»Können Sie nicht mit einem Satelliten ganz nah ranzoomen? So wie in den Nachrichten?«, fragte Drake.
»Da stört zunächst einmal die Wolkendecke. Mit dem Hubschrauber können Sie darunter fliegen, mit dem Satelliten nicht. Natürlich kontrollieren wir auch alle Aufnahmen, die wir dort machen können, aber bisher hat sich daraus nichts ergeben«, sagte Alex.
Sie diskutierten noch eine Weile über die Suche nach dem Flugzeug und wandten sich dann dem Tempel zu.
»Sie hatten erwähnt, dass Sie Geheiminformationen für uns haben«, setzte Drake an, »zeigen Sie uns die doch mal.«
Collins nickte und zog einen weiteren Aktenordner hervor. »Zunächst muss ich Sie alle bitten, diese Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen. Wie gesagt, die Akten sind geheim.« Er legte jedem von ihnen jeweils einen Vertrag vor und reichte Alex einen Füllfederhalter.
Sie lasen sich die Unterlagen durch und unterschrieben sie nach einigen kurzen Rückfragen. Collins sammelte die Verträge wieder ein und legte dann den Aktenordner auf den Kaffeetisch. »Dies ist die Abschrift eines Verhörs mit einem der höchsten Befehlshaber der Roten Khmer, der in Kambodscha und Laos im Einsatz war. Wir haben ihn im Jahr 1970 gefangen genommen. Die Befragung hat sich über Stunden hingezogen. Deswegen habe ich Ihnen die relevanten Abschnitte markiert.«
Spencer las sich die betreffenden vier Seiten durch und reichte sie dann an Allie weiter, die das gleiche tat und hier und da das Gesicht verzog. Drake las den Auszug als Letzter, und als er fertig war, legte er die Seiten vor sich auf den Tisch. »Das ist alles? Ein Mann, der gefoltert wurde, hat ein bisschen Seemannsgarn von Zwillingsschwestern erzählt, die einen verlorenen Tempel bewachen?«
»Es ist ein wenig mehr als das. Er behauptet, die Stelle gesehen zu haben.«
»Schon, aber das ist doch alles bloß Kauderwelsch. Zwillingsschwestern? Was soll das sein – Bäume? Felsformationen? Berge? Findlinge?«
»Unsere Analysten haben die Möglichkeiten auf drei Orte reduziert. Wir wissen von ihm, dass es im Westen von Laos oder dem östlichen Rand von Myanmar gewesen sein muss. Unter anderem haben wir Satellitendaten nach möglichen Treffern untersucht.« Collins zog ein weiteres Satellitenbild aus seinem Koffer und legte es auf den Tisch. »Diese Kreise zeigen die drei Stellen an.«
Drake, Allie und Spencer lehnten sich nach vorn. Die markierten Orte waren alle im Suchbereich des abgestürzten Flugzeuges. Nun ergriff Alex das Wort.
»Sie sehen hier verschiedene symmetrische Gesteinsformationen, von denen wir glauben, dass man sie auch schon vor sechshundert Jahren hat sehen können. Die drei Täler, in denen sie sich jeweils befinden, passen zu den historisch überlieferten Beschreibungen von Flüssen oder Bächen, die hindurchlaufen«, sagte er, wobei er auf die Fotos tippte.
»Warum hat sich dann noch niemand auf die Suche nach den Tempeln gemacht, wenn das seit beinahe fünfzig Jahren bekannt ist?«, fragte Allie.
Collins setzte ein schiefes Lächeln auf. »Die CIA ist keine Schatzjägertruppe, junge Dame. Solche Expeditionen überlassen wir Privatmenschen wie Ihnen. Wir haben schon alle Hände damit voll, die freie Welt zu beschützen und Verschwörungstheorien zu verbreiten.«
Das Gespräch ging noch eine Stunde so weiter, und nachdem alles besprochen war, standen Collins und Alex auf. Sie verteilten die Flugtickets und verabredeten sich für zehn Uhr abends am Flughafen – die Maschine würde um ein Uhr nachts abheben.
Drake beäugte sein Ticket. »Warum nehmen wir nicht Spencers Maschine? Er hat eine G5.«
»Die Motoren werden gerade gewartet«, sagte Spencer, »ansonsten natürlich gern.«
»Machen Sie Alex noch eine Liste von allem, was Sie für die Expedition brauchen, dann lassen wir das für Sie in Thailand besorgen«, sagte Collins.
Allie schrieb ein paar grundlegende archäologische Bedürfnisse auf und gab den Zettel dann an Drake weiter, der noch einiges hinzufügte. Spencer las sich das Ganze durch und erweiterte die Liste um seine eigenen Punkte. Schließlich reichte er sie Alex, der große Augen machte, als er bei Spencers Wünschen ankam. »Das ist ja genug Bewaffnung für eine kleine Armee«, sagte er.
»Aber wir ziehen mitten in den Drogenkrieg, oder sehe ich das falsch? Sollen wir da mit Schreckschusspistolen herumwedeln?«, gab Spencer zurück.
»Das nicht, aber es gibt auch einen Mittelweg …«, setzte Alex an, bis Collins ihn unterbrach. »Sie kriegen, was sie wollen, Alex! Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Auch wir müssen noch eine Menge organisieren, bevor der Flug geht.« Er wandte sich Drake und Allie zu. »Haben Sie Reisepässe? Alles auf dem neuesten Stand?«
»Natürlich«, sagte Allie.
Auch Spencer nickte.
»Dann sehe ich Sie um Punkt zehn am LAX!«, sagte Alex.
Die zwei CIA-Männer verließen das Haus und Drake wandte sich an Spencer. »Was hältst du davon?«
Spencer holte tief Luft und stand auf, wobei er die Schultern kreisen ließ und sein Nacken laut hörbar knackte. »Ich befürchte, dieser Alex könnte im Einsatz ein Problem sein. Anscheinend will er nicht, dass wir Waffen haben, zumindest keine richtigen. Abgesehen davon denke ich, dass unsere Chancen schlecht stehen – sowohl, das Flugzeug zu finden, als auch den grünen Buddha. Vermutlich hätte ich bessere Aussichten, Unterwäschemodel in Mailand zu werden.«
Drake verzog das Gesicht. »Ich werde Salzsäure brauchen, um dieses Bild wieder aus meinem Kopf zu kriegen!«
Allie lachte. »Vielleicht haben wir aber Glück, du alter Pessimist!« Sie stand auf und warf Spencer einen fordernden Blick zu. »Lädst du mich jetzt endlich zu einer Probefahrt mit deinem Bumblebee da draußen ein, oder muss ich erst die Schlüssel klauen?«
»Drake hat ihn gestern schon fast zu Schrott gefahren. Der Typ ist echt ein Verkehrsrisiko!«, maulte Spencer.
»Stimmt doch gar nicht«, widersprach Drake mit einem Lächeln.
»Dann lass uns doch ein Rennen zwischen deinem FJ und meinem Lambo machen, das Ziel ist ein gutes Restaurant. Denn wenn wir erst mal da drüben sind, gibt es nur noch Affenhirne und Käfer.«
»Ich werde weder Käfer noch Affenhirne essen«, sagte Allie angeekelt.
»Mach dir keine Sorgen. Wir werden dir nicht sagen, was du da isst. Aber falls du einen Rückenpanzer in deiner Suppe findest, sag lieber nichts. Es gilt da drüben als unhöflich, sich zu beschweren!«
Chicago, Illinois
Elliot London schaltete den Radiosender ab, den er auf jeder Fahrt durch den Berufsverkehr hörte, als er in sein Viertel einbog – eine Ansammlung eingeschossiger Häuschen einer typischen Mittelklassesiedlung, die üblicherweise Namen wie Myrtle Cove oder Arlington Ridge hatten. Elliots Heimat nannte sich Bel Aire Forest, obwohl bis auf ein paar zierliche Birken, die am Eingang der Gemeinde gepflanzt worden waren, kein Wald weit und breit zu sehen war. Schon acht Jahre wohnte er hier ruhig und komfortabel mit seiner Frau Diane und seinen fünfjährigen Zwillingstöchtern.
Er hatte sich bei seiner Zeitung vom Junior-Reporter zum erfahrenen Enthüllungsjournalisten hochgearbeitet und war an zahlreiche Überstunden und enormen Druck gewöhnt, wenn er eine spannende Geschichte verfolgte. Elliot hatte schon diverse Auszeichnungen für seine Berichterstattung zu lokalen wie nationalen politischen Verwicklungen erhalten. Seine Veröffentlichungen hatten einen Senator zum Rücktritt gezwungen, einen Generalstaatsanwalt aus dem Amt gebracht und einen hochrangigen Priester der Pädophilie überführt.
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