Der Beweis ist eine Tatsache, welche die Wahrheit einer anderen Tatsache und die Gültigkeit einer darauf bezogenen Wahrheitsbehauptung bestätigt. 27
Der Beweis und sein Objekt müssen auf eine spezifische Weise zusammenhängen, die den Beweis erst als solchen konstituiert.
I.Strafprozessualer Beweis
Ziel jeden Strafverfahrens ist es, Grundlagen für die Entscheidung zu beschaffen, ob der Beschuldigte wegen einer bestimmten Straftat anzuklagen und dann zu verurteilen oder ob das Verfahren einzustellen ist. Diese Entscheidung ist nur möglich, wenn die Beweisführung alle Merkmale der fraglichen Straftat umfasst, also sämtliche objektiven und subjektiven Tatbestandselemente sowie die zeitliche und örtliche Einordnung der Tat. Damit es zu einer Verurteilung kommen kann, müssen alle diese Elemente bewiesen sein; bleibt nur ein einziges Tatbestandselement unbewiesen, dann muss das Verfahren eingestellt werden. 28
„Beweis“ ist strafprozessual nur, was von einem entscheidungsberufenen Staatsorgan, i.d.R. einem gerichtlichen Spruchkörper, im Rahmen einer Beweiswürdigung als ein solcher anerkannt/verwandt worden ist, sei es zur Stärkung des Beweisgebäudes, 29sei es zu dessen Schwächung/Relativierung. Der Terminus korreliert als Gegenstand immer mit seinem Bezugsrahmen, der richterlichen Überzeugungsbildung (§§ 261, 264, 267 StPO). Die Beweiswürdigung im engeren Sinn schließt an die Beweiserhebung an. Sie setzt voraus, dass die im konkreten Fall in Betracht kommenden Beweise erhoben sind. Vorausgesetzt ist also, dass das Gericht die Zeugen gehört hat, dass etwaige Beweisstücke in Augenschein genommen worden sind und der Angeklagte, wenn er aussagebereit war, gehört worden ist. Soweit Urkunden von Bedeutung sind, müssen diese verlesen worden sein; wenn ein Sachverständiger benötigt wird, muss dieser sein Gutachten erstattet haben. 30
„Beweis“ ist also namentlich nicht, was der Gerichtsreporter aus seiner Perspektive (etwa in kritischer Einschätzung des gerichtlichen Agierens und Argumentierens) für einen solchen hält, mag er kriminaltechnisch oder strafprozessrechtlich auch noch so recht haben. 31
Was „Beweis“ ist, entscheidet die „freie Überzeugung des Gerichts“, und zwar „aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung“ (§ 261 StPO).
II.Gegenstand des Beweises
Gegenstände des Beweises sind Tatsachen und Erfahrungssätze, die für die Entscheidung in einer Strafsache von Bedeutung sind.
Als Tatsachen im Sinne der StPO gelten konkrete Umstände, die Ereignisse, Vorgänge, Gegebenheiten, Eigenschaften und Zusammenhänge eines Geschehens widerspiegeln. „Tatsache“ ist nach allgemeiner Auffassung, im Gegensatz zur „Wertung“ ein Umstand, der „dem Beweis zugänglich“ ist. Beweis wiederum ist seinerseits eine weitere Tatsache, die mittels Schlussfolgerung die erste Tatsache stützt, belegt, bestätigt; der Begriff umfasst aber im Grunde nicht allein diese zweite Tatsache selbst, sondern bezieht ihre kommunikative und ursächliche Verbindung mit der zu beweisenden ersten Tatsache mit ein. 32
Tatsachen können in der Vergangenheit liegen oder sich in der Gegenwart ereignet haben. Tatsachen sind sowohl das sinnlich wahrnehmbare äußere Geschehen als auch innerpersonale psychische Tatsachen wie Pläne, Ansichten, Motive oder Gedanken. Auch die Behauptung, dass sich ein Geschehnis nicht ereignet hat oder ein Zustand nicht bestand (sogenannte Negativtatsache) kann eine dem Beweis zugängliche Tatsache sein. Durch diesen weiten Tatsachenbegriff sind lediglich nicht objektivierbare Bewertungen und Vorhersagen sowie der Inhalt und die Auslegung der anzuwendenden inländischen Rechtsvorschriften und Rechtsbegriffe aus der Beweisaufnahme ausgenommen. 33
Tatsachen werden u.a. unterschieden nach äußeren Tatsachen und inneren Tatsachen.
Äußere Tatsachen treten in der Außenwelt in Erscheinung. Innere Tatsachen tragen sich im Inneren eines Menschen zu. Es sind z.B. Absichten oder Motive des Handelns. Häufig kann von äußeren Tatsachen auf innere Tatsachen geschlossen werden. 34
Über offenkundige Tatsachenfindet eine Beweiserhebung nicht statt (§ 244 Abs. 3 StPO). Offenkundig ist eine Tatsache dann, wenn sich ihre Wahrheit aus allgemein zugänglichen Quellen ergibt und für jedermann unmittelbar einsichtig ist. 35
Die tatsächlichen Umstände, die die Voraussetzungen Straftatbestands erfüllen, nennt man Haupttatsachen. Wird eine von ihnen nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt, darf die Verurteilung nicht erfolgen.
Erfahrungssätze sind Regeln, die sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse oder auf allgemeine Lebenserfahrungen begründen. Soweit Erfahrungssätze keine Ausnahme zulassen, haben sie im Sinne des Beweiswerts eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zum Inhalt. Bleiben Erfahrungssätze unbeachtet, ist die Beweiswürdigung fehlerhaft. 36Erfahrungssätze sind in der kriminalistischen Praxis besonders bei der Beweiswürdigung von sogenannten Indizienbeweisen von Bedeutung. Das Gericht hat die Frage nach der Existenz von Erfahrungssätzen und bejahendenfalls deren Gültigkeitsanspruch zu prüfen. An zwingende Erfahrungssätze ist das Gericht gebunden, mit nicht allgemeingültigen Erfahrungssätzen muss es sich wegen in ihnen etwa zum Ausdruck kommenden Wahrscheinlichkeitsaussagen auseinandersetzen. 37
Ein Beweis des „ersten Anscheins“ (prima facie), der nicht auf der Gewissheit, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines typischen Geschehensablaufs beruht, ist im Strafprozess (anders im Zivilprozess) nicht zulässig. 38
Unter den beweiserheblichen Tatsachen kann man Haupttatsachen (unmittelbar erhebliche Tatsachen), Indizien und Hilfstatsachen des Beweises unterscheiden. 39Haupttatsachen füllen die Merkmale des gesetzlichen Tatbestands aus, ohne dass es weiterer Zwischenschritte zur Subsumtion der Tatsache unter die in Betracht kommende Norm bedarf. Indizien sind demgegenüber (nur) mittelbar entscheidungserhebliche Beweistatsachen, die – für sich genommen oder in Verbindung mit anderen Indizien – mittels der Anwendung von Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen einen zwingenden oder einen möglichen Schluss auf eine Haupttatsache zulassen. Hierzu zählen auch die sogenannten Hilfstatsachen, die der Beurteilung des Beweiswerts eines Beweismittels dienen. 40
1.Haupttatsachen: Direkter (unmittelbarer) Beweis
Der direkte Beweis ist derjenige, der in der verfahrensrechtlichen Betrachtung als „Haupttatsache“ bezeichnet wird. Der direkte Beweis ist dann gegeben, wenn die beweiserhebliche Tatsache unmittelbar auf den zu beweisenden Sachverhalt hinweist. Es handelt sich um die Beweise, die durch sich selbst die Strafbarkeit begründen („unmittelbare Beweise“). Unmittelbare Beweise können z.B. die sichergestellte Waffe, das Rauschgift oder Falschgeld sein, die bei einem Beschuldigten sichergestellt werden, weil und insoweit der Besitz allein die Strafbarkeit begründet. 41
Beispiel: 42Hat der Beschuldigte 15 Gramm Heroin bei sich, so beweist dies den rechtswidrigen Drogenbesitz. Wird daraus gefolgert, dass der Betreffende mit Drogen handelt, so kann die Menge, die über den normalen Tagesgebrauch hinausgeht, lediglich aus dieser Schlussfolgerung heraus ein Indiz für den Handel sein. Sind die 15 Gramm in die üblichen Verkaufsportionen einzeln verpackt, wäre dies ebenfalls ein weiteres Indiz, trägt der Beschuldigte darüber hinaus Bargeld in „handelsüblicher Stückelung“ bei sich, ergäbe sich ein weiterer mittelbarer Beweis. Als unmittelbarer Beweis für den Handel könnte jedoch eine (verdeckte) Ton und Bildaufzeichnung gelten, die die Abgabe der Verkaufsportionen und die Entgegennahme von Kaufgeld darstellt. Der so gefertigte Film wäre Gegenstand des Augenscheins in der Gerichtsverhandlung.
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