Herr Prem überlegte: Wie käme er jetzt wenigstens zu Tee?
Aber die Nachbarin hat mir erst gestern die Türe vor der Nase zugeschlagen, als ich Tee von ihr wollte.
Die Eingangstür knarrte. Seine Frau Li kam nach Hause.
„Wieder kein Tee da, und zu Essen auch nichts,“ bellte er sie an. „Warum habe ich dich bloss geheiratet?“
Frau Li stemmte die Arme in die Hüften.
„Du Nichtsnutz, du hast seit Wochen keinen Riel mehr abgeliefert,“ keifte sie, „Und wovon soll ich dann Tee und Reis kaufen. Wenn du arbeiten würdest, wie dein Onkel Wu, hätten wir immer genug. Und vor acht Jahren hast du mir versprochen, dass du ein Auto kaufen würdest. Sonst hätte ich dich nie geheiratet. Jetzt verbringst du deine Abende mit Schnaps und Weibern, und ich kann betteln gehen, damit ich nicht verhungere! Das Keifen wurde schrill, die Stimme überschlug sich zur Anklage:
„Die Götter sollen dich bestrafen, weil du dich nicht um deine Frau kümmerst. Ich werde älter und älter. Was soll denn später aus mir werden?
In ihr Keifen mischte sich Selbstmitleid, das in einen fordernden Ton überging.
„Fahr’ doch wieder Taxi mit dem Auto deines Onkels, dann gibt es auch wieder jeden Morgen Tee und Reis.”
Herr Prem zog den Kopf ein. Er hatte ihr nie erzählt, dass er vor drei Monaten den Toyota seines Onkels Wu gegen einen Laternenmast gefahren hatte. Der Kotflügel hatte zwei grosse Dellen davongetragen.
Seinem Onkel hatte er erzählt, einer von Onkel Wu’s Büffeln sei gegen das Auto gelaufen.
Sein Onkel hatte seinem Neffen nicht geglaubt und richtigerweise vermutet, dass das schwarze Schaf der Familie nach einem Trinkgelage beim Majong-Spielen angeheitert einen Unfall verursacht hatte.
Danach hatte Onkel Wu ihn zwei Mal, als er sich das Auto wieder zum Taxifahren ausleihen wollte, als Trunkenbold beschimpft und aus dem Haus gejagt. Er solle gefälligst 200‘000 Riels für den Schaden bezahlen – vorher brauchte er sich nicht mehr blicken lassen.
Als Herr Prem erwidert hatte, er solle ihm das Auto leihen, damit er wieder Taxi fahren könne, um seine Schulden zu bezahlen, hatte der Onkel geschrieen: „Die Götter haben ganz richtig gehandelt, als sie dich mit deiner hässlichen Frau bestraft haben! Nicht mal einen Sohn hat sie dir geboren“
Onkel Wu wusste, dass dieser Vorwurf seinen Neffen besonders hart treffen würde, aber für eine neue Frau fehlte Herrn Prem das notwendige Geld.
Missmutig verliess er das Haus und schlenderte in Richtung Markt.
Dort wohnte sein Bruder Bu, der immer wieder gesagt hatte:
„Mach es doch so wie ich.“
Bu hatte im Kampot zwei Freunde, die im Busch ein kleines Haschischfeld angelegt hatten. Vier mal im Jahr holte Bu die Erträge des Feldes ab und schmuggelte die Ware im doppelten Boden eines Hahnenkorbes nach Thailand. Dort bekam er jedes Mal dafür 5‘000 bis 6‘000 Baht und war so zum wohlhabenden Mann geworden; er konnte sich sogar zwei Frauen leisten.
Bu hatte ihm auch davon erzählt, dass mit dem Schmuggel von Heroin zehnmal soviel Geld zu erzielen sei. Aber alle, mit denen Herr Prem sich darüber unterhalten hatte, hatten ihn darauf hingewiesen, dass die Grenzpolizei bei Heroin, anders als bei Haschisch, kein Auge zudrückte.
Und drei weitere Freunde von Bu sassen schon seit 4 Jahren wegen Heroinschmuggels in Trat im Gefängnis.
Aber wie sollte man das Pulver gefahrlos nach Thailand bringen? Darüber hatte er schon oft nachgedacht.
Man könnte es an einen mit Gas gefüllten Luftballon befestigen und jenseits der Grenze den Luftballon abschiessen.
Aber wenn gerade eine Grenzpatrouille in der Nähe war und die Schüsse hörte?
Oder beim Loy Kratong Fest konnte man das Pulver in einem schwimmenden Blumengebinde verstecken. Bei gutem Südwind wäre es in zwei Stunden in Thailand. Dort könnte man es mit einem Fischerboot aus dem Wasser fischen.
Aber wenn es vor Erreichen des Zielpunktes unterginge? Oder der Wind einschliefe?
Die Eigentümer des Pulvers würden ihn wegen des Verlustes auf jeden Fall bestrafen. Und das konnte schlimmer als Gefängnis sein.
In Gedanken versunken setzte Herr Prem ohne festes Ziel seinen Weg fort.
Ich habe immer noch nichts gegessen Ich könnte ja mal bei meiner Cousine Dang vorbeischauen. Die hatte immer ein gutes Herz und freute sich auch oft über meinen Besuch. Ausserdem war sie sehr höflich und lud mich fast immer zum Tee ein…
***
Cousine Dang war tatsächlich da und bat ihn in ihr kleines Haus. Beim Tee fragte sie ihn, wie es ihm so ginge.
Er erzählte ihr nach kurzem Nachdenken von seinem chronischen Geldmangel und von dem Transportproblem mit dem Pulver.
Frau Dang hatte früher in der ‚Hallo Bar’ gearbeitet und ab und zu Ausländer nach Thailand begleitet. Daher wusste sie, dass Ausländer an der Grenze nie ihr Gepäck öffnen mussten.
Dies erzählte sie Herrn Prem, der das zunächst nicht glauben wollte.
Doch dann liess er sich überzeugen und war schnell von dieser Möglichkeit begeistert.
„Ich habe einen Plan“, erzählte er nach längerem Überlegen. „Man könne viel Geld verdienen, wenn es gelänge, ein Päckchen mit dem Pulver im Gepäck eines Fremden, der am folgenden Tag über die Grenze nach Thailand will, zu verstecken. Jenseits der Grenze müsse man ihm dann nur noch den Koffer stehlen, und das Pulver in Trat oder Chantaburi verkaufen. In beiden Städten hatte er einige Freunde, die illegal in Thailand arbeiteten und immer knapp bei Kasse waren.
Die kannten Leute, die für den Markt in Bangkok alles erreichbare Heroin aufkauften.
Für ein Pfund bekommt man 40‘000 Baht: das wusste jeder.
„Und was springt für mich dabei heraus?“, fragte Frau Dang.
„Bestimmt 5‘000 Baht“
Frau Dang bekam leuchtende Augen, und rechnete schnell im Kopf durch: Wenn man das zehn mal im Jahr schaffte, hatte sie 50‘000 Baht zusammen, und konnte sich ein kleines Häuschen kaufen. Für ihre alten Tage…
Und sie wäre bei ihren Freunden angesehen und von ihren Freundinnen beneidet.
Aber wie konnte man an einen Ausländer herankommen?
Frau Dang hatte schon lange nicht mehr in der Bar gearbeitet – sie war einfach zu alt. Aber sie könnte ja mal ihre Freundin, Frau Wu fragen.
Die arbeitete immer noch in der ‚Hello-Bar’.
„Ich werde Frau Wu fragen“, versprach sie Herrn Prem.
Am Nachmittag ging sie bei ihrer Freundin Wu vorbei, die sie zum Tee einlud.
Frau Wu hatte es zu einem gewissen Wohlstand gebracht – sie besass zwölf Hühner und ein Schwein, und es wurde gemunkelt, dass sie sogar ein Sparbuch mit 30‘000 Bath besass.
Obwohl Frau Wu schon 52 Jahre alt war, sah sie viel jünger aus.
Sie arbeitete tatsächlich immer noch in der „Hello-Bar“.
Trotz ihres Alters schaffte sie es immer wieder mal, angeheiterte ‚Farangs’ zu betören und ihnen in deren Hotels ihre Dienste zu verkaufen
Sie hatte auch noch viele Zähne. Es waren zwar mehr künstliche als echte. Tatsächlich hatte sie nur noch fünf eigene; aber da die Barbesucher meistens viel Alkohol getrunken hatten, machte denen der Farbunterschied zwischen alten und neuen Zähnen nichts aus, oder sie bemerkten ihn gar nicht.
Mehrmals sogar hatten die Kunden, als ihr mal wieder einer oder zwei der neuen, künstlichen Zähne zufällig aus dem Mund gefallen waren, sie aufgefordert, alle künstlichen Zähne aus dem Mund zu nehmen. Das war in einer Minute geschehen, da sie die einfach zwischen die anderen Zähne gesteckt hatte. Beim Wiedereinsetzen der Zähne musste sie dann allerdings sehr genau aufpassen, dass sie die richtige Reihenfolge einhielt und nicht versehentlich einen Backenzahn mit einem Schneidezahn verwechselte.
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