APOTHEKER
Wer ruft so laut?
ROMEO
Mann, komm hieher! - Ich sehe, du bist arm.
Nimm, hier sind vierzig Stück Dukaten: gib
Mir eine Dose Gift, solch scharfen Stoff,
Der schnell durch alle Adern sich verteilt,
Daß tot der lebensmüde Trinker hinfällt,
Und daß die Brust den Atem von sich stößt,
So ungestüm, wie schnell entzündet Pulver
Aus der Kanone furchtbarm Schlunde blitzt.
APOTHEKER
So tödliche Arzneien hab ich wohl;
Doch Mantuas Gesetz ist Tod für jeden,
Der feil sie gibt.
ROMEO
Bist du so nackt und bloß,
Von Plagen so bedrückt, und scheust den Tod?
Der Hunger sitzt in deinen hohlen Backen,
Not und Bedrängnis darbt in deinem Blick,
Auf deinem Rücken hängt zerlumptes Elend,
Die Welt ist nicht dein Freund, noch ihr Gesetz;
Die Welt hat kein Gesetz, dich reich zu machen;
Drum sei nicht arm, brich das Gesetz und nimm!
APOTHEKER
Nur meine Armut, nicht mein Wille weicht.
ROMEO
Nicht deinem Willen, deiner Armut zahl ich.
APOTHEKER
Tut dies in welche Flüssigkeit Ihr wollt
Und trinkt es aus; und hättet Ihr die Stärke
Von Zwanzigen, es hülf Euch gleich davon.
ROMEO
Da ist dein Gold, ein schlimmres Gift den Seelen
Der Menschen, das in dieser eklen Welt
Mehr Mord verübt als diese armen Tränkchen,
Die zu verkaufen dir verboten ist.
Ich gebe Gift dir; du verkaufst mir keins.
Leb wohl, kauf Speis und füttre dich heraus! -
Komm, Stärkungstrank, nicht Gift! Begleite mich
Zu Juliens Grab, denn dort bedarf ich dich.
Ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Lorenzos Zelle
Bruder Markus kommt.
MARKUS
Ehrwürdger Bruder Franziskaner, he!
Bruder Lorenzo kommt.
LORENZO
Das ist ja wohl des Bruders Markus Stimme -
Willkommen mir von Mantua! Was sagt
Denn Romeo? Faßt' er es schriftlich ab,
So gib den Brief.
MARKUS
Ich ging, um einen Bruder
Barfüßer unsers Ordens, der den Kranken
In dieser Stadt hier zuspricht, zum Geleit
Mir aufzusuchen; und da ich ihn fand,
Argwöhnten die dazu bestellten Späher,
Wir wären beid in einem Haus, in welchem
Die böse Seuche herrschte, siegelten.
Die Türe zu und ließen uns nicht gehn.
Dies hielt mich ab, nach Mantua zu eilen.
LORENZO
Wer trug denn meinen Brief zum Romeo?
MARKUS
Da hast du ihn, ich konnt ihn nicht bestellen;
Ihn dir zu bringen, fand kein Bote sich,
So bange waren sie vor Ansteckung.
LORENZO
Unselges Mißgeschick! Bei meinem Orden,
Nicht eitel war der Brief; sein Inhalt war
Von teuren Dingen, und die Säumnis kann
Gefährlich werden. Bruder Markus, geh,
Hol ein Brecheisen mir und brings sogleich
In meine Zell.
MARKUS
Ich geh und bring dirs, Bruder.
Ab.
LORENZO
Ich muß allein zur Gruft nun. Innerhalb
Drei Stunden wird das schöne Kind erwachen;
Verwünschen wird sie mich, weil Romeo
Vom ganzen Vorgang nichts erfahren hat.
Doch schreib ich gleich aufs neu nach Mantua
Und berge sie so lang in meiner Zell,
Bis ihr Geliebter kommt. Die arme Seele!
Lebendge Leich in dumpfer Grabeshöhle!
Ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Ein Kirchhof; auf demselben das Familienbegräbnis der Capulets
Paris und sein Page, mit Blumen und einer Fackel, treten auf.
PARIS
Gib mir die Fackel, Bursch, und halt dich fern! -
Nein, lösch sie aus! Man soll mich hier nicht sehn.
Dort unter jenen Eiben streck dich hin
Und leg dein Ohr dicht an den hohlen Grund,
So kann kein Fuß auf diesen Kirchhof treten,
Der locker aufgewühlt von vielen Gräbern,
Daß du's nicht hörtest; pfeife dann mir zu,
Zum Zeichen, daß du etwas nahen hörst.
Gib mir die Blumen, tu, wie ich dir sagte!
PAGE
beiseit. Fast grauet mir, so auf dem Kirchhof hier Allein zu bleiben, doch ich will es wagen. Entfernt sich.
PARIS
Süße Blume, mit Blumen dein Brautbett ich bestreu.
O weh, dein Baldachin ist Staub und Stein!
Mit süßem Wasser nächtlich will ichs tauen,
Und fehlts daran, mit schmerzzerpreßten Tränen.
Die Totenfeier, nächtlich dir zu weihn:
Dein Grab bestreun und weinen soll es sein.
Der Knabe pfeift. Der Bube gibt ein Zeichen; jemand naht. Welch ein verdammter Fuß kommt dieses Wegs, Und stört die Leichenfeier frommer Liebe? Mit einer Fackel? Wie? Verhülle, Nacht, Ein Weilchen mich. Er tritt beiseite. Romeo und Balthasar, mit einer Fackel, Haue usw.
ROMEO
Gib mir das Eisen und die Haue her!
Nimm diesen Brief; frühmorgens siehe zu,
Daß du ihn meinem Vater überreichst.
Gib mir das Licht; aufs Leben bind ichs dir,
Was du auch hörst und siehst, bleib in der Ferne
Und unterbrich mich nicht in meinem Tun.
Ich steig in dieses Totenbett hinab,
Teils meiner Gattin Angesicht zu sehn,
Vornehmlich aber einen kostbarn Ring
Von ihrem toten Finger abzuziehn,
Den ich zu einem wichtgen Werk bedarf.
Drum auf und geh! Und kehrest du zurück,
Vorwitzig meiner Absicht nachzuspähn,
Bei Gott, so reiß ich dich in Stücke, säe
Auf diesen giergen Boden deine Glieder.
Die Nacht und mein Gemüt sind wütend wild,
Viel grimmer und viel unerbittlicher
Als durstge Tiger und die wüste See.
BALTHASAR
So will ich weggehn, Herr, und Euch nicht stören.
ROMEO
Dann tust du als mein Freund. Nimm, guter Mensch!
Leb und sei glücklich und gehab dich wohl!
BALTHASAR
[für sich.] Trotz allem dem will ich mich hier verstecken; Ich trau ihm nicht, sein Blick erregt mir Schrecken. Entfernt sich.
ROMEO
O du verhaßter Schlund, du Bauch des Todes,
Der du der Erde Köstlichstes verschlangst,
So brech ich deine morschen Kiefer auf
Er bricht die Tür des Grabmals auf. Und will, zum Trotz, noch mehr dich überfüllen. [Er bricht die Tür des Gewölbes auf.]
PARIS
Ha, der verbannte, stolze Montague,
Der Juliens Vetter mordete; man glaubt,
An diesem Grame starb das holde Wesen.
Hier kommt er jetzt, um niederträchtgen Schimpf
Den Leichen anzutun; ich will ihn greifen!
Tritt hervor. Laß dein verruchtes Werk, du Montague! Wird Rache übern Tod hinaus verfolgt? Verdammter Bube, ich verhafte dich; Gehorch und folge mir, denn du mußt sterben.
ROMEO
Fürwahr, das muß ich; darum kam ich her.
Versuch nicht, guter Jüngling, den Verzweifelnden!
Entflieh und laß mich; denke dieser Toten!
Laß sie dich schrecken! - Ich beschwör dich, Jüngling,
Lad auf mein Haupt nicht eine neue Sünde,
Wenn du zur Wut mich reizest; geh, o geh,
Bei Gott, ich liebe mehr dich wie mich selbst,
Denn gegen mich gewaffnet komm ich her.
Fort, eile, leb und nenn barmherzig ihn,
Den Rasenden, der dir gebot zu fliehn!
PARIS
Ich kümmre mich um dein Beschwören nicht
Und greife dich als Missetäter hier.
ROMEO
Willst du mich zwingen? Knabe, sieh dich vor!
Sie fechten.
PAGE
Sie fechten! Gott, ich will die Wache rufen.
PARIS
O ich bin hin! -
Fällt. Hast du Erbarmen, öffne Die Gruft und lege mich zu Julien. Er stirbt.
ROMEO
Auf Ehr, ich wills. - Laßt sein Gesicht mich schaun.
Mercutios edler Vetter ists, Graf Paris.
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