Grund genug für eine Gruppe von Herrenberger Bürgern, dem Künstler ein Denkmal zu setzen – oder vielmehr deren mehr als 20: den Jerg-Ratgeb-Skulpturenpfad. Vom Bahnhof bis hinauf zum Schlossberg, gleichsam aus dem Schatten der Tiefe hinauf ans Licht, reihen sich die Werke zeitgenössischer baden-württembergischer Künstler wie an einer Perlenkette durch die Herrenberger Innenstadt und entlang des gewundenen Spazierwegs zum Schlossberg. Aus verschiedenen Materialien, in unterschiedlichen Abstraktionsformen. So soll der Skulpturenpfad auch eine Art künstlerisches Lehrstück sein. »Die Besucher bekommen dabei einen Einblick in die unterschiedlichen bildhauerischen Materialien und Techniken, welche die Bildhauer aus Baden-Württemberg und darüber hinaus angewandt haben«, schreiben die Initiatoren. Die Arbeiten haben meist Bezug zu Jerg Ratgeb – seiner Zeit, seinem Werk und nicht zuletzt seinem Leben. So sind es auch geschundene Figuren, wie bei Michaela Fischers Bronzeplastik Ratgebs Frau, bei der die Leibeigenschaft thematisiert wird, oder bei Thomas Putzes Bauernkriegsfamilie, die Ohnmacht und Zerrissenheit des einfachen Volkes in feudalen Zeiten darstellt. Der Spaziergang bietet nicht nur dem Kunstfreund Aus- und Einblicke. Auf dem Schlossberg weitet sich der Blick zur Schwäbischen Alb und zum Schwarzwald. 2 Jerg-Ratgeb-Skulpturenpfad Beginn: Bahnhof (Endstation der S-Bahn-Linie S1) Bahnhofstraße 71083 Herrenberg www.skulpturenpfad-herrenberg.de
Herrenberg: Jerg-Ratgeb-Skulpturenpfad
3 Am Anfang war die Schneckennudel 3 Am Anfang war die Schneckennudel Herrenberg: Bäcker Baier Es begann mit einer Schneckennudel. Warm, weich und doch ein wenig kross. Eine Offenbarung für Jochen Baier. »Das hat mir die Augen geöffnet, was man mit Mehl, Butter, Zucker und ein paar Rosinen machen kann«, sagt der Spross der Herrenberger Bäcker-Dynastie. Seit Jacob Friedrich Baier 1835 damit begonnen hatte, in der Bronngasse Brot und Brezeln zu backen, hatte jede Generation den Betrieb weiterentwickelt. Nur in der sechsten Generation, bei Jochen Baier, war das zunächst nicht so klar. Der wollte Banker werden, zumal Mehl und Staub in der Backstube seiner Gesundheit zusetzten. Bis die Schneckennudel kam. Doch ein wenig Rebellion muss schon sein. Also lernte er nach der Realschule nicht Bäcker – sondern Konditor. Und das wohl ganz gut, denn zum Abschluss seiner Lehre wurde er Bundessieger. Die Bäckerlehre daraufhin schloss er wieder als Jahrgangsbester ab – bundesweit. Bis heute treiben ihn Ehrgeiz und Lust auf besondere Backwaren über den Herrenberger Backblechrand hinauszuschauen, ob bei internationalen Wettbewerben – er war unter anderem Weltbäcker des Jahres 2018 – oder an der Seite von Johann Lafer als Juror in der ZDF-Sendung Deutschlands bester Bäcker. Sowohl die Gesundheit als auch das Streben nach dem »reinen Genuss« brachten den Herrenberger auf die Bio-Schiene. Seit 20 Jahren verwendet er ausschließlich Mehle aus Demeter-Getreide. Dazu verzichtet Baier in seiner Backstube auf Zusätze aus dem »Zauberkasten«, die das Backen leichter und schneller machen. Dafür lässt er die Teige schonend kneten und lange reifen. »So natürliche Rohstoffe wie möglich, so handwerklich arbeiten wie möglich«, ist sein Credo. Dazu hat er sich 2016 vor den Toren Herrenbergs sein Backhaus mit Café gebaut, um seine Vision zu verwirklichen: »Die beste Backstube für das beste Brot« – und Schneckennudeln, nicht zu vergessen. Das Backhaus an der B28, das auch einen Blick in die Backstube gewährt, hat sich zu einem beliebten Etappenziel für Ausflügler entwickelt. 3 Bäcker Baier Hewlett-Packard-Straße 2 71083 Herrenberg 07032 9109172 www.baecker-baier.de
Herrenberg: Bäcker Baier
4 Von der Kirche zum Kulturtempel 4 Von der Kirche zum Kulturtempel Herrenberg: Kulturstätte Mauerwerk Gesungen wurde in dem rund 120 Jahre alten Backsteinhaus mit den hohen Fenstern schon immer. Zunächst feierte die evangelisch-methodistische Gemeinde Herrenbergs hier ihre Gottesdienste. Heute sorgen Liedermacher und Chansonniers, Jazz-Combos und Rock-Gruppen für den guten Ton im Saal. und Rockgruppen für den guten Ton im Saal. Von der Kirche zum Kulturtempel – noch bemerkenswerter ist die Tatsache, dass das Haus samt Bühne in privaten Händen ist. »Wir sind in eine Lücke gestoßen. Ein Angebot wie unseres hat offenbar in Herrenberg gefehlt«, sagt Johannes Storost. Seit 2013 bringt der Veranstaltungskaufmann, der sein Handwerk unter anderem im Stuttgarter Theaterhaus gelernt hat, mit seinem Team im Mauerwerk viel Bewegung ins bis dahin eher ruhige kulturelle Leben Herrenbergs. Das Wagnis hat sich gelohnt. »Natürlich weiß man immer erst hinterher, ob ein solches Angebot funktioniert. Aber wir haben darauf vertraut, dass es in Herrenberg und seiner Umgebung viele kulturaffine Leute gibt«, sagt der Geschäftsführer und Veranstaltungsmanager. Und so geben sich Comedians und Kabarettisten, Musiker und Schauspieler im Mauerwerk die Klinke in die Hand. Jeden Montag gibt es Kino – eine Sparte, die in Herrenberg, einmal abgesehen vom Kommunalen Kino und dem lauschigen Sommernachtskino-Programm auf dem Schlossberg, seit Jahrzehnten brachliegt. Zur Kultur gesellt sich die Kulinarik, das andere Standbein des Hauses. Dafür steht Küchenchef Karsten Philipp. Sein kulinarisches Credo: »Die Rohstoffe müssen frisch sein und es kommen keine Convenience-Produkte in die Töpfe«, sagt er. Die Speisekarte ist so offen wie das Kulturprogramm. Aus Produkten, die zum großen Teil rund um Herrenberg erzeugt wurden, macht Karsten Philipp internationale Küche. Nicht von ungefähr sagt Johannes Storost: »Unser Konzept heißt Kultur genießen.« Südländisches Flair bietet in der warmen Jahreszeit das Café/Restaurant La Dolce Vita mit seiner Außengastronomie auf dem Graben. 4 Mauerwerk Hindenburgstraße 22 71083 Herrenberg 07032 9553280 www.mauerwerk.de La Dolce Vita Auf dem Graben 18 71083 Herrenberg 07032 22268 www.bistro-dolcevita.de
Herrenberg: Kulturstätte Mauerwerk
5 Feuerböcke und Eselsrücken 5 Feuerböcke und Eselsrücken Herrenberg: Fachwerkpfad in der Herrenberger Altstadt Feuerböcke und Eselsrücken, Kopfwinkel und Fußstreben – spätestens nach einem Spaziergang durch die Herrenberger Altstadt auf dem Fachwerkpfad mit seinen 23 Stationen werden diese Begriffe nicht mehr mit sieben Siegeln behaftet sein. Auf dem Rundgang durch die teilweise malerischen Winkel der Altstadt können die Besucher mithilfe von Schautafeln die verschiedenen Konstruktionen und Spielarten von Fachwerk erkunden. Und wen die technischen Details weniger interessieren, der erfreut sich vielleicht an der zeitlosen Schönheit der Häuser. Denn: Herrenberg gilt als eine der schönsten Fachwerkstädte in Baden-Württemberg. Wirtschaftliche Prosperität gilt oft als Voraussetzung für die Stadtentwicklung. Doch in manchen Zeiten mag der Mangel daran auch ein Segen sein. Im Zweiten Weltkrieg flogen die alliierten Bomber über Herrenberg hinweg. Auch das Wirtschaftswunder im Nachkriegsdeutschland ging zunächst an der alten Oberamtsstadt vorbei. So blieben die Fachwerkhäuser der Stadt auch von der Modernisierungswut der 50er- und 60er-Jahre so lange verschont, bis der Schatz den Herrenbergern hinreichend bewusst wurde. 1983 wurde die Altstadt unter Denkmalschutz gestellt. Seitdem hat sich das Städtchen hübsch herausgeputzt. Die Fußgängerzone der Stuttgarter Straße und der Tübinger Straße geizt nicht mit dem Charme der alten Bautechnik. Und das Haus Otto, eines der wenigen Häuser in der Tübinger Straße ohne Fachwerk, nimmt dessen Konstruktionsmerkmale am Putz des Giebels stilisiert auf. Prächtig in Form und Farbe sind die Fachwerkhäuser am Marktplatz. Diese Häuser stammen allesamt aus der Zeit nach dem großen Stadtbrand von 1635 und sind, ganz im Stil der Zeit, mit Zierfachwerk ausgestattet. Die Balken sind nicht dunkelbraun oder schwarz, sondern in den klassischen Fachwerkfarben Grau, Rot oder auch Ocker gestrichen. Erfrischung nach dem Spaziergang versprechen die Straßencafés auf dem Marktplatz. Auch vor dem Lamm in der Schulstraße kann man schön draußen sitzen. 5 Fachwerkpfad Startpunkt: Marktplatz 71083 Herrenberg I-Punkt Herrenberg Marktplatz 1 71083 Herrenberg 07032 9240 www.herrenberg.de
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