O schließ die Tür, und wenn du das getan,
Komm, wein mit mir; Trost, Hoffnung, Hülf ist hin.
LORENZO
Ach Julia, ich kenne schon dein Leid,
Es drängt aus allen Sinnen mich heraus.
Du mußt, und nichts, so hör ich, kanns verzögern,
Am Donnerstag dem Grafen dich vermählen.
JULIA
Sag mir nicht, Vater, daß du das gehört,
Wofern du nicht auch sagst, wie ichs verhindre.
Kann deine Weisheit keine Hülfe leihn,
So nenne weise meinen Vorsatz nur,
Und dieses Messer hilft mir auf der Stelle.
Gott fügt' in eins mein Herz und Romeos,
Die Hände du; und ehe diese Hand,
Die du dem Romeo versiegelt, dient
Zur Urkund eines andern Bundes oder
Mein treues Herz von ihm zu einem andern
Verrätrisch abfällt, soll dies beide töten.
Drum gib aus der Erfahrung langer Zeiten
Mir augenblicklich Rat; wo nicht, so sieh,
Wie dieses blutge Messer zwischen mir
Und meiner Drangsal richtet, das entscheidend,
Was deiner Jahr und deiner Kunst Gewicht
Zum Ausgang nicht mit Ehren bringen konnte.
O zaudre nicht so lang! Den Tod verlang ich,
Wenn deine Antwort nicht zur Hülfe spricht.
LORENZO
Halt, Tochter, ich erspähe was wie Hoffnung!
Allein es auszuführen heischt Entschluß,
Verzweifelt wie das Übel, das wir fliehn.
Hast du die Willensstärke, dich zu töten,
Eh du dem Grafen Paris dich vermählst,
Dann zweifl ich nicht, du unternimmst auch wohl
Ein Ding wie Tod, die Schmach hinwegzutreiben,
Der zu entgehn du selbst den Tod umarmst;
Und wenn du's wagst, so biet ich Hülfe dir.
JULIA
Oh, lieber, als dem Grafen mich vermählen,
Heiß von der Zinne jenes Turms mich springen,
Da gehn, wo Räuber streifen, Schlangen lauern,
Und kette mich an wilde Bären fest;
Birg bei der Nacht mich in ein Totenhaus
Voll rasselnder Gerippe, Moderknochen
Und gelber Schädel mit entzahnten Kiefern,
Heiß in ein frisch gemachtes Grab mich gehn
Und mich ins Leichentuch des Toten hüllen.
Sprach man sonst solche Dinge, bebt ich schon,
Doch tu ich ohne Furcht und Zweifel sie,
Des süßen Gatten reines Weib zu bleiben.
LORENZO
Wohl denn! Geh heim, sei fröhlich, willge drein,
Dich zu vermählen. Morgen ist es Mittwoch;
Sieh, wie du morgen nacht allein magst ruhn,
Laß nicht die Amm in deiner Kammer schlafen.
Nimm dieses Fläschchen dann mit dir zu Bett
Und trink den Kräutergeist, den es verwahrt.
Dann rinnt alsbald ein kalter matter Schauer
Durch deine Adern und bemeistert sich
Der Lebensgeister, den gewohnten Gang
Hemmt jeder Puls und hört zu schlagen auf;
Kein Atem, keine Wärme zeugt von Leben,
Der Lippen und der Wangen Rosen schwinden
Zu bleicher Asche, deiner Augen Vorhang
Fällt, wie wenn Tod des Lebens Tag verschließt;
Ein jedes Glied, gelenker Kraft beraubt,
Soll steif und starr und kalt wie Tod erscheinen.
Als solch ein Ebenbild des dürren Todes
Sollst du verharren zweiundvierzig Stunden
Und dann erwachen wie von süßem Schlaf.
Wenn nun der Bräutigam am Morgen kommt
Und dich vom Lager ruft, da liegst du tot;
Dann, wie die Sitte unsres Landes ist,
Trägt man auf einer Bahr in Feierkleidern
Dich unbedeckt in die gewölbte Gruft,
Wo alle Capulets von alters ruhn.
Zur selben Zeit, wenn du erwachen wirst,
Soll Romeo aus meinen Briefen wissen,
Was wir erdacht, und sich hieher begeben.
Wir wollen beid auf dein Erwachen harren,
Und in derselben Nacht soll Romeo
Dich fort von hier nach Mantua geleiten.
Das rettet dich von dieser drohnden Schmach,
Wenn schwacher Unbestand und weibsche Furcht
Dir in der Ausführung den Mut nicht dämpft.
JULIA
Gib mir, o gib mir; rede nicht von Furcht!
LORENZO
Nimm, geh mit Gott, halt fest an dem Entschluß!
Ich send indes mit Briefen einen Bruder
In Eil nach Mantua zu deinem Treuen.
JULIA
Gib, Liebe, Kraft mir! Kraft wird Hülfe leihen.
Lebt wohl, mein teurer Vater!
Beide ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Ein [Zimmer] Saal in Capulets Hause
Capulet, Gräfin Capulet, Wärterin, Diener.
CAPULET
So viele Gäste lad, als hier geschrieben!
Ein Diener ab. Du, Bursch, geh, miet mir zwanzig tüchtge Köche!
ZWEITER DIENER
Ihr sollt gewiß keine schlechten kriegen, gnädger Herr; denn ich will erst zusehn, ob sie sich die Finger ablecken können.
CAPULET
Was soll das für eine Probe sein?
ZWEITER DIENER
Ei, gnädiger Herr, das wäre ein schlechter Koch, der seine eignen Finger nicht ablecken könnte. Drum, wer das nicht kann, der paßt mir nicht.
CAPULET
Geh, mach fort!
Zweiter Diener ab. Die Zeit ist kurz, es wird an manchem fehlen. - Wie ists, ging meine Tochter hin zum Pater?
WÄRTERIN
Ja, wahrhaftig!
CAPULET
Wohl! Gutes stiftet er vielleicht bei ihr;
Sie ist ein albern, eigensinnig Ding.
[Julia tritt auf.]
WÄRTERIN
Seht, wie sie fröhlich aus der Beichte kommt!
Julia tritt auf.
CAPULET
Nun, Starrkopf? Sag, wo bist herumgeschwärmt?
JULIA
Wo ich gelernt, die Sünde zu bereun
Hartnäckgen Ungehorsams gegen Euch
Und Eur Gebot, und wo der heilge Mann
Mir auferlegt, vor Euch mich hinzuwerfen,
Vergebung zu erflehn. - Vergebt, ich bitt Euch!
Von nun an will ich stets Euch folgsam sein.
CAPULET
Schickt nach dem Grafen, geht und sagt ihm dies.
Gleich morgen früh will ich dies Band geknüpft sehn.
JULIA
Ich traf den jungen Grafen bei Lorenzo,
Und alle Huld und Lieb erwies ich ihm,
So das Gesetz der Zucht nicht übertritt.
CAPULET
Nun wohl, das freut mich, das ist gut. - Steh auf!
So ist es recht. - Laßt mich den Grafen sehn.
Potztausend, geht, sag ich, und holt ihn her! -
So wahr Gott lebt, der würdge fromme Pater,
Von unsrer ganzen Stadt verdient er Dank.
JULIA
Kommt, Amme, wollt Ihr mit mir auf mein Zimmer?
Mir helfen Putz erlesen, wie Ihr glaubt,
Daß mir geziemt, ihn morgen anzulegen?
GRÄFIN CAPULET
Nein, nicht vor Donnerstag; es hat noch Zeit.
CAPULET
Geh mit ihr, Amme, morgen gehts zur Kirche.
Julia und die Wärterin ab.
GRÄFIN CAPULET
Die Zeit wird kurz zu unsrer Anstalt fallen;
Es ist fast Nacht.
CAPULET
Blitz! Ich will frisch mich rühren,
Und alles soll schon gehn, Frau, dafür steh ich.
Geh du zu Julien, hilf an ihrem Putz.
Ich gehe nicht zu Bett; laß mich gewähren,
Ich will die Hausfrau diesmal machen. - Heda! -
Kein Mensch zur Hand? - Gut, ich will selber gehn
Zum Grafen Paris, um ihn anzutreiben
Auf morgen früh; mein Herz ist mächtig leicht,
Seit dies verkehrte Mädchen sich besonnen.
Capulet und die Gräfin ab.
Englisch
Inhaltsverzeichnis
Juliens Kammer
Julia und die Wärterin.
JULIA
Ja, dieser Anzug ist der beste. - Doch
Ich bitt dich, liebe Amme, laß mich nun
Für diese Nacht allein; denn viel Gebete
Tun not mir, um den Himmel zu bewegen,
Daß er auf meinen Zustand gnädig lächle,
Der, wie du weißt, verderbt und sündlich ist.
Gräfin Capulet kommt.
GRÄFIN CAPULET
Seid ihr geschäftig? Braucht ihr meine Hülfe?
JULIA
Nein, gnädge Mutter, wir erwählten schon
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