themen im Unterricht. Während SchülerInnen bei Desinteresse oder Langeweile in Bezug auf die Inhalte abschalten können, falle es ihnen sehr viel schwerer, sich den unterrichtsmethodischen Entscheidungen ihrer Lehrkräfte zu entziehen. Außerdem unterscheide sich die Bedeutung der Unterrichtsinhalte dahingehend, dass aus der Sicht der Lernenden die Auswahl der Themen und Materialien Sache der Lehrenden sei und sie sich dafür nicht zuständig fühlen. Die Unterrichtsplanung und ‑durchführung sei für die Lehrenden sehr viel präsenter als für die Lernenden. Sie sind in ständiger Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand, wohingegen die SchülerInnen ggf. nur punktuell bei der Erarbeitung und Aneignung aktiv werden (vgl. ebd.: 30f.).
Bocka (2003:135) begründet das weitgehende Fehlen von Schüleräußerungen zu den Unterrichtsinhalten u.a. damit, dass diese von den Lernenden als überwiegend langweilig, zu abstrakt, schwer und theoretisch wahrgenommen werden, wobei der Fremdsprachenunterricht in fächerübergreifenden Untersuchungen als positive Ausnahme erscheint, Sprachkenntnisse und landeskundliche Themen hingegen bei den SchülerInnen als interessant und nützlich gelten, sofern diese abwechslungsreich vermittelt werden (vgl. ebd.: 136; Huth & Schröder 1992:24). Eine Ursache für sinkendes Interesse an den Inhalten ist die fehlende Freude am Lernen; nimmt diese ab, steigt die Gleichgültigkeit gegenüber den Lerninhalten (vgl. Nölle 1993:171). Mädchen äußern sich insgesamt etwas positiver. Sie haben mehr Freude und finden den Unterricht interessanter als ihre männlichen Altersgenossen: „Fast ein Viertel der Jungen, aber nur 14,3 % der Mädchen bringen zum Ausdruck, dass ihnen die Schule keinen Spaß macht.“ (Czerwenka et al. 1990:198) Dementsprechend schätzen die Mädchen sich selbst auch als aufmerksamer ein und bringen eine größere Bereitschaft auf, „den Wert und Nutzen dessen, was sie im Unterricht alles lernen, zu akzeptieren“ (Haecker & Werres 1983:61).
Auch in anderen Studien kritisieren die befragten SchülerInnen an den Inhalten vorwiegend, dass diese uninteressant seien. Die Menge der Themen, die als unbrauchbar oder unnütz für das gegenwärtige und spätere Leben eingeschätzt wird, sei zu hoch (vgl. u.a. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982; Haecker & Werres 1983; Haselbeck 1999; Denner et al. 2002). Da die Inhalte den Bedürfnissen der Lernenden häufig nicht gerecht würden, wünschen sie sich einen stärkeren Praxisbezug sowie transparente, alltagsnahe, lebensrelevante Themen, die sich auf die Bewältigung des Alltags- und künftigen Berufslebens vorbereiten.1 Allerdings bleibt dieser Wunsch zumeist unspezifisch, da keine konkreten Äußerungen dazu getroffen werden, was interessant für sie ist. Aus der insgesamt zu großen Stoffmenge resultiert häufig Überlastung und Überforderung, wobei die SchülerInnen in Fächern, denen sie eine große Lernrelevanz zuschreiben, wie Mathematik oder Deutsch, schwierige Inhalte und ungeeignete Methoden eher hinzunehmen scheinen (vgl. Haselbeck 1999:77f.).
Neben einer Stoffreduzierung und Konzentrierung auf das Wesentliche plädieren die Lernenden für größere Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Auswahl der Themen (vgl. Fichten 1993:28f.; Haselbeck 1999:104ff.). Um den Unterricht aufzulockern, sollte außerdem eine größere Flexibilität im Umgang mit dem vorgeschriebenen Curriculum ermöglicht werden (vgl. Bocka 2003:135ff.). Die Auswahl der schulisch verordneten Themen empfinden die Lernenden als willkürlich und ungerecht, was aus ihrer Sicht dazu führe, dass diejenigen SchülerInnen, „deren besondere Interessen zufällig mit den angebotenen Inhalten übereinstimmen“ (Huth & Schröder 1992:24), bevorzugt würden. Dennoch scheint es, als ob das Problem der Langeweile und der Wunsch nach Abwechslung „mehr ein Methodenproblem als ein Inhaltsproblem“ (Bocka 2003:138) darstellen.
3.2.3 Leistungsbewertung und Zensuren
In vielen Studien, die die Sicht von Lernenden auf Schule und Unterricht erfassen, spiegelt sich der zentrale Stellenwert der Leistungsmessung bereits in der Häufigkeit ihrer Erwähnung wider. Dabei ist das Verhältnis von SchülerInnen zu Noten durchaus ambivalent. Dem Streben nach guten Zensuren stehen ein immenser Druck und die negativen Folgen schlechter Schulleistungen entgegen. Die Abhängigkeit von positiven Bewertungen ist den Lernenden uneingeschränkt bewusst und bestimmt ihr Verhältnis zu Schule und Unterricht maßgeblich (vgl. Furtner-Kallmünzer & Sardei-Biermann 1982:23). 52,5 % der Befragten thematisieren in der Studie von Czerwenka et al. (1990:110f.) bei der Beschreibung von Schule den Aspekt der Leistungsbeurteilung. Bemerkenswert ist hier wiederum die Zahl derer, die sich ablehnend oder kritisch dazu äußern. So sind die Hälfte der Äußerungen negative Stellungnahmen, während sich nur 41 der befragten 1.212 Lernenden eindeutig positiv über Leistungskontrollen und ‑beurteilungen aussprechen. In der Studie von Haselbeck (1999:140f.) ist es ebenfalls nur eine Minderheit der SchülerInnen, die über positive Erfahrungen hinsichtlich des Leistungsaspektes berichtet. Und auch wenn in der Untersuchung von Apel (1997:126) alle Befragten über zu viel Stress und Leistungsdruck klagen, legen die Ergebnisse von Haecker und Werres (1983:71) unter Verweis auf frühere Arbeiten nahe, dass sich SchülerInnen am Gymnasium hinsichtlich der Anforderungen und Mitbestimmung bei der Leistungsprüfung und ‑beurteilung insgesamt negativer äußern als Lernende anderer Schulformen.
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