Hören und staunen Hören und staunen „Kommst du oder kommst du nicht?“ Die Frau, die so fragte, redete mit ihrem Boxerrüden. Ich war gespannt, wie die einfache Kreatur darauf antworten würde. Nur mühsam verkniff ich mir den Hinweis, dass der Hund die Frage rein rhetorisch aufgefasst haben könnte, denn er reagierte nicht. Stattdessen schnüffelte er ungerührt weiter nach dem Motto: nächste Frage! Wie viele unterschiedliche Wörter brauchen wir für eine Unterhaltung? Ich behaupte, drei. Tatsächlich wurde ich Zeuge eines Gespräches, das diese pralle Summe nicht überschritt. Die Unterhaltung fand auf der Weg zur Arbeit statt, von einer Straßenseite zur anderen hinweg. Dabei faszinierte mich auch, welche Freiräume die Männer für Interpretationen ließen. Sie wissen schon: Das sind jene Gedankenergüsse, wie sie rächtschreibeschwachen Abbituhrienten oft abverlangt werden. A sieht B und erkundigt sich wortreich: „Wie?“ B lenkt bescheiden von sich ab und fragt zurück: „Wie?“ A bleibt hartnäckig: „Gut?“ B gibt endlich sein Befinden preis: „Gut!“ A folgert erleichtert: „Alla!“ B kontert gewohnt ausdrucksstark: „Alla!“ Alla ist bei Pfälzern eine Art Schlussformel, deren jeweilige Bedeutung man nur intuitiv erfassen, aber nie erlernen kann. Sie lässt sich mit dem „Amen“ beim Gebet vergleichen. Ein weiteres Hörerlebnis stammt aus Berlin. Ein Junge erzählt seinem Vater, dass er mit seinem Freund gerauft habe, und bringt es auf den Punkt: „Mal war ick unten, mal war er oben.“ Das ist doch ausgleichende Gerechtigkeit! Wer zuhört, verlernt nie das Staunen. Wer es nicht tut, weiß bald, was es heißt, wenn einem die Sinne schwinden und der Schweiß mit Urgewalt aus allen Poren tritt. Ich weiß, wovon ich rede denn irgendwann geriet ich an einen Großmeister der langen Rede. Seine hohe Wortdichte ließ von meiner Seite nur ein gelegentliches Ja oder Nein zu. Bald klinkte ich mich innerlich aus und nickte nur noch. Leider einmal an der falschen Stelle und dazu noch mit einem völlig überflüssigen „Na klar!“. Was mir entgangen war: Mein Gegenüber wollte von mir wissen, ob auch ich ihn für einen ausgemachten Trottel hielte ... Nun hatte ich reichlich Gelegenheit zum Reden, wo ich doch lieber geschwiegen hätte!
Echte Klebekraft Echte Klebekraft An I-love-you-Romanzen bin ich nie interessiert gewesen. Aber das ist noch nicht alles. Zu ausgelassenen Schenkelklopfern gereicht immer wieder das Eingeständnis, dass meine Ehefrau die erste Frau überhaupt ist, die ich je geküsst habe. Nun gut, da war noch jene Tante, die mich bei ihren Besuchen nahezu gewalttätig an ihre Persönlichkeitshülle drückte. Doch trennte uns stets ihre millimeterdicke Schutzschicht aus Lippenstift und Make-up. Wie lobe ich mir da das Rouge natur (sprich: Ruhsch natür) meiner Ehefrau. Wissen Sie, was meine Frau und ich mit den Störchen gemeinsam haben? Die Kinder (es sind fünf nach der Zahl der Finger an einer Hand zum leichteren Rechnen) sind es nicht. Nein, es ist die monogame Erlebniswelt. Sie sei lebenslang, sagt man, zumindest, was die Vögel betrifft. Bei uns währt sie nun schon 40 Jahre. Und das, was sie zusammenhält, ist zweifellos ein Geschenk. „Deshalb wird ein Mann ... an seiner Frau kleben “ heißt es in 1. Mose 2,24 wörtlich. Und was echte Klebekraft bringt, erlebte ich sehr anschaulich in einem Gottesdienst. Eigentlich wollte ich zum Gebet nur die Brille absetzen. Doch sie schien auf wundersame Weise mit meinen Ohren verwachsen zu sein. Geradezu ungläubig zog ich mehrfach an den Bügeln und bewegte damit den ganzen Schopf. Es war keine Sinnestäuschung: die Brille saß bombenfest. Jetzt erst fiel mir ein, dass ich vor dem Verlassen des Hauses noch schnell mit Sekundenkleber eine kleine Reparatur an der Brille durchgeführt hatte. Offensichtlich klebte ich mir dabei das optische Gerät an den Kopf. Na toll, nun waren wir eins. Die Brille und ich. Was sollte ich tun? Im Schutz der Gebetsstille riss ich sie mir schließlich vom Leib. Das ging nicht ganz ohne Wunden ab. Und ich gebe zu, dass der Trennungsschmerz mir unweigerlich die Tränen in die Augen trieb. Mochten die Mitchristen denken, ich hätte eine besonders innige Erfahrung gehabt. In gewissem Sinne war es ja auch so. Nur eben ein wenig anders.
Freunde fürs Leben
Klare familiäre Ziele
Ernsthafte Christen
Gnadenbringende Weihnachtszeit
Silvesterfreuden
Sicherheitsstandards
Die Sünde lauert überall
Ein Wohlgeruch für den Herrn?
Alltägliche Quälereien
Lobe den Herrn!
Charakterfeste Typen
Ein ganz normales Pfarramt
Ausgetrickst
Vom Segen der Arbeit
Der Mensch sieht, was vor Augen ist
Errare humanum est
Die Macht der Gewohnheit
No risk – no fun!
Heute schon getölt?
Deine Sprache verrät dich
Der neue Pastor
Fromme Sammler und Jäger
Ein Teutone in Rom
Bekenntnis eines Berufs-Christen
Märchenhaftes aus 1001 Nacht
Und die Bibel hat doch recht!
Über alle Zweifel erhaben
Christsein mit allen Sinnen
Alles ist eitel
Automobile Anfechtungen
Jedem Tierchen sein Pläsierchen
„Drei Kilo Erdbeben, bitte!“
Familienidyllen
Kleider machen Leute
Gestörte Selbstwertgefühle
Zurück zur Demut
Urlaubsgottesdienste
Begrüßungsrituale
Aber ehrlich!
Bibelarbeiten mit gelegentlichen Untiefen
Wir kaufen eine Couch
Die Facebook-Generation und wir anderen
Fasten als Lebensstil
Frauen
Geistliche mit kleinen Macken
In den Niederungen des Alltags
Hurra, wir sind bibeltreu!
Männer
Pauschalreisende
Urlaubserinnerungen
Das Leben hinterlässt seine Spuren
Die hohe Kunst des Zuhörens
Edward A. Murphy jr. lässt grüßen
Dumm gelaufen
Großeltern
Merkwürden
Messeneuheiten
Heitere Familienfeier
Ist doch logisch, oder?
Ralf Mühe
WIE DAS LEBEN SO
SCHRÄG SPIELT
76 Beispiele für den
anspruchsvollen Schmunzelfan
© 2015 Bibellesebund Verlag, Marienheide
Umschlaggestaltung: Julia Plentz
Umschlagfoto: © DiegoCervo/Fotolia
ISBN: 978-3-95568-333-7 (eBook)
ISBN: 978-3-95568-135-7 (Buch)
www.bibellesebund.net
Liebe Leserin, lieber Leser,
der erste Entwurf für ein Vorwort klang so erhaben, dass meine persönliche Literaturkritikerin nur abwinkte: „Das solltest du lockerer schreiben.“ Ich habe es getan. Leider hat sie versäumt zu sagen, dass ich es auch abspeichern sollte. Das habe ich nämlich nicht getan. Als ich mein Selbstwertgefühl durch das Lesen der entkrampften Fassung stabilisieren wollte, entgleisten mir die Gesichtszüge: Ich fand nur meinen einstigen Stolz, die Goethe-Preis-verdächtige Version. Ich denke, ich habe den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Sie werden auch ohne Vorwort die nächsten Seiten finden. Da bin ich ziemlich sicher.
Was mir aber noch am Herzen liegt: Über mich selbst zu lachen, fällt mir leicht. Kenne ich mich doch ziemlich gut. Wo es andere betrifft, habe ich die Namen geändert, denn es ist nicht meine Absicht, jemanden zu kränken. Dass wir Leute mit kleinen und großen Macken sind, macht uns doch unverwechselbar markant und meist in besonderer Weise liebenswert.
Ralf Mühe
Nach dem Amen war ich schlauer
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