Was sagte doch mein Diener, weil wir ritten,
Als die bestürmte Seel es nicht vernahm?
Ich glaube, Julia habe sich mit Paris
Vermählen sollen: sagt' er mir nicht so?
Wie, oder träumt ichs? Oder bild ichs mir
Im Wahnsinn ein, weil er von Julien sprach?
O gib mir deine Hand, du, so wie ich,
Ins Buch des herben Unglücks eingezeichnet!
Ich bette dich in eine stolze Gruft.
Doch Gruft? Nein, helle Wölbung, Jungerschlagner!
Denn hier liegt Julia: ihre Schönheit macht
Dies Grab zur Feierhalle voll von Licht.
Toter, lieg da, von totem Mann begraben!
Er legt Paris in das Begräbnis. Wie oft sind Menschen, schon des Todes Raub, Noch fröhlich worden! Ihre Wärter nennens Den letzten Lebensblitz. Wohl mag nun dies Ein Blitz mir heißen. - O mein Herz! Mein Weib! Der Tod, der deines Odems Balsam sog, Hat über deine Schönheit nichts vermocht. Noch bist du nicht besiegt; der Schönheit Fahne Weht purpurn noch auf Lipp und Wange dir; Hier pflanzte nicht der Tod sein bleiches Banner. - Liegst du da, Tybalt, in dem blutgen Tuch? O welchen größern Dienst kann ich dir tun, Als mit der Hand, die deine Jugend fällte, Des Jugend, der dein Feind war, zu zerreißen? Vergib mir, Vetter! - Liebe Julia, Warum bist du so schön noch? Soll ich glauben, Der körperlose Tod entbrenn in Lieb Und der verhaßte, hagre Unhold halte Als seine Buhle hier im Dunkeln dich? Aus Furcht davor will ich dich nie verlassen Und will aus diesem Palast dichter Nacht Nie wieder weichen. Hier, hier will ich bleiben Mit Würmern, so dir Dienerinnen sind. O hier bau ich die ewge Ruhstatt mir Und schüttle von dem lebensmüden Leibe Das Joch feindseliger Gestirne. - Augen, Blickt euer Letztes! Arme, nehmt die letzte Umarmung! Und, o Lippen, ihr, die Tore Des Odems, siegelt mit rechtmäßgem Kusse Den ewigen Vertrag dem Wuchrer Tod. Komm, bittrer Führer, widriger Gefährt, Verzweifelter Pilot! Nun treib auf einmal Dein sturmerkranktes Schiff in Felsenbrandung! Dies auf dein Wohl, wo du auch stranden magst! Dies meiner Lieben! - Er trinkt. O wackrer Apotheker, Dein Trank wirkt schnell. - Und so im Kusse sterb ich. Er stirbt, Bruder Lorenzo kommt vom andern Ende des Kirchhofes mit Laterne Brecheisen und Spaten.
LORENZO
Helf mir Sankt Franz! Wie oft sind über Gräber
Nicht meine alten Füße heut gestolpert.
Wer ist da?
Wer ists, der noch so spät zu Toten geht?[»Who is it that consorts, so late, the dead?« Dieser Vers findet sich in der Fassung des »Project Gutenberg Shakespeare Team's«, fehlt aber in allen anderen mir bekannten Ausgaben.]
BALTHASAR
Ein Freund, und einer, dem Ihr wohl bekannt.
LORENZO
Gott segne dich! Sag mir, mein guter Freund,
Welch eine Fackel ists, die dort ihr Licht
Umsonst den Würmern leiht und blinden Schädeln?
Mir scheint, sie brennt in Capulets Begräbnis.
BALTHASAR
Ja, würdger Pater, und mein Herr ist dort,
Ein Freund von Euch.
LORENZO
Wer ist es?
BALTHASAR
Romeo.
LORENZO
Wie lange schon?
BALTHASAR
Voll eine halbe Stunde.
LORENZO
Geh mit mir zu der Gruft!
BALTHASAR
Ich darf nicht, Herr.
Mein Herr weiß anders nicht, als ich sei fort,
Und drohte furchtbarlich den Tod mir an,
Blieb ich, um seinen Vorsatz auszuspähn.
LORENZO
So bleib, ich geh allein. - Ein Graun befällt mich;
Oh, ich befürchte sehr ein schlimmes Unglück!
BALTHASAR
Derweil ich unter dieser Eibe schlief,
Träumt ich, mein Herr und noch ein andrer föchten,
Und er erschlüge jenen.
LORENZO
Romeo?
Er geht weiter nach vorn. O wehe, weh mir! Was für Blut befleckt Die Steine hier an dieses Grabmals Schwelle? Was wollen diese herrenlosen Schwerter, Daß sie verfärbt hier liegen an der Stätte Des Friedens? Er geht in das Begräbnis. Romeo? - Ach, bleich! - Wer sonst? Wie? Paris auch? Und in sein Blut getaucht? O welche unmitleidge Stund ist schuld An dieser kläglichen Begebenheit? - Das Fräulein regt sich.
JULIA
erwachend. O Trostesbringer! Wo ist mein Gemahl? Ich weiß recht gut noch, wo ich sollte sein; Da bin ich auch. Wo ist mein Romeo? Geräusch von Kommenden.
LORENZO
Ich höre Lärm. - Kommt, Fräulein, flieht die Grube
Des Tods, der Seuchen, des erzwungnen Schlafs;
Denn eine Macht, zu hoch dem Widerspruch,
Hat unsern Rat vereitelt. Komm, o komm!
Dein Gatte liegt an deinem Busen tot,
Und Paris auch; komm, ich versorge dich
Bei einer Schwesternschaft von heilgen Nonnen.
Verweil mit Fragen nicht; die Wache kommt.
Geh, gutes Kind!
Geräusch hinter der Szene. Ich darf nicht länger bleiben. [Ab.]
JULIA
Geh nur, entweich, denn ich will nicht von hinnen. -
Bruder Lorenzo geht ab. Was ist das hier? Ein Becher, festgeklemmt In meines Trauten Hand? - Gift, seh ich, war Sein Ende vor der Zeit. - O Böser! Alles Zu trinken, keinen gütgen Tropfen mir Zu gönnen, der mich zu dir brächt? - Ich will Dir deine Lippen küssen. Ach, vielleicht Hängt noch ein wenig Gift daran und läßt mich An einer Labung sterben. Sie küßt ihn. Deine Lippen Sind warm.
ERSTER WÄCHTER
hinter der Szene. Wo ist es, Knabe? Führ uns!
JULIA
Wie? Lärm? - Dann schnell nur!
[Sie ergreift Romeos Dolch.] O willkommner Dolch! Sie ergreift Romeos Dolch. Dies werde deine Scheide. Ersticht sich. Roste da Und laß mich sterben! Sie fällt auf Romeos Leiche und stirbt. Wächter mit dem Pagen des Paris.
PAGE
Dies ist der Ort, da, wo die Fackel brennt.
ERSTER WÄCHTER
Der Boden ist voll Blut; durchsucht den Kirchhof,
Ein paar von euch; geht, greifet, wen ihr trefft.
Einige von der Wache ab. Betrübt zu sehn! Hier liegt der Graf erschlagen, Und Julia blutend, warm und kaum verschieden, Die schon zwei Tage hier begraben lag. - Geht, sagts dem Fürsten! Weckt die Capulets! Lauft zu den Montagues! Ihr andern sucht! Andre Wächter ab. Wir sehn den Grund, der diesen Jammer trägt; Allein den wahren Grund des bittern Jammers Erfahren wir durch näh're Kundschaft nur. Einige von der Wache kommen mit Balthasar zurück.
ZWEITER WÄCHTER
Hier ist der Diener Romeos; wir fanden
Ihn auf dem Kirchhof.
ERSTER WÄCHTER
Bewahrt ihn sicher, bis der Fürst erscheint!
[Ein andrer] Andere Wächter kommen zurück mit Lorenzo.
DRITTER WÄCHTER
Hier ist ein Mönch, der zittert, weint und ächzt;
Wir nahmen ihm den Spaten und die Haue,
Als er von jener Seit des Kirchhofs kam.
ERSTER WÄCHTER
Verdächtges Zeichen! Haltet auch den Mönch!
Der Prinz und sein Gefolge.
PRINZ
Was für ein Unglück ist so früh schon wach,
Das Uns aus Unsrer Morgenruhe stört?
Capulet, Gräfin Capulet und andre kommen.
CAPULET
Was ists, daß draußen so die Leute schrein?
GRÄFIN CAPULET
Das Volk ruft auf den Straßen: »Romeo«
Und »Julia« und »Paris«; alles rennt
Mit lautem Ausruf unserm Grabmal zu.
PRINZ
Welch Schrecken ists, das Unser Ohr betäubt?
ERSTER WÄCHTER
Durchlauchtger Herr, entleibt liegt hier Graf Paris;
Tot Romeo; und Julia, tot zuvor,
Noch warm und erst getötet.
PRINZ
Sucht, späht, erforscht die Täter dieser Greuel!
ERSTER WÄCHTER
Hier ist ein Mönch und Romeos Bedienter;
Man fand Gerät bei ihnen, das die Gräber
Der Toten aufzubrechen dient.
CAPULET
O Himmel!
O Weib! Sieh hier, wie unsre Tochter blutet.
Der Dolch hat sich verirrt; sieh seine Scheide
Liegt ledig auf dem Rücken Montagues,
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