Längst nicht jeder Bushcrafter bereitet sich auf Krisen vor, längst nicht jeder Prepper will im Ernstfall in den Wald fliehen. Aber viele eignen sich zur Vorbereitung Survival-Fertigkeiten an. Und oft sind Survivalisten nicht nur eine Art erwachsene Pfadfinder, sondern sorgen auch vor; viele Survival-Kursanbieter haben zugleich Prepping-Schulungen im Programm. Die Inhalte sind ähnlich, nur die Zielgruppe etwas anders.
Es gibt aber auch Prepper, die grundlegende Unterschiede sehen; in einer Gruppe auf Telegram zum Beispiel rät ein Mitglied den anderen von Survival-Trainings ab, »da wir Prepper anders als Survivalisten im Vorhinein Ausrüstung wie Messer und Co. bevorraten und nicht Feuersteine etc. suchen, um uns aus den gebrochenen Stücken ein Messer zu basteln. Außerdem ist Shelter-Bau mit Lagerfeuer und Steinkreis im Wald nicht im Sinne des Preppers, der unentdeckt bleiben will«.
In den USA dagegen werden beide Gruppen gemeinhin als Subspezies derselben Art gesehen, manche verwenden die Begriffe »Prepper« und »Survivalist« synonym. Meist aber betrachtet man dort Prepper eher als diejenigen, die sich mit Vorratslagern und Bunkern auf die Krise vorbereiten und Survivalisten als die in aller Regel bewaffneten Überlebenskämpfer, die im Wald für die Endzeit trainieren.
Feuer machen, Kochen über der Feuerstelle – Survivalisten üben das Überleben in der Wildnis
Der amerikanische Autor David Black sieht die Unterschiede in der Schwere der erwarteten Krise. In seinem Buch »Survival Retreats« spricht er bei Preppern von »Individuen oder Gruppen, die sich aktiv für kleinere oder mittlere Störungen der öffentlichen Versorgung aufgrund von Katastrophen oder nationalen Notfällen vorbereiten, die von kurzen Störungen der politischen und sozialen Ordnung begleitet sein könnten.« Prepper misstrauten der Regierung, glaubten aber an die Haltbarkeit der Gemeinschaft und den Bestand der Technologie. Survivalisten dagegen definiert Black als »eine Bewegung von Individuen oder Gruppen, die sich aktiv auf apokalyptische Katastrophen vorbereiten, seien sie menschengemacht oder natürlich, die in einen vollständigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kollaps« führen »und in allseitigem Pandämonium und Chaos enden«.
4. Heuschrecken aus der Unterwelt – die Apokalypse als Ende der westlichen Zivilisation
Die Art des Preppens, um die es in diesem Buch geht, ist ein relativ neues Phänomen. Vorbereitung auf katastrophische Ereignisse aber ist eine Tradition, die praktisch so alt ist wie die Menschheit. Schon die Johannes-Offenbarung in der Bibel beschreibt, wie es mit der Welt auf schreckliche Art zu Ende gehen werde: Blut und Feuer regnen vom Himmel, Sterne stürzen ins Wasser, Heuschreckenschwärme steigen aus der Unterwelt auf und fallen über die Welt her. Wenn alle Plagen ihr Werk vollendet haben, ist die Zeit für die zweite Wiederkunft Jesu gekommen, und der letzte Kampf zwischen Gut und Böse nimmt seinen Lauf; danach entsteht das Himmelreich, in dem die Gläubigen ein ewiges Leben erwartet. Praktische Vorbereitungen erwähnt der Prophet in der Offenbarung nicht. Die einzig probate Form des Preppens ist hier fromme Einkehr. Einlass zum Reich Gottes und damit zum ewigen Leben wird nur einer auserwählten Schar von besonders standhaften Gläubigen gewährt.
Seit mindestens zwei Jahrtausenden gehen die Menschen im Westen davon aus, dass der Weltuntergang jeder Zeit kommen kann, wie es die Bibel vorhersagt. Auch die islamische Welt und das Judentum kennen apokalyptische Erzählungen, die nordische Mythologie hat mit Ragnarök ihre Entsprechung. Immer wieder wurden Epidemien, Kriege oder Naturkatastrophen als Vorboten der Apokalypse gedeutet; im Christentum gilt das Weltende zugleich als Schreckensszenario und als Hoffnung auf Erlösung. Eine Fülle von Weltuntergangssekten hat mit der Ankündigung, die Endzeit habe begonnen, Anhänger um sich geschart. Zahllose selbsternannte Propheten haben Omen interpretiert und einen konkreten Zeitplan für die Ereignisse der Offenbarung aufgestellt. Für die Mormonen zum Beispiel gehört die praktische Vorbereitung auf die Apokalypse zur Glaubenspraxis. Die mit 16 Millionen Mitgliedern extrem einflussreiche »Kirche Jesu Christi der Heiligen Letzten Tage« hat sogar ein Infoblatt mit Tipps und Hinweisen zur Vorratshaltung herausgegeben und empfiehlt ihren Anhängern das Vorhalten einer Notreserve für mindestens drei Monate. In der »Doktrin und Glaubenspraxis« der Mormonen heißt es: »Wir legen den Mitgliedern der Kirche in aller Welt ans Herz, für Notzeiten vorzusorgen, indem sie einen Grundvorrat an Lebensmitteln und Wasser anlegen und etwas Geld sparen. Wir bitten Sie, weise vorzugehen [und] es nicht [zu übertreiben].«7
Aber die Apokalypse ist nicht nur biblisches Motiv, sondern auch wissenschaftliches Szenario: Schon Anfang der siebziger Jahre haben Wissenschaftler für den »Club of Rome« anhand von Systemanalyse und Computersimulationen durchgerechnet, wie sich die Wachstumsraten der Bevölkerung, die Industrialisierung und die Ausbeutung der Rohstoffreserven auswirken werden. Ihr Bericht »Die Grenzen des Wachstums« schließt mit einer unheilvollen Warnung: »Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unvermindert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.«
Überall Katastrophen
Viele Schreckensszenarien, die von der Wissenschaft prognostiziert wurden, sind Wirklichkeit geworden. Die Erkenntnis, dass das Wachstum Grenzen hat, ist längst keine Minderheitsmeinung mehr. Spätestens seit die Schülerbewegung »Fridays For Future« weltweit Hunderttausende auf die Straßen brachte, ist der Klimawandel ein Thema, an dem auch die Politik nicht mehr vorbeikommt. Reale Ereignisse scheinen dem bisweilen apokalyptischen Tonfall der Aktivisten recht zu geben: In Europa vertrocknen die Wälder infolge mehrerer Rekordhitzesommer, in Australien brennt der Busch, am Amazonas geht der Regenwald in Flammen auf, Wirbelstürme verwüsten die Küstenregionen in den USA, in der Arktis verhungern die Eisbären, das tauende Eis der Permafrostböden setzt schlafende Krankheitserreger frei. Bis 2040 soll es laut Greenpeace bis zu 200 Millionen Klimaflüchtlinge geben.8
Es hat auch mit der Logik der Medien zu tun, dass sich der Eindruck einstellt, die Welt rotiere in einem ständigen, hochtourig laufenden Krisenmodus. Die Finanzkrise (2007), die Flüchtlingskrise (2015) und die Corona-Krise (2020) sind Beispiele dafür. Zugleich werden kleinere Störungen und Unfälle zur Katastrophe hochgejazzt. Wer die aktuellen Schlagzeilen googelt, stößt gleich auf mehrere Dutzend aktuelle Katastrophen: Ein brennender Öltanker vor Sri Lanka könnte die »größte Öko-Katastrophe seit Jahrzehnten« auslösen, in Belgien droht bei der Regierungsbildung eine »Katastrophe für Flandern«, und in Niedersachsen warnt der dortige Energie- und Umweltminister aufgrund der auslaufenden Förderung für die Windkraft: »Wir steuern auf eine Katastrophe zu.«9
Prepper ziehen Inspiration, Argumente und Beispiele für ihre Szenarien aus Medienberichten und wissenschaftlichen Studien. Die unvorbereitete Mehrheit hält das Sperrfeuer der Krisenmeldungen aus, indem sie die Risiken ausblendet. Katastrophen wirken unvorstellbar, bevor sie sich ereignen, und historisch-abstrakt, nachdem sie vorübergezogen sind. Anders ist dies für die junge Generation, die den Klimawandel als akute Bedrohung begreift.
5. In Erwartung der Klimakatastrophe: Der Doomer
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