Er versuchte Gerhard zu beruhigen.
„Der von der Botschaft hat gesagt, hier in Thailand ist noch kein Weisser hingerichtet worden“
„Na toll, nur in diesem Rattenloch würde ich auch nicht überleben.“
„Jetzt bleib mal cool“, sagte Christoph, „Gene Banig, Baul“.
Er wollte seinen Onkel aufheitern.
„Ich hole dich schon hier raus, irgendwie, und wenn ich diesen ganzen Knast hier in die Luft sprenge!
Ich fahre auf jeden Fall nicht zurück, solange du noch hier drin bist, und wenn du hier raus bist, dann gehen wir einen ziehen wie in alten Zeiten!“
Gerhard erklärte ihm, was in seinen Augen das Sinnvollste sein könnte: Man müsste zu der Dame von der Bar in Ko Kong gehen, und sie zum Reden bringen. Nur die Thailänder dürfen nicht rüber!
Chris allerdings, war noch nie in Kambodscha gewesen.
Aber er war mutig, und das machte Gerhard wiederum etwas Mut. Und er hatte Kohle, mehr als er. Nur hatte er weniger Zeit, denn er arbeitete in einem Verlag als Geschäftsführer. Wenn die zweieinhalb Wochen, die er hier sein wollte, vorüber waren, musste er zurück zu seinem Job. Da war er unabkömmlich.
Als hätte Chris die Gedanken seines Onkels erraten, sagte er: „Wenn ich zurück müsste, und du bist noch hier drin, dann bleibe ich halt hier. Ich fahre nur mit dir zusammen zurück nach Deutschland, darauf gebe ich dir mein Wort. Und wenn die mich feuern, dann sollen’ se halt. Alle oder keiner!“
Gerhard war gerührt, sagte aber: „Lass mal, irgendwie geht immer!“
Ich will nicht, dass er auch noch wegen mir Probleme bekommt, und gute Jobs sind zu Hause schwer zu finden.
Er verabschiedete sich, da der Wärter energisch an die Gitter schlug, umarmte ihn, und murmelte: „Halt’ durch, Onkel!“
Gerhard drehte sich schnell um, damit Chris nicht die Tränen sehen konnte, die ihm in den Augen standen.
Von aussen rief Chris noch einmal ganz laut: „Halt‘ durch, Onkel!“
Er dachte den ganzen Abend nach, auch später, als er auf des Onkels Wohl ein paar Bierchen zog…
Und dann, am nächsten Tag, tat er das wahrscheinlich Vernünftigste in dieser verfahrenen Situation.
Chris geht nach Kambodscha
Chris setzte mit der ersten Fähre zum Festland über, nahm eines der Taxis und liess sich zum Flughafen nach Trat fahren. Dort nahm er die nächste Maschine nach Bangkok. Gegen Mittag bekam er einen Flug nach Phnom Penh, wo er gegen 14.00 Uhr landete.
Dort quartierte er sich in einem Hotel in der Nähe der deutschen Botschaft ein.
Pünktlich zur Öffnungszeit, um neun Uhr am nächsten Morgen, betrat er die Botschaft. Am Empfang sagte er, er müsse in einer dringenden Familienangelegenheit mit jemandem sprechen.
Kurz darauf sass er einem älteren Herrn gegenüber, der sich als dritter Botschaftssekretär, Paul Naumann, vorstellte. Der hörte interessiert zu, was Chris ihm zu sagen hatte. Dann meinte er, Chris solle doch Kontakt zur Botschaft in Bangkok aufnehmen, weil sein Onkel in Thailand im Gefängnis sitze; die zuständigen Behörden in Thailand seien zuständig. MMMmmm
Chris warf ein: „Sehr geehrter Herr Neumann, bitte hören sie einen Augenblick zu.“
Und er erzählte von der ‚Hallo Bar’ in Ko Kong, und dass er mit der Bardame Wu dort reden wolle, die in seinen Augen der Schlüssel zu einer Lösung sei. Mitglieder der Botschaft in Bangkok dürften allerdings nicht in Kambodscha ermitteln. Deshalb sei er auf die Zusammenarbeit der Botschaftsmitglieder von Pnom Penh angewiesen. Er wüsste gerne, ob er bei seiner Aktion, wenn nötig, Hilfe von der Botschaft hier erhalten könne.
Herr Naumann fragte freundlich „Wie soll ich mir das vorstellen?“
Chris antwortete: “Wenn ich Hilfe von der Polizei zum Beispiel brauche. Wenn ich von der Dame die Aussage schriftlich hätte, dass die meinem Onkel das Zeugs ohne sein Wissen in den Koffer bugsiert hat, und wie viel es war, könnte ich damit in Thailand viel anfangen, denke ich mir.“
Herr Naumann kam ins Grübeln.
„Unten im Süden haben wir keine Einflussmöglichkeiten, schon gar nicht auf die Polizei! Aber halt, ich habe da eine Idee – vielleicht gibt es doch einen Weg, wie ich Ihnen helfen kann. Da schuldet mir noch jemand was!“
Er griff zum Telefon, und führte ein kurzes Telefonat. Zufrieden lächelnd legte er den Hörer wieder auf. „Scheint zu klappen.“
Chris horchte auf.
„Sie müssen wissen: ich fing hier während der Katastrophe mit Pol Pot an. Es war eine schlimme Zeit. Ich weiss nicht, was ihnen darüber bekannt ist. Seine Bande wollte aus dem Land einen steinzeitlichen Bauernstaat machen. Alle Intellektuellen, die sie fassen konnten, haben sie eingesperrt und die meisten hingerichtet. Als Intellektueller galt man schon, wenn man nur eine Brille trug. Kurz, sie haben alles, was für sie als irgendwie „Gebildet“ galt, auszurotten versucht. Auch Akademiker halt. Und auch die Stadtbewohner, die noch nicht geflohen waren. Man nimmt an, über zwei Millionen, und das bei einer geschätzten Bevölkerung von damals von acht Millionen. Um Patronen zu sparen, sind sie nach einiger Zeit dazu übergegangen, die Leute mit Knüppeln oder Macheten zu erschlagen. Phnom Penh hier war wie eine Geisterstadt. Und irgendwann in dieser Zeit, etwa 1977, kam ein Lehrer, den ich flüchtig gekannt hatte, nachts durch ein Loch, das er in den Zaun der Botschaft geschnitten hatte, geflüchtet, mit einem kleinen Säugling im Rucksack.
Seine Frau, ebenfalls Lehrerin, hatte man am Abend vorher erschlagen. Ich war an diesem Abend zum Telefonnotdienst eingeteilt. Obwohl strikte Anweisung bestand, keine Flüchtlinge aufzunehmen, habe ich ihn aus Mitleid im Keller versteckt. Dass ich damit meine Karriere ruinieren würde, wenn das bekannt würde, war mir egal.
Dieser Herr Mon Ban hat dann dort, von mir notdürftig versorgt, mit seinem Kleinen unbemerkt gehaust.
Als dann nach fünf Monaten die Vietnamesen einmarschiert sind, haben sie die Pol Pot Bande in den Dschungel vertrieben. Ich konnte ihn, ebenfalls heimlich, nachts nach draussen lassen. Seitdem haben wir uns oft getroffen, aber ein Jahr später ist er gestorben.
Ich habe mich in der Folgezeit, so gut es ging, um seinen Sohn gekümmert. Er ist jetzt 33 Jahre alt und Polizeileutnant.
Den treffen wir nachher zum Essen – wir wollen mal sehen, was der meint.“
Chris war verwundert – mit einem so freundlichen, hilfsbereiten Menschen hatte er hier, am Arsch der Welt, nun wirklich nicht gerechnet.
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