3.3.2 Transport biologischer Gefahrgüter
Die Verpackung und Kennzeichnung biologischer Gefahrstoffe für den Transport ist im ADR bzw. national in der GGVSEB geregelt. Zumeist handelt es sich um diagnostische Proben. Die entsprechende Klasse 6.2 »Ansteckungsgefährliche Stoffe« wird nochmals unterteilt in die Kategorien A und B.
Kategorie A:
Die Kategorie A umfasst ansteckungsgefährliche Stoffe, die bei einer Exposition bei sonst gesunden Menschen oder Tieren eine dauerhafte Behinderung oder eine lebensbedrohende oder tödliche Krankheit hervorrufen können. Darunter fallen die UN-Nummern UN 2814: Ansteckungsgefährliche Stoffe, gefährlich für Menschen (Proben von Kulturen des Ebola-Virus) und UN 2900: Ansteckungsgefährliche Stoffe, gefährlich nur für Tiere (Proben, die das MKS-Virus enthalten können).
Kategorie B:
Die Kategorie B umfasst ansteckungsgefährliche Stoffe, die den Kriterien für eine Aufnahme in Kategorie A nicht entsprechen. Sie werden unter der UN-Nummer 3373 zusammengefasst. Darunter werden z. B. diagnostische Proben (Blut, Urin, usw.) zusammengefasst.
Medizinische Proben, bei denen angenommen werden kann, dass sie keine ansteckungsgefährlichen Stoffe enthalten oder Stoffe, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie bei Menschen oder Tieren Krankheiten hervorrufen, fallen nicht unter die Klasse 6.2 des ADR. Toxine aus Pflanzen, Tieren oder Bakterien, die selbst nicht ansteckungsgefährlich sind, fallen, wie andere Giftstoffe auch, unter die Transportklasse 6.1 (UN-Nummern 3172 oder 3462).
3.4 Biologische Kampfstoffe
Biologische Kampfstoffe umfassen Bakterien, Viren und durch Mikroorganismen produzierte Toxine, die zur Schädigung oder Tötung von Militärpersonal, Bevölkerung, Nutztieren oder Nutzpflanzen hergestellt werden. Der Einsatz biologischer Kampfstoffe ist durch die Biowaffenkonvention von 1972 untersagt, allerdings beinhaltet dieses Übereinkommen keine Inspektionsmöglichkeiten. Mit Ende des Kalten Krieges verschwanden die biologischen Kampfstoffe aus dem Blickfeld.
Mit der veränderten Bedrohungslage, z. B. durch den internationalen Terrorismus und der Verfügbarkeit neuer Technologien, die eine Produktion von B-Kampfstoffen auch für kleinere Staaten ermöglichen, stellen diese eine »preiswerte« Alternative zum Entwickeln von Kernwaffen dar. Sie werden deshalb auch als »Atombomben des kleinen Mannes« bezeichnet. Ihre Produktion lässt sich leichter verbergen. Die dazu notwendigen Mittel können einfacher beschafft werden, da es sich um Geräte handelt, die auch für die zivile Nutzung der Biotechnologie notwendig sind (Dual-Use-Problematik).
Militärisch eignen sich biologische Kampfstoffe weniger für den Einsatz auf dem Gefechtsfeld. Dazu sind sie zu langsam wirksam, nicht ausreichend kalkulierbar und zu anfällig für wechselnde Umweltbedingungen. Dagegen ist der strategische Einsatz, beispielsweise gegen größere militärische Einrichtungen, wie Feldlager, und besonders gegen die Zivilbevölkerung denkbar.
Bei Terrorgruppen und Einzeltätern kann dagegen nur schwer abgeschätzt werden, gegen wen sich ein Anschlag richten soll. Auch kann ein krimineller Hintergrund vorliegen. In der Vergangenheit wurden dabei Milzbrand, Salmonellen und Rizin verwendet. Aktuell wird nicht von der Gefahr einer großflächigen Freisetzung von B-Waffen ausgegangen. Dagegen ist ein kleinräumiger Einsatz gegen gezielt ausgewählte Einzelpersonen oder Personengruppen wahrscheinlicher. Auch in diesem Fall kann es bei einer Freisetzung von infektiösen Erregern zu einem Krankheitsausbruch bei Kontaktpersonen kommen. In jedem Fall werden umfangreiche Desinfektionsmaßnahmen notwendig. Beispielsweise erforderte das Verschicken von mit Anthrax-Sporen gefüllten Briefen in den USA erhebliche Dekontaminationsarbeiten innerhalb der betroffenen Posteinrichtungen.
Um Erreger oder Toxine als biologische Kampfstoffe gebrauchen zu können, müssen sie bestimmte Eigenschaften besitzen. Für eine Nutzung als so genannte B-Waffe muss ein biologisches Agens über folgende Eigenschaften verfügen:
Möglichkeit der Herstellung bzw. der Beschaffung,
Auslösen von schweren Erkrankungen,
Aerosolisierbarkeit (bei Freisetzung in die Atmosphäre), oder zur Kontamination von Wasser und Lebensmitteln geeignet,
Umweltstabilität gegen Sonnenlicht, Temperatur und andere Umweltfaktoren.
Besonders sporenbildende Bakterien sind für den Gebrauch als biologische Waffen interessant. Als Endosporen lassen sie sich lange lagern, effizient verbringen, sind resistent gegen Umwelteinflüsse und können in Aerosolform in die Lunge eindringen.
Bio-Waffen müssen als ein System verstanden werden, das aus vier Komponenten besteht:
1. dem biologischen Kampfstoff,
2. dem Transportbehälter, der das Agens gegen die Umwelt abschirmt,
3. dem Verbringungssystem (Rakete, Transportfahrzeug, Attentäter) und
4. dem Disperser zur dosierten Ausbringung des Kampfstoffs.
Um einen erfolgreichen Einsatz zu gewährleisten, müssen diese vier Komponenten aufeinander abgestimmt sein. Während militärische Waffensysteme hochentwickelt sind, ist bei einer terroristischen Nutzung von improvisierten Lösungen unter Nutzung marktverfügbarer Geräte auszugehen, die aber dennoch eine erfolgreiche Ausbringung ermöglichen können.
Bild 9: Übersicht über mögliche biologische Kampfstoffe
3.5 Schutz vor biologischen Gefahren
Biologische Gefahrstoffe weisen einen entscheidenden Unterschied zu radiologischen und chemischen Gefahren auf: Während letztere durch Umwelteinflüsse vermindert werden, können sich biologische Gefahrstoffe unter für sie günstigen Bedingungen vermehren. Aufgrund der Weitergabe über infizierte Menschen oder Tiere besteht die Gefahr ihre Verbreitung weit über den ursprünglichen Gefahrenbereich hinaus. Der Schutz vor biologischen Gefahrstoffen basiert deshalb darauf, die Infektionskette zu unterbrechen.
Bild 10: Ansätze zur Unterbrechung der Infektionskette
3.5.1 Bekämpfung des Erregers
Verringerung der aktiven Erregerkonzentration
Durch eine Desinfektion werden Krankheitserreger größtenteils abgetötet oder inaktiviert (die Inaktivierung bezeichnet den Verlust der Virulenz). Dabei wird die Konzentration der virulenten Erreger soweit herabgesetzt, dass das Infektionsrisiko auf ein tolerierbares Niveau sinkt. Bei unempfindlichen Kleingeräten und Kleidung kann eine Sterilisation, z. B. mit unter Druck stehendem Heißdampf, durchgeführt werden. Kontaminierte Geräte sind nach der Sterilisation keimfrei (steril).
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