Wilfried Huismann
Rendezvous mit dem Tod - Warum John F. Kennedy sterben musste
Saga
Rendezvous mit dem Tod - Warum John F. Kennedy sterben musste Coverbild / Illustration: Pixabay Copyright © 2008, 2019 Wilfried Huismann und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726346893
1. Ebook-Auflage, 2019
Format: EPUB 2.0
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In seinem Marmorpalast am Platz der Revolution sah sich Fidel Castro meinen Dokumentarfilm »Rendezvous mit dem Tod« an, den die ARD am 6. Januar 2006 ausgestrahlt hat. Was er sah, gefiel ihm offenbar nicht, denn prompt nutzte er einen Auftritt im staatlichen Fernsehen am 22. Januar 2006 dazu, um den Film zu kritisieren. Der Autor sei ein »schräger Vogel« aus Deutschland, der »auf Rechnung und auf Befehl der CIA« gearbeitet habe. Aus seinem Mund klingt das fast wie ein Lob. Immerhin hat der máximo lider bei seiner Schimpfkanonade mit keinem Wort meine Grundthese bestritten, nach der Lee Harvey Oswald als »revolutionärer Kämpfer« von Kuba eingesetzt wurde, um John F. Kennedy zu töten.
Auch Fidel Castros Getreue versuchten gar nicht erst, die sorgfältig zusammengetragenen Beweise, die in »Rendezvous mit dem Tod« präsentiert werden, zu widerlegen. Der kubanische KP-Funktionär Miguel de Padrón veröffentlichte am 25. Januar in der Zeitschrift Cubadebate einen noch schrilleren Verriss als den des Meisters: Autor Huismann sei ein Komplize der Terroristen und habe für sein Machwerk von der CIA eine Million Dollar bekommen. Das Drehbuch habe die exilkubanische Mafia in Miami geschrieben.
Castro brachte auch seine Diplomaten auf Trab. In mehreren Ländern erhielten die jeweiligen Fernsehanstalten Besuch vom kubanischen Botschafter, der sie mit Drohungen (Einreiseverbot für Journalisten) davon abzuhalten wollte, den Film ebenfalls zu zeigen.
All diese Bemühungen sind umsonst. Die bösen Geister der Geschichte kann man auf Dauer nicht einsperren. Kennedy starb in einem dramatischen, mit großer persönlicher Leidenschaft geführten Duell, aus dem Castro als Sieger hervorging. Vielleicht wird mancher Castros Tatmotiv ein Stück weit nachvollziehen können. Immerhin hatten die Kennedy-Brüder vor dem tragischen Finale in Dallas alles versucht, ihn ebenfalls ermorden zu lassen. Selbst nachdem Castro im Herbst 1963 eine Warnung nach Washington geschickt hatte, heuerte Justizminister Robert Kennedy einen von Castros Freunden an, um ihn zu vergiften. Lyndon B. Johnson erzählte die Tragödie texanisch schlicht in einem Satz: »Kennedy wollte Castro erledigen, aber Castro war schneller.«
Johnson trägt auch die Verantwortung dafür, dass Fidel Castro als Pate des Verbrechens ungestraft davongekommen ist. Als er wenige Stunden nach Kennedys Ermordung erfuhr, der Mörder Lee Harvey Oswald habe Kontakte zum kubanischen Geheimdienst gepflegt, war er schockiert. Wäre diese Tatsache in dem traumatisierten und aufgewühlten Amerika der damaligen Zeit bekannt geworden, hätte er Kuba militärisch angreifen und damit möglicherweise die Verantwortung für den Ausbruch des Dritten Weltkrieges tragen müssen.
Gemeinsam mit dem Bruder des toten Präsidenten, Robert Kennedy, entschloss er sich, die Hintergründe des Verbrechens zu vertuschen. Alle Ermittlungen in Richtung Kuba wurden eingestellt und auch die Warren-Kommission, die das Verbrechen untersuchen sollte, wurde absichtlich getäuscht.
Ich erfuhr zum ersten Mal davon, als ich im Sommer des Jahres 2000 den ehemaligen FBI-Agenten James Hosty kennen lernte, der Lee Harvey Oswald vernommen hatte. Seine Aussage öffnete mir die Tür zu einem der sorgsam gehüteten Staatsgeheimnisse der USA.
Wilfried Huismann, im Juli 2006
Einleitung – Unter Krokodilen
»Mit meiner Kuba-Politik habe ich eine Schlange an meinem Busen genährt, die mir sehr gefährlich werden kann.«
John F. Kennedy
Der erste Weg auf einer langen und abenteuerlichen Recherchereise führt durch ein sumpfiges Labyrinth. 100 Meilen durch den grünen flachen Dschungel der Everglades geht die Fahrt in Richtung Punta Gorda an der Westküste Floridas. Dort lebt der legendäre James Hosty, ein FBI-Agent, der Lee Harvey Oswald nach dem Mord an Kennedy persönlich vernommen hat. Ein Freund hat mir empfohlen, den alten Mann zu besuchen. Hosty habe eine unglaubliche Geschichte zu erzählen.
Links und rechts der Straße lauern Alligatoren und Krokodile. Zu hunderten liegen sie müde am Zaun, der sie davon abhält, über die vorbeiziehenden Autos herzufallen. Die Everglades sind ein sumpfiges Paradies aus Bauminseln mit Sumpfkiefern, Mangrovenwäldern, Magnolien, Lilien, Gras und Milliarden von Moskitos. Über allem ein makellos blauer Himmel. Die kaltblütigen Alligatoren blinzeln uns frustriert hinterher. Der Zaun macht all ihre Träume zunichte.
Er stellt sich mit »Special Agent James Hosty, FBI « vor, so als sei er noch im Dienst. Ein vierschrötiger, untersetzter Mann knapp über 80, dessen Stimme wie ein texanischer Sattel knarrt. Die Linke kann er nicht ausstehen. Sie habe den Kennedy-Mord dazu benutzt, eine »Verschwörungsindustrie« aufzubauen und die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Institutionen zu erschüttern.
Hosty hat den 22. November 1963 als nicht enden wollenden Albtraum in Erinnerung. Immer wieder habe er mit den Tränen kämpfen müssen, denn im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen verehrte er den Präsidenten: »Ich war Demokrat und irischer Katholik, wie er. Es war, als sei ein Verwandter gestorben.«
Die Sonne strahlte über Dallas, als er in der Mittagspause sein Büro verließ, um dem Autokorso des Präsidenten vom Bürgersteig aus zuzusehen. Einige Dinge missfielen ihm sofort: Das Verdeck des Lincoln war heruntergeklappt und nur ein Leibwächter fuhr in Kennedys Wagen mit. Die anderen Geheimagenten fuhren in einem Begleitwagen. »Verdammter Leichtsinn«, fuhr es ihm durch den Kopf. Aber es war nicht sein Job. Nachdem er einen kurzen Blick auf John F. und Jackie erhascht hatte, ging er in sein Lieblingslokal, das Oriental Café, und bestellte sich einen Käsesandwich, dazu einen Kaffee.
Um 12:29 Uhr erreicht der Lincoln des Präsidenten die Kreuzung von Main und Houston Street. Nellie Connally, die Frau des texanischen Gouverneurs, dreht sich auf ihrem Sitz herum und sagt: »Sie können nicht behaupten, dass Dallas Sie nicht liebt, Mr. President.« Die Uhr auf dem Hertz-Gebäude zeigt 12:30, als die Schüsse fallen.
Der erste Schuss geht daneben. Lee Harvey Oswald braucht drei bis vier Sekunden zum Nachladen. Der Kopf seines Opfers ist jetzt 60 Meter von ihm entfernt. Das zweite Geschoss vom Kaliber 6,5 Millimeter dringt in den Nacken ein, verletzt die rechte Lunge, durchschlägt die Luftröhre, tritt aus der Kehle aus und durchschlägt dann, durch den Aufprall ins Trudeln geraten, in einer Zickzackbewegung den Rücken, die Brust, das rechte Handgelenk und den linken Oberschenkel des vor Kennedy sitzenden Gouverneurs Connally 1 . Der Präsident ist schwer verletzt, aber nicht tödlich.
Roy Kellermann, der persönliche Leibwächter Kennedys, sitzt auf dem Vordersitz und blickt den Fahrer der Limousine, William Greer, erstaunt an. Beide sind wie gelähmt und unfähig zu reagieren. Greer beugt sich über das Steuer und bremst sogar noch ab. Fünf Sekunden verstreichen ungenutzt, sie wären für ein schnelles Ausweichmanöver ausreichend gewesen. Fünf Sekunden sind für Oswald mehr als genug, um erneut nachzuladen und sein Opfer ins Visier zu nehmen. Er kann den Kopf Kennedys im Fadenkreuz seines Zielfernrohres deutlich erkennen, jetzt 80 Meter entfernt und nahezu unbewegt. Das Gewehr auf einer Kiste abgestützt, schießt er ruhig und sicher.
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