O Tag, o Tag, o Tag, verhaßter Tag!
Solch schwarzen Tag wie diesen gab es nie.
O Jammertag, o Jammertag!
PARIS
Berückt, geschieden, schwer gekränkt, erschlagen!
Fluchwürdger, arger Tod, durch dich berückt!
Durch dich so grausam, grausam hingestürzt!
O Lieb, o Leben! Nein, nur Lieb im Tode!
CAPULET
Verhöhnt, bedrängt, gehaßt, zermalmt, getötet!
Trostlose Zeit, deswegen kamst du jetzt,
Zu morden, morden unser Freudenfest! -
O Kind, Kind! Meine Seel und nicht mein Kind!
Tot bist du? Wehe mir, mein Kind ist tot,
Und mit dem Kinde starben meine Freuden.
LORENZO
Still! Hegt doch Scham! Solch Stürmen stillet nicht
Des Leidens Sturm. Ihr teiltet mit dem Himmel
Dies schöne Mädchen, nun hat er sie ganz,
Und um so besser ist es für das Mädchen.
Ihr konntet euer Teil nicht vor dem Tod
Bewahren; seins bewahrt im ewgen Leben
Der Himmel. Sie erhöhn war euer Ziel,
Eur Himmel wars, wenn sie erhoben würde;
Und weint ihr nun, erhoben sie zu sehn
Hoch über Wolken, wie der Himmel hoch?
O wie verkehrt doch euer Lieben ist!
Verzweifelt ihr, weil ihr sie glücklich wißt?
Die lang vermählt lebt, ist nicht wohl vermählt;
Wohl ist vermählt, die früh der Himmel wählt.
Hemmt eure Tränen, streuet Rosmarin
Auf diese schöne Leich, und nach der Sitte
Tragt sie zur Kirch in ihrem besten Staat.
Denn heischt gleich die Natur ein schmerzlich Sehnen,
So lacht doch die Vernunft bei ihren Tränen.
CAPULET
Was wir nur irgend festlich angestellt,
Kehrt sich von seinem Dienst zu schwarzer Trauer.
Das Spiel der Saiten wird zum Grabgeläut,
Die Hochzeitlust zum ernsten Leichenmahl,
Aus Feierliedern werden Totenmessen,
Der Brautkranz dient zum Schmucke für die Bahre
Und alles wandelt sich ins Gegenteil.
LORENZO
Verlaßt sie, Herr; geht mit ihm, gnädge Frau;
Auch Ihr, Graf Paris: macht euch alle fertig,
Der schönen Leiche hin zur Gruft zu folgen.
Der Himmel zürnt mit euch um sündge Tat;
Reizt ihn nicht mehr, gehorcht dem hohen Rat.
Capulet, Gräfin Capulet, Paris und Lorenzo ab.
ERSTER MUSIKANT
Mein Seel, wir können unsre Pfeifen auch nur einstecken und uns packen.
WÄRTERIN
Ihr guten Leute, ja, steckt ein, steckt ein!
Die Sachen hier sehn gar erbärmlich aus.
Ab.
[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT
[zeigt auf sein Instrument.] Ja, meiner Treu, die Sachen hier könnten wohl besser aussehen, aber sie klingen doch gut. [Im Original bezieht der Musiker den Ausspruch der Amme aufgrund der Doppeldeutigkeit des Wortes »case« (Sache, Kasten) auf den Kasten für sein Instrument: »Ja, bei meiner Treu, den Kasten kann man doch ausbessern.«]
PETER
O Musikanten, Musikanten, spielt:
»Frisch auf, mein Herz! Frisch auf, mein Herz, und singe!«
O spielt, wenn euch mein Leben lieb ist, spielt:
»Frisch auf, mein Herz!«
ERSTER MUSIKANT
Warum: »Frisch auf, mein Herz?«
PETER
O Musikanten, weil mein Herz selber spielt: »Mein Herz voll Angst und Nöten.« O spielt mir eine lustige Litanei, um mich aufzurichten.
[ZWEITER] ERSTER MUSIKANT
Nichts da von Litanei! Es ist jetzt nicht Spielens Zeit.
PETER
Ihr wollt es also nicht?
[MUSIKANTEN] ERSTER MUSIKANT
Nein.
PETER
Nun, so will ich es euch schon [eintränken] gründlich geben.
ERSTER MUSIKANT
Was wollt Ihr uns [eintränken] geben?
PETER
[Keinen Wein] Kein Geld, wahrhaftig; sondern Spott, - ich werde es euch geben, indem ich euch als Spielmänner beschimpfe.
ERSTER MUSIKANT
Dann werde ich Euch eine Dienstboten-Kreatur nennen.
PETER
Dann wird Euer Schädel den Dolch dieser Dienstboten-Kreatur zu spüren bekommen. Ich dulde solche Töne nicht: [ich will euch eure Instrumente um den Kopf schlagen.] Ich will euch befa-sol-laen. Das notiert euch!
ERSTER MUSIKANT
Wenn Ihr uns befa-sol-laet, so notiert Ihr uns.
ZWEITER MUSIKANT
Bitte steckt Euren Dolch ein und zieht Euren Witz hervor.
PETER
Dann legt euch mit meinem Witz an! Ich werde euch mit eisernem Witz verbleuen und meinen eisernen Dolch einstecken. - [Hört, spannt mir einmal eure Schafsköpfe wie die Schafsdärme an euren Geigen.] Antwortet verständlich:
Wenn in der Leiden hartem Drang
Das bange Herze will erliegen,
Musik mit ihrem Silberklang -
Warum »Silberklang«? warum »Musik mit ihrem Silberklang«? Was sagt Ihr, Hans Kolophonium?
ERSTER MUSIKANT
Ei nun, Musje, weil Silber einen feinen Klang hat.
PETER
Recht artig! Was sagt Ihr, Michel Hackebrett?
ZWEITER MUSIKANT
Ich sage »Silberklang«, weil Musik nur für Silber klingt.
PETER
Auch recht artig! Was sagt Ihr, Jakob Gellohr?
DRITTER MUSIKANT
Mein Seel, ich weiß nicht, was ich sagen soll.
PETER
Oh, ich bitt Euch um Vergebung! Ihr seid der Sänger, Ihr singt nur; so will ich es denn für Euch sagen. Es heißt »Musik mit ihrem Silberklang«, weil solche Kerle wie Ihr kein Gold fürs Spielen kriegen!
Musik mit ihrem Silberklang
Weiß hülfreich ihnen obzusiegen.
Geht [singend ] ab.
ERSTER MUSIKANT
Was für ein Pestkerl ist das?
ZWEITER MUSIKANT
Hol ihn der Henker! Kommt, wir wollen hier hineingehn, auf die Trauerleute warten und sehen, ob es nichts zu essen gibt.
Alle ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Mantua. Eine Straße
Romeo tritt auf.
ROMEO
Darf ich dem Schmeichelblick des Schlafes traun,
So deuten meine Träum ein nahes Glück.
Leicht auf dem Thron sitzt meiner Brust Gebieter;
Mich hebt ein ungewohnter Geist mit frohen
Gedanken diesen ganzen Tag empor.
Mein Mädchen, träumt ich, kam und fand mich tot
- Seltsamer Traum, der Tote denken läßt! -
Und hauchte mir solch Leben ein mit Küssen,
Daß ich vom Tod erstand und Kaiser war.
Ach Herz! Wie süß ist Liebe selbst begabt,
Da schon so reich an Freud ihr Schatten ist!
Balthasar tritt auf. Ha, Neues von Verona! Sag, wie stehts? Bringst du vom Pater keine Briefe mit? Was macht mein teures Weib? Wie lebt mein Vater? Ist meine Julie wohl? Das frag ich wieder, Denn nichts kann übel stehn, gehts ihr nur wohl.
BALTHASAR
Nun, ihr gehts wohl, und nichts kann übel stehn.
Ihr Körper schläft in Capulets Begräbnis,
Und ihr unsterblich Teil lebt bei den Engeln.
Ich sah sie senken in der Väter Gruft
Und ritt in Eil hieher, es Euch zu melden.
O Herr, verzeiht die schlimme Botschaft mir,
Weil Ihr dazu den Auftrag selbst mir gabt!
ROMEO
Ist es denn so? Ich biet euch Trotz, ihr Sterne! -
Du kennst mein Haus, hol mir Papier und Tinte
Und miete Pferde; ich will fort zu Nacht.
BALTHASAR
Verzeiht, ich darf Euch so nicht lassen, Herr!
Ihr seht so blaß und wild, und Eure Blicke
Weissagen Unglück.
ROMEO
Nicht doch, du betrügst dich.
Laß mich und tu, was ich dich heiße tun.
Hast du für mich vom Pater keine Briefe?
BALTHASAR
Nein, bester Herr.
ROMEO
Es tut nichts; mach dich auf
Und miete Pferd', ich komme gleich nach Haus.
Balthasar ab. Wohl, Julia, heute nacht ruh ich bei dir. Ich muß auf Mittel sinnen. - O wie schnell Drängt Unheil sich in der Verzweiflung Rat! Mir fällt ein Apotheker ein; er wohnt Hier irgendwo herum. - Ich sah ihn neulich, Zerlumpt, die Augenbrauen überhangend; Er suchte Kräuter aus; hohl war sein Blick, Ihn hatte herbes Elend ausgemergelt. Ein Schildpatt hing in seinem dürftgen Laden, Ein ausgestopftes Krokodil und Häute Von mißgestalten Fischen; auf dem Sims Ein bettelhafter Prunk von leeren Büchsen Und grüne Töpfe, Blasen, muffger Samen, Bindfaden-Endchen, alte Rosenkuchen, Das alles dünn verteilt, zur Schau zu dienen. Betrachtend diesen Mangel, sagt ich mir: Bedürfte jemand Gift hier, des Verkauf In Mantua sogleich zum Tode führt, Da lebt ein armer Schelm, ders ihm verkaufte. Oh, der Gedanke zielt' auf mein Bedürfnis, Und dieser dürftge Mann muß mirs verkaufen. Soviel ich mich entsinn, ist dies das Haus. Weils Festtag ist, schloß seinen Kram der Bettler. Hei Holla! Apotheker! Der Apotheker kommt heraus.
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