1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 Er verschloss die Tür zu seinem Zimmer und drehte den Wasserhahn am Waschbecken auf. Dann tippte er sein Passwort ins Handy und schrieb eine Nachricht: Ich habe Informationen. Rufen Sie mich an.
Er wusste, dass Langham ein Frühaufsteher war, und war daher nicht überrascht, als sein Telefon nur Augenblicke später vibrierte. Auf dem Display stand Nummer unterdrückt.
«Guten Morgen, James. Sie sind aber in aller Frühe auf.»
«Ich beginne den Tag mit einem kleinen Lauf.» Er klang außer Atem. «Mein Kardiologe sagt, dass ich Gewicht verlieren muss. Also, was haben Sie?»
«Tja, Sie hatten recht. Sie sind zurückgekommen. Letzte Nacht gab es einen versuchten Einbruch.»
«Hervorragend. Wissen wir, für wen sie arbeiten?»
Daniel rieb sich über die Stirn. Trotz der Kälte war sie feucht von Schweiß. «Nein. Sie sind entwischt.»
Ein Moment des Zögerns entstand. «Was?» Ein einzelnes Wort, ruhig aber bedeutungsschwer.
«Es tut mir leid. Ich bin auf Schwierigkeiten gestoßen.»
«Der Plan war narrensicher, Madigan. Den Code zu ändern diente dazu, sie auszubremsen, damit Sie sie konfrontieren können. Wie konnten Sie versagen?»
Daniel biss die Zähne zusammen. Er konnte Langham unmöglich die volle Wahrheit sagen. «Ich musste den Plan aufgeben. Sie waren zu schwer bewaffnet.»
Langham atmete durch. «Ich bin zutiefst enttäuscht. Das bringt uns ins Hintertreffen. Das ist Zeit, die wir uns kaum leisten können, zu verlieren.»
«Es war nicht Teil der Abmachung, mein Leben aufs Spiel zu setzen.»
«Hören Sie mir zu, Madigan. Sie haben achtundvierzig Stunden, um herauszufinden, wozu der Obelisk dient. Ich breche heute nach Belgien auf. Wenn ich wiederkomme, erwarte ich einen vollständigen Lagebericht.»
Die Verbindung wurde unterbrochen. Daniel warf das Handy aufs Bett und atmete schwer aus. Er war es nicht gewohnt, mit dem Rücken zur Wand zu stehen, und verspürte einen Anflug von Selbsthass, weil er sich erlaubt hatte, in diese Situation zu geraten. Er sagte sich, dass er keine Wahl gehabt hatte. Vor zwei Monaten war er verzweifelt gewesen. Er wäre jeden Handel eingegangen, um sie zu retten.
Das hatte er auch. Und jetzt war es an der Zeit, zurückzuzahlen – obwohl der Tribut höher war, als er es sich je vorgestellt hatte.
Ein rasches Klopfen erschreckte ihn. Er drehte den Wasserhahn ab, bevor er die Tür öffnete.
Draußen stand Evan. Hinter ihm verkündete ein violettgetönter, wolkenloser Himmel die Ankunft eines klaren Tages, dem ersten seit Wochen. «Ich habe das Wasser laufen hören und geschlussfolgert, dass Sie da sind.» Er sah über Daniels Schulter ins Zimmer hinein. «Ich hoffe, ich störe nicht.»
Daniels Tonfall war schroff. «Was kann ich für Sie tun, Evan?»
«Ich habe versucht, ins Labor zu gehen, aber der Code funktionierte nicht. Wissen Sie, warum?»
«Wir hatten in der Nacht ein paar ungebetene Besucher. Wahrscheinlich dieselben Unruhestifter, die ins Museum eingebrochen sind. Ich musste den Code ändern.»
Evan blinzelte schnell. Hinter seinen dicken Brillengläsern wirkten seine rabenschwarzen Augen riesig. «Warum wurde ich nicht darüber informiert?»
Daniel war vorsichtig, was er in Evans Nähe sagte. Es war offensichtlich, dass ein Insider den Plünderern Informationen zukommen ließ. Bis Daniel bestimmt hatte, wer das war, vertraute er niemandem. «Tja, ich sage es Ihnen jetzt.» Er kritzelte den neuen Code auf ein Stück Papier. «Ich treffe Sie dort in einer halben Stunde. Ich habe ein paar Fragen an Sie.»
Evan machte Anstalten, etwas zu sagen, nickte aber stattdessen und ging davon.
Daniel verschloss die Tür und ging ins Badezimmer, um zu duschen. Die Anspannung der letzten sechsunddreißig Stunden begann, ihn zu zermürben. Er musste seine Systeme neu starten. Doch selbst als er unter dem warmen Wasserstrahl stand, entkam er seinen eigenen Gedanken nicht.
Es begann mit einem Flugzeugabsturz.
Die Erinnerung an jenen Spätnovembertag war unauslöschlich. Sogar jetzt sah er das rote Blinklicht aus dem Cockpit – das erste Warnsignal – immer wieder vor sich. Manchmal suchte es seinen Wachzustand heim, andere Male schreckte es ihn aus dem Schlaf. Es erschien, wenn er Gefahr spürte, und tauchte seinen Verstand in die Farbe von Blut. Er konnte es genauso wenig abschütteln, wie er die verzweifelten Mayday-Rufe des Piloten vergessen konnte, als die Steuerung ausfiel.
Er war der einzige Passagier in Sir Richard Westons Privatflugzeug gewesen, unterwegs von London nach New York City, als es vom Himmel fiel. Die Maschine tauchte mit dem Bug voran in das graue Wasser des Atlantik, mit einer solchen Geschwindigkeit, dass er spüren konnte, wie die G-Kräfte drohten, ihm die Augen aus den Höhlen zu drücken. Er erinnerte sich daran, dass seine Sicht verschwamm, als weiße Nebelfäden vor ihm vorüberzogen. In diesem unwirklichen Augenblick dachte er, sie wären die Flügel von Engeln, die gekommen waren, um ihn mit sich zu nehmen.
Er war sich sicher gewesen, dass er sterben würde. Aber das war nicht das Schlimmste. Er wusste mit aller Überzeugung, dass das Flugzeug sabotiert worden war, und er wusste auch, wer es getan hatte. Und Sarah, gerade auf dem Weg nach Israel, würde wahrscheinlich in eine ähnliche Falle tappen. Er hatte keine Möglichkeit, sie zu warnen, und das bedauerte er mehr als alles andere.
Es war das erste Mal, dass er gebetet hatte, einen Handel mit Gott abschloss. Wenn ich es lebend hier raus schaffe, schwor er, dann werde ich sicherstellen, dass Trent Ashworth und dieses Stück Scheiße, das sein Vater ist, für das, was sie getan haben, ihrer gerechten Strafe zugeführt werden, und wenn ich diese selbst vollstrecken muss.
Große Wellen schaumigen Wassers schlugen gegen sein Fenster und das Flugzeug erzitterte wie ein Presslufthammer, der auf eine Stahlplatte trifft. Er kam ihm so vor, als ob er durch einen grauen Strudel wirbelte. Sein Sitz, in dem er noch immer festgeschnallt war, löste sich durch die Gewalt des Aufpralls aus seiner Verankerung, wurde unkontrolliert durch die Metallkabine geschleudert und prallte vorn gegen das Flugzeug. Warmes Blut tropfte ihm in die Augen. Seine Sinne begannen zu schwinden. Als Letztes sah er noch, wie die wogenden Wellen des Atlantik durch ein klaffendes Loch an der Stelle, an der einmal das Heck gewesen war, in die Kabine drangen.
Wie er auf die Tragfläche gekommen war, würde er nie erfahren. Er erinnerte sich nur daran, unter einem stählernen Himmel aufgewacht zu sein. Seine Knochen schmerzten, als wären sie in einem Schraubstock zerquetscht worden, und seine Zähne klapperten vor Kälte. Er roch versengtes Metall und Flugzeugbenzin, ein Geruch, der sich für immer in sein olfaktorisches Gedächtnis eingebrannt hatte.
Er war verletzt, aber er war am Leben. Selbst wenn es seinen letzten Atemzug kostete, er würde sein Versprechen halten.
Daniel strich seine nassen Haare zurück und ließ sich das warme Wasser der Dusche aufs Gesicht prasseln. Wenn es doch nur die Erinnerungen wegwaschen könnte, die ihn quälten. Die Schuld fortspülen.
Es war ein Wunder, dass er überlebt hatte. Englische Fischer fanden ihn, gutmütige Kerle, denen es nichts ausmachte, ein Geheimnis für sich zu behalten. Sie brachten ihn zur englischen Küste zurück und er machte sich auf den Weg nach London. Sein erster Anruf galt Sir Richard.
Sarahs Vater, der sich zu dieser Zeit auf diplomatischer Mission in Usbekistan befand, war erstaunt, von ihm zu hören. «Grundgütiger, Madigan. Wir haben alle geglaubt, Sie wären umgekommen.»
«Ihr Jet ist nicht zufällig abgestürzt, Richard. Ich weiß, wer dahinter steckt. Sagt Ihnen der Name Trent Ashworth irgendetwas?»
«Der neue Bursche, der Judah Oil and Gas leitet? James Ashworths Sohn? Hat was von einem Fanatiker. Wir beobachten die Situation in Jerusalem.»
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