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Durch eine entsprechende Anwendung der pachtrechtlichen Bestimmungen108 ließen sich für Lizenzverträge angemessene und sinnvolle Ergebnisse erzielen. Der Lizenznehmer war danach für die Zeit, in der er vom Lizenzgegenstand keinen vertragsmäßigen Gebrauch machen konnte, von der Zahlung der Lizenzgebühr befreit. Lag lediglich eine Beeinträchtigung der vertraglichen Rechte vor, so konnte die Gebühr gemindert werden.109
Zu diesem Ergebnis kam auch die Entscheidung des Reichsgerichts vom 17.10.1934,110 wenn auch mit einer anderen Begründung. Das Gericht sah die Verpflichtung des Erfinders in dem zur Entscheidung stehenden Fall darin, eine patentfähige Erfindung zu liefern und nicht eine unabhängige. Die Vergütungspflicht sei daher begründet, aber nach Treu und Glauben111 unter Ausfüllung einer Vertragslücke zu mindern, weil infolge der Abhängigkeit eine zusätzliche Lizenz an den Inhaber des älteren Patents zu zahlen war. Diese gekünstelte Konstruktion war entbehrlich, wenn man die Verpflichtung des Lizenzgebers darin sah, den vertragsmäßigen Gebrauch einzuräumen und bei Störungen die Vorschriften über Pacht entsprechend anwendete.112
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Anstelle der dargelegten Rechte konnte der Lizenznehmer auch fristlos kündigen, wenn der Lizenzgeber eine ihm gestellte angemessene Frist zur Behebung der Störung – ohne Abhilfe zu schaffen – verstreichen ließ.113 Eine Behebung des aufgetretenen Rechtsmangels war dadurch möglich, dass das ältere Patent vernichtet wurde oder erlosch oder gerichtlich festgestellt wurde, dass eine Abhängigkeit nicht besteht, oder schließlich – und dies war der häufigste Fall – eine Genehmigung zur Benutzung des älteren Patents u.U. auch in Form einer Zwangslizenz erteilt wurde. Die Kündigung war jedoch nicht zulässig, soweit nur eine unerhebliche Behinderung oder Vorenthaltung der Benutzung vorlag, es sei denn, dass der Lizenznehmer ein besonderes Interesse an der Aufhebung des Vertrages nachweisen konnte.114
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Reimer 115 wollte dem Lizenznehmer auch in den Fällen, in denen die Behinderung des Gebrauchs dadurch behoben werden konnte, dass der Inhaber des älteren Patents gegen Zahlung einer Lizenz ein Benutzungsrecht einräumte, ein Wahlrecht zwischen Minderung und Kündigung zugestehen, weil es dem Lizenznehmer nicht hätte zugemutet werden können, gegen seinen Willen langdauernde vertragliche Beziehungen mit dem ihm als Vertragskontrahenten vielleicht nicht erwünschten Inhaber des älteren Patents eingehen zu müssen. Es führte jedoch zu weit, dem Lizenznehmer auch noch ein Kündigungsrecht einzuräumen, wenn die Benutzung des jüngeren Rechtes nicht mehr beeinträchtigt wurde. Das Interesse des Lizenznehmers, mit dem Inhaber des älteren Rechtes nicht in vertragliche Verbindung zu treten, musste zurücktreten hinter dem Gesichtspunkt, dass die Vertragspartner an Verträgen, die für längere Zeit geschlossen worden sind, festzuhalten haben, wenn die Erfüllung möglich war, zumal wenn den Vertragspartner kein Verschulden an der vorübergehenden Störung traf und er alles daransetzte, diese zu beseitigen. Bei einem einfachen Lizenzvertrag, wie er hier zwischen dem Lizenznehmer und dem Inhaber des älteren Patents in Betracht kommt, besteht auch keine derart enge Bindung, dass es entscheidend auf die Person des Inhabers des älteren Patents ankäme. Im Übrigen ist es möglich, dass der Lizenzgeber vom Inhaber des älteren Patents eine Lizenz für sich und seinen Lizenznehmer erwirkt. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Lizenzgeber bestand nur, wenn ihn ein Verschulden traf.116
(3) Vorbenutzungsrecht117
(a) Allgemeines
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Ähnlich war die Rechtslage, wenn sich nach Abschluss des Lizenzvertrages herausstellte, dass an der Erfindung ein Vorbenutzungsrecht bestand.118 Die Ausschließlichkeitswirkung des Patentes, nämlich das Recht, andere von dem Gebrauch des Patentgegenstandes auszuschließen, trat nicht gegen denjenigen ein, der z.Z. der Anmeldung die Erfindung bereits in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Anstalten getroffen hatte. Der Vorbenutzer musste also Besitz an der Erfindung haben. Erfindungsbesitz nahm die Rechtsprechung und Rechtslehre im Gegensatz zu älteren Rechtsprechungen nicht nur bei der sog. Doppelerfindung, sondern auch bei Vorliegen anderer Tatbestände an.119 Man verstand unter Erfindungsbesitz den tatsächlichen Zustand, der nach der Verkehrsauffassung die Möglichkeit gewährte, die Erfindung so zu genießen, wie es ihre Natur gestattete. Erforderlich war daher die Kenntnis der Erfindung oder der Besitz von Zeichnungen, Beschreibungen oder ähnlichen Unterlagen, aus denen diese Kenntnis genommen werden konnte.120 Das Vorbenutzungsrecht sollte daher nur den durch den Erfindungsbesitz untermauerten Besitzstand erhalten, was daraus abgeleitet wurde, dass das Gesetz die Inbenutzungsnahme einer „Erfindung“ verlangt.121 Der Erwerb und die Ausübung des Besitzes mussten jedoch redlich sein, wenn ein Vorbenutzungsrecht entstehen sollte.122 Es handelte sich hier also um eine Billigkeitsvorschrift, durch die vermieden werden sollte, dass Aufwendungen, die zur Verwertung der Erfindung bereits gemacht wurden, wertlos wurden. Derartige Erwägungen waren jedoch dem unredlichen Besitzer gegenüber fehl am Platze. Derjenige, dem ein Vorbenutzungsrecht zustand, durfte die Erfindung für die Bedürfnisse seines Betriebes in eigenen oder fremden Werkstätten ausnutzen. Das Vorbenutzungsrecht stellte nicht eine Belastung des Rechtes am Patent dar, es bedeutete vielmehr die Anerkennung des auf Kenntnis und Erkenntnis des Erfindungsgedankens beruhenden Besitzstands.123 Es war ein originäres Recht. Soweit es reichte, konnte zugunsten des Inhabers des Patents kein Schutz bestehen.124
(b) Auswirkungen auf die ausschließliche/alleinige Lizenz
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Stellte sich nach Abschluss eines Lizenzvertrages heraus, dass ein Vorbenutzungsrecht an dem Lizenzgegenstand bestand, so waren die Auswirkungen unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine ausschließliche bzw. alleinige oder einfache Lizenz handelte. Durch die ausschließliche Lizenz – das Gleiche galt im Prinzip auch für eine alleinige Lizenz – sollte dem Lizenznehmer eine Monopolstellung eingeräumt werden.125 Diese wurde durch das Vorbenutzungsrecht in einem mehr oder weniger starken Maß beeinträchtigt. Das Reichsgericht hatte daher schon in seiner Entscheidung vom 3.2.1912 dem Lizenznehmer ein Minderungsrecht eingeräumt.126 Die Lizenzgebühr konnte dabei in dem Verhältnis herabgesetzt werden, in dem der Wert der Lizenz ohne Vorbenutzungsrecht zu dem der Lizenz mit Vorbenutzungsrecht stand. In der Entscheidung des Reichsgerichts vom 25.4.1936127 wurde lediglich festgestellt, dass das nachträgliche Bekanntwerden von Vorbenutzungsrechten nicht ohne Weiteres eine Kündigung des Vertrages rechtfertigte. Es wurde dazu ausgeführt, dass es sich für den Lizenznehmer um ein gewagtes Geschäft handle, und nicht jede Enttäuschung in seiner Erwartung berechtige ihn, sich davon loszusagen. Er müsse mit dem Bestehen solcher Vorbenutzungsrechte rechnen. Das Reichsgericht ging offenbar auch hier davon aus, dass in erster Linie ein Minderungsrecht in Betracht kam. Ein Kündigungsrecht sei nur zu bejahen, wenn besondere Umstände vorlägen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Lizenz infolge des Vorbenutzungsrechts nahezu wertlos werde. Die Auffassung des Reichsgerichts stützte sich auf die im Schrifttum herrschende Meinung.128
Reimer schloss sich der von Rasch vertretenen Auffassung an, wonach der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz zwischen Kündigung und Minderung wählen konnte, wenn sich herausstellte, dass ein Vorbenutzungsrecht bestand.129 Begründet wurde dies damit, dass bei der ausschließlichen Lizenz dem Lizenznehmer das alleinige Verwertungsrecht eingeräumt werden sollte; dies sei jedoch beim Bestehen eines Vorbenutzungsrechts nicht möglich.
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