Impressum
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Die Abbildungen stammen von Martin Gebhardt und aus dem Privatarchiv der Autorin.
Das Neue Berlin –
eine Marke der Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage
ISBN E-Book 978-3-360-50178-3
ISBN Print 978-3-360-01372-9
1. Auflage 2021
© Eulenspiegel Verlagsgruppe Buchverlage GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin, unter Verwendung eines Fotos von adobe.stock/Andrzej Tokarski
www.eulenspiegel.com
Über das Buch
Die Covid-19-Pandemie hat uns Grenzen aufgezeigt. Und das Bewusstsein dafür geschärft, wie anfällig die heutige hochkomplexe Infrastruktur ist. Prepper haben das schon lange geahnt und sich vorbereitet. Gefahrenszenarien gibt es viele: Naturkatastrophen, Finanzkollapse, Aufstände, Bürgerkriege, Sonnenstürme, Invasionen, Terroranschläge oder Unfälle in Atomkraftwerken und Chemiefabriken. Prepper sind Experten des Zusammenbruchs. Nichts scheint ihnen sicher: Der Staat zerfällt, auf die Sicherheitsorgane ist kein Verlass, also wenden sie sich der Selbstversorgung zu. Sie sind bereit – für den Tag X, an dem nichts mehr so sein wird wie zuvor.
Wie real die Bedrohungslage wirklich ist, wie sich Prepper darauf vorbereiten, welche verschiedenen Prepper-Typen es gibt, was sie motiviert, ob wir von ihnen lernen können oder ob sie eine Gefahr für die demokratische Gesellschaft darstellen – das klärt Gabriela Keller in diesem Buch.
Über die Autorin
Gabriela Keller, geboren 1975, ist Investigativreporterin bei correctiv.org, zuvor war sie im Reportage- und Rechercheressort der taz als auch der Berliner Zeitung tätig. Davor lebte und arbeitete sie sechs Jahre lang als freie Reporterin und Korrespondentin im Nahen Osten. In dieser Zeit erlebte sie mehrere bewaffnete Aufstände und soziale Unruhen. Die Erfahrung schwerer Krisen und politischer Gewalt hat auch ihren Blick auf die innerdeutschen Zustände verändert. Gabriela Keller war für den Nannen- und den DJV-Preis nominiert. 2018 erhielt sie den DuMont Journalistenpreis für die beste Recherche.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort – Sind wir alle Prepper?
I. Doomer, Retreater, Survivalisten: Prepper-Typen und welche Krisen sie kommen sehen
1. Ein Störfall, dann fallen die Dominosteine – Kriseninspiration in Fiktion und Wissenschaft
2. »Die Verwundbarkeit der modernen Infrastruktur« – Soziale Verantwortung und radikaler Individualismus
3. Bug-in, Bug-out: Begriffe und Definitionen
4. Heuschrecken aus der Unterwelt – die Apokalypse als Ende der westlichen Zivilisation
5. In Erwartung der Klimakatastrophe: Der Doomer
II. Auf dem Land
1. Gut Maasdorf – Rückzug auf die Burg
2. Zurück in die Vormoderne – der Traum vom autarken Leben auf dem Land
3. Auf sich selbst gestellt – Prepping als Form der Selbsthilfe in abgelegenen und strukturschwachen Regionen
III. Im Wolfsland
1. Werwölfe
2. Schnittmengen und Abgrenzungen: Militante Prepper und Rechtsextreme im Endzeitfieber
3. Die blutigen Märchen des arischen Weltuntergangspropheten
4. Apocalypse Now in Mecklenburg-Vorpommern – Die Gruppe Nordkreuz
5. »Nordkreuz« und was danach geschah: Halbherzige Verfahren, desinteressierte Behörden
6. Demokratischer Zerfall – staatlicher Rückzug und völkische Einflussnahme
IV. Im Kaninchenbau
1. Der Informationskrieger
2. Corona, Verschwörungsmythen und Akzeleration
3. »Die dich abmurksen und essen wollen« – Krisenerzählungen und Tag-X-Visionen in Preppergruppen auf Facebook und Telegram
4. Soldatenspiele: Militärische Taktik für Zivilisten
V. In der Stadt
1. Eine diverse Szene: Der Prepper und die Angst der Wohlstandsbürger
2. Der City-Prepper: Finanzielle Vorsorge im Plattenbau
3. »Die Natur gibt sofort Feedback« – Der Prepper als Manager: Selbstoptimierte Krisenstrategen
4. Volatile Märkte: Von Finanzkrisen, Angstunternehmern und High-End-Bunkern
5. Urbane Risikozonen: Angst und Hass in der Multikulti-Metropole
VI. Im Krisenmodus
1. Abenteuer und fantastische Katastrophen
2. Ratten grillen, Maden essen: Das Geschäft mit der Krise
3. Preppende Alltagshelden: Wirkliche Krisen und Notlagen ohne Drehbuch
Nachwort
Danksagung
Weltende
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.
(Jakob van Hoddis, 1911)
Vorwort – Sind wir alle Prepper?
Allein im Wald
An einem frühen Augustnachmittag, der Himmel über dem Eichsfeld, westliches Thüringen, ist weiß vor Hitze, verlässt ein schmaler Mann mit Brille und grauen Haaren den Weg und steuert hinein in den Wald. Gepanzert in beigefarbenes Gore-Tex arbeitet er sich vorwärts über einen Hang, sucht mit Nordic-Walking-Stöcken Halt zwischen den Wurzeln. Er keucht und wankt unter dem Gewicht eines riesigen Rucksacks.
Der Mann, nennen wir ihn Stephan, hat 150 Euro für diesen Workshop gezahlt, in dem er lernen soll, in Notsituationen zu überleben. Der Kurs geht nur anderthalb Tage, doch Stephan ist ausgerüstet wie für Wochen in der Wildnis. 25 Kilo wiegt sein Rucksack. Der IT-Fachmann aus Köln, Anfang 60, will in der Lage sein, auch längere Zeit in der Natur durchzustehen. Deswegen ist er ja hier.
»Ich hatte neulich zu Hause einen Stromausfall«, sagt er. »Da habe ich mich mit meiner ganzen Hightech-Ausrüstung plötzlich ziemlich einsam gefühlt.« Die elektrischen Geräte liefen nicht mehr, aber das war noch nicht alles, zur selben Zeit sei wegen einer Baustelle in der Nähe auch noch das Wasser ausgefallen. »Ich war ein bisschen entsetzt, wie schnell man in so einer Situation mit seinem Latein am Ende ist.«
Im Februar 2020 war das, »und dann kam gleich Corona«. Für den Informatiker veränderte sich in diesem Moment etwas Wesentliches: Er merkte, wie abhängig er von der technischen Infrastruktur ist – und wie störungsanfällig die Systeme sind. Stephan kam sich linkisch vor, unfähig zu handeln, und er beschloss: So soll es nie wieder laufen. Er sagt: »Ich habe eine schlechte Figur gemacht und mich gefragt: Wie kann ich es in Zukunft besser machen?«
Er ist etwas zurückgefallen, der Rest der Gruppe wird im Grün zwischen den Baumstämmen vor ihm kleiner und kleiner. Wo sein Rucksack sitzt, bilden sich große Schweißflecken. Stephan hat einen Großeinkauf im Outdoorhandel hinter sich: Er hat Essgeschirr dabei, Campingkocher, Pfannen, Messer, Haken, Taue, Matten. Seine Hose und sein Hemd sehen aus wie frisch aus der Verpackung gezogen, sogar die Faltkniffe zeichnen sich noch deutlich ab.
When Shit Hits the Fan
In der Geschichte des Informatikers, der sich an diesem Samstag durch den Wald irgendwo in Thüringen müht, geht es um mehr als ein Wochenende im Wald. Es geht um ein diffuses Gefühl der Unsicherheit, das bis weit in die Mittelschicht gedrungen ist, um die Schwachstellen der modernen, technisierten Welt, die Wechselwirkung zwischen Konsumgesellschaft und Existenzangst sowie die Frage, was der Mensch in all seiner Bedrängnis tun kann, um der Furcht vor dem großen Chaos um uns herum etwas entgegenzusetzen. Es geht um die Krisen, die auf Deutschland zukommen, und die Leute, die sich für sie rüsten. Der Begriff »Prepper« ist abgeleitet vom englischen »to prepare« und bezeichnet Menschen, die sich vorbereiten auf den Tag, an dem nichts mehr so ist wie vorher. Im Prepperslang heißt das TEOTWAWKI, »The end of the world as we know it«, das Ende der Welt, wie wir sie kennen, oder: SHTF: »Shit hits the fan« – wenn also die Scheiße auf den Ventilator klatscht. »Man kann das Ganze auch wie eine Lebens-, Unfall- oder Berufsunfähigkeitsversicherung sehen«, schreibt der Prepper und Autor Sebastian Hein in seinem Buch »Prepper, Krisenvorsorge, Survival Guide«: »Natürlich hofft jeder, dass man selbst oder die Hinterbliebenen diese Leistungen niemals in Anspruch nehmen müssen, dennoch hat man diese Versicherung und sorgt so für mögliche Ereignisse dieser Art vor.«
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